"Vielleicht wird auch bald auf einer deutschen Werft ein Flugzeugträger gebaut, wenn es einen Bedarf dafür gibt." So ertönte jüngst der hessische Ministerpräsident Roland "kurze Beine" Koch. Der Politprofi weiss, dass in die Medien kommt, wer etwas fordert, was kompletter Blödsinn ist, aber doch nicht so abwegig, dass es zum Fliegen über das Kuckucksnest reicht. Irgendwie hat er ja recht: Wenn die Bundesmarine vor Madagaskar liegt, um Flagge zu zeigen (nein, nicht gegen rechte Gewalt!) - warum nicht gleich im Flugzeugträger? Wir sind wieder wer und Weltmacht auf dem Wasser, stabreimt der Deutsche jedes Mal, wenn er einen Äppelkahn vom Stapel lässt.

Aber, liebe wohlwollende junge Leserin und lieber geneigter junger Leser: zum wiederholten Male betonen wir den volkserzieherischen Aspekt dieses kleinen familien- und frauenfreundlichen Forums. Will sagen: was sagt uns die Assoziation Kriegsschiff, kombiniert mit ultrarechten Politikern? Richtig: Bei Roland Koch denken wir an die SPD im Jahre 1928, an deren Kanzler Hermann Müller und an die Panzerkreuzer-Affäre. Muss man nicht kennen. Aber man lernt etwas über die zahlreichen historischen Ursachen für den bekannten Kinder- und Schüttelreim: Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!

Die Rechten und Bürgerlichen wollten damals die staatlichen Zuschüsse für Schulkinderspeisungen streichen und stattdessen einen Flugzeugträger - nein, einen Panzerkreuzer bauen. Die SPD war dagegen. Aber der Opportunismus der Realos siegte, beflügelt durch die Angst vor den "Radikalen". Die KPD initiierte ein Volksbegehren gegen den Rüstungswahnsinn. "Die erstmals in einem deutschen Parlament vertretene Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) war grundsätzlich gegen Reichswehr und Reichsmarine eingestellt. Gerade die Reichsmarine wurde vom ideologischen Standpunkt aus als "Machtmittel des Imperialismus und Kapitalismus" gewertet. Unvergessen war auch der überharte Einsatz der Marinebrigaden bei den kommunistischen Aufständen." Das schreibt heute das IFDT: Information für die Truppe.

Wohl wahr. Damit hatte die KPD damals sicher recht. Und wer heute deutsche Flugzeugträger in alle Welt schicken will, hat haargenau das gleiche Motiv wie damals die Chefs der kaiserlichen Marine, die die Demokratie nur verachteten. Die SPD kippte übrigens um: die Partei war zwar gegen den Panzerkreuzer, aber die Regierungsmitglieder bewilligten den Bau. Kaum jemand wagt heute daran zu erinnern, dass wegen der Panzerkreuzer-Affäre sogar Willy Brandt aus der SPD austrat.

Dem brutalstmöglichen hessischen Ministerpräsidenten sei gedankt, dass wir beim Stichwort "Schlachtschiffe für Deutschland" die junge Generation auch kulturell weiterbilden können. Ich empfehle aus diesem von Roland Koch gelieferten Anlass den "besten Film aller Zeiten". So urteilte eine Jury aus 27 Ländern bei der Weltausstellung 1958 in Brüssel über Sergej M. Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin aus dem Jahr 1925. Den muss man einmal im Leben gesehen haben. Der wahre historische Hintergrund: in Odessa am Schwarzen Meer sollten 30 Matrosen des Panzerkreuzers Fürst Potemkin von Taurien erschossen werden, weil sie sich geweigert hatten, verdorbenes Fleisch zu essen.

Und was machten die Deutschen mit diesem Kunstwerk? Wir ahnen es schon: Sie verboten den Film - wegen "Staatsgefährdung" (vgl. die Zensurverfügung). Die Zensurbehörde hiess damals weder jugendschutz.net noch Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, sondern schlicht Filmprüfstelle. Gemeint ist aber immer dasselbe.

Sehr geehrter Ministerpräsident Roland Koch! Ich warne Sie! Das mit dem Flugzeugträger geht bestimmt in die Hose. Aber mir kann es nur recht sein. Die Matrosen von Schlachtschiffen hatten in der Vergangenheit keine gute Meinung von erzreaktionären Politikern. In Sankt Petersburg kann man den Nachbau des Panzerkreuzers Aurora besichtigen. Dieses Kriegsschiff hat mit einem Schuss aus seiner Kanone das Signal zur Oktoberrevolution gegeben. Also lassen sie so ein Ding ruhig bauen. Wir schiessen dann damit.

Bildmontage: BurkS

02.07.2003
© BurkS