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 Zensur im Kopf Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 23.07.2003, 00:03 Antworten mit ZitatNach oben

"Eine neue Software, maßgeschneidert nach den Wünschen der Anwender, blockiert Sex-, Gewalt- oder Drogen-Seiten." Das ist natürlich gelogen. Dennoch lesen wir es beim investigativsten aller Nachrichtenmagazine online. Unter der Überschrift "Die Schere im Rechner" wird das ICRAplus-System für das World Wide Web kritiklos beschrieben - nicht die Fakten, sondern das Wünschen und Wollen. Der Filter indiziert wahllos alles, was Zensoren wollen, und meistens falsch und das Falsche. Und dem Missbrauch durch die Obrigkeit werden Tür und Tor geöffnet.

Warum jetzt dieser Artikel? Kein Zweifel: Heise hatte vor wenigen Tagen berichtet: "Jugendschützer laden zur Anhörung". Thema: Der Verein hat bei den Wächtern der KJM einen Modellversuch für einen eigenen Filter beantragt. Im wesentlichen besteht der aus einer in den ICRA-Filter eingebauten Blocking List, die der von den Unternehmen getragene Verein "händisch" pflegt. Also doch der real existierende Zensor, dessen pädagische und sonstwelche Qualifikation ungefähr so aussieht wie der intellektuelle Horizont der nur in Deutschland beheimateten Jugendschutzwarte. Spiegel online betreibt offenbar schlicht Lobby-Arbeit für das unsägliche Unterfangen der Internet Content Rating Association: Trotz der zahlreichen kritischen Websites und sogar wissenschaflichen Arbeiten zum Thema kein recherchierendes Wort über den Positiv-Filter der IRCA. Sogar das WWW-Consortium hat sich geäussert. Das könnte man bei der langen Vorgeschichte des Themas zumindest anmerken.

Es ist unverschämt, dass sich ein Artikel als Journalismus ausgibt, der keine Kritiker zum Thema zu Wort kommen lässt. Das ist nicht seriös - so etwas lernt man in einem Journalistik-Proseminar. Ausserdem fällt das eigentliche Thema vollends unter den Tisch: welchen pädagogischen Sinn und Zweck hat ein Filter im WWW? Und welche Medientheorie steht dahinter? Was sind jugendgefährdende Inhalte? Wir wirken sie? Die Schere sitzt nicht im Rechner, sondern im Kopf der deutschen Online-JournalistInnen, die bei den Stichworten Zensur, Filter, Verbot und obrigkeitsstaatlicher oder kommerzieller Bevormundung nicht sofort empört aufschreien, sondern ernsthaft erwägen, ob das nicht gut sei.

"Das Programm filtert ausschließlich Angebote des World Wide Web, aber keine Newsgroups". Harr harr. Die Überschrift heisst Web-Filter. Und da das WWW mit dem Usenet technisch rein gar nichts zu tun hat, ist das selbstverständlch. By the way: Web-Filtern filtern auch nicht das IRC, telnet oder E-Mails. Ich muss noch ein wenig mehr herumnörgeln: "Wer früher Filter-Software fürs Internet nutzte, ärgerte sich oft genug schwarz." Wieso? Wer nutzte denn Filter-Software? Und welcher Journalist ist nicht imstande, Filter für's WWW zu umgehen?

Ich darf dazu eine kleine Anekdote erzählen: Neulich wies mich meine Bank, wie beinahe jeden Monat, darauf hin, dass mein Konto über den Dispositionskredit hinaus überzogen sei. Anruf beim Filialleiter: der bedauerliche Zustand des Kontos werde sich in den nächsten Tagen geringfügig zum Besseren wenden. Der Bank-Mensch ist online und beklagt sich, er könne burks.de nicht sehen. Ihm habe jemand von der Zentrale einen Filter eingebaut, und burks.de gehört nicht zur Positiv-Liste. Ich diktiere ihm versuchsweise nslookup und - siehe da! - mit der IP-Adresse funktioniert alles wunderbar. Im übrigen wurde mir danach der Dispositionskredit erheblich erhöht.

Filter für's Internet sind das eine. Das andere - und das scheint kein Zufall zu sein - sind juristisch zwar sinnfreie, aber schikanöse Aktionen. Vergleiche die aktuelle Meldung: "Netzaktivist werden volksverhetzende Links vorgeworfen". Ich bin gespannt, ob die Online-Medien dazu, wenn überhaupt, eine Berichterstattung hinkriegen, die minimalen journalistischen Ansprüchen genügt.

23.07.2003
© BurkS

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