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 [Spuren der Macht] Der Name der Tulpe 2: Sext Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 28.06.2003, 23:08 Antworten mit ZitatNach oben

Diese - hier stark gekürzte - Geschichte erschien 1990 in meinem Buch Spuren der Macht im Rowohlt-Verlag. Ich hatte mich eine Woche in einem Kloster einquartiert. Dort erfuhr ich von einem mysteriösen Todesfall und recherchierte in der Klosterbibliothek...

[Der Name der Tulpe 2] Sext: Ein Mönch verschwindet

Nein, der Chronist bittet Gott nicht um eine ruhige Hand, um die schrecklichen Dinge niederschreiben zu können, die sich vor zwei Jahren [Das Buch erschien erschien 1990, B.S.] im Kloster ereigneten. Ein schmales Büchlein erzählt die Geschichte der Abtei. Darin lese ich den schlichten Satz: "Ein Bruder ist gleich nach der Terz aus dem Fenster im ersten Stock gestürzt." Die Mönche fand ihn kurz darauf vor dem Westflügel, in seinem Blute liegend und schwer verletzt. Einundzwanzig Jahre zählte er und hatte erst vor kurzem sein Gelübde abgelegt. Er erlag wenig später seinen inneren Verletzungen.

Bruder Bartholomäus sei der Verstorbene hier genannt. Seine Mutter, das ist bekannt, starb bei der Geburt. Die, die ihn kannten und mit ihm lebten, haben ihn als "sehr liebenswürdig" empfunden. Es wird allerdings berichtet, daß er "aufgrund seiner Anlage und seiner Lebensgeschichte", so formuliert es der Chronist, "von Depressionen und Insuffizienzkomplexen geplagt" worden wäre.

Der Novizenmeister, der für das seelische Wohlergehen der jungen Mönche zuständig und verantwortlich ist, meinte, bei seinem jugendlichen Alter solle man die Entwicklung abwarten, ihm Zeit lassen, in der Hoffnung, die endgültige Klärung werde sich ergeben. "Insuffizienz", das heißt Schwäche, kann in einer von den Grundsätzen der christlichen Lehre beherrschten Umgebung nur im religiösen Sinne gemeint sein. Sicherlich entsteht ein Gefühl, ständig zu versagen, nicht dadurch, daß ein Mönch die Regeln des Zusammenlebens in der Ordensgemeinschaft nicht auf Dauer akzeptieren könnte, etwa die nötige Ehrfurcht beim Gebet, das Gebot des nächtlichen Schweigens oder des Maßhaltens bei Speisen und Getränken.

Das schwierigste Problem von Männern, die im Zölibat leben, dürften vielmehr die natürlichen Regungen des Körpers sein. Jedes Lustempfinden außerhalb der Ehe, wenn es nicht im Schlaf oder durch Zufall, also unwillentlich erzeugt wird, gilt als Sünde, die mit der Verdammnis bestraft wird, wenn man den Betreffenden nicht davon rituell befreit. Eugen Drewermann spricht angesichts dieser Forderungen der kirchlichen Lehre von einer zwanghaften und "schwer erkauften Doppelmoral."

Ein moderner Beichtspiegel, "mit ausführlicher Gewissensforschung" gibt folgende Tipps, was der Gläubige falsch gemacht und somit bereuen müsste: "Habe ich mich bei unanständigen Gedanken oder Erinnerungen aufgehalten?" - "Habe ich mir unkeusche Erinnerungen oder Gedanken ins Gedächnis gerufen?" - Habe ich mich von schlechten Begierden gegen die Keuschheit oder die Herzensreinheit leiten lassen, auch wenn ich ihnen nicht durch Taten gefolgt bin?" - "Habe ich unanständige Gespräche geführt? Habe ich sie begonnen?" - "Habe ich an Veranstaltungen teilgenommen, die eine unmittelbare Gelegenheit zur Sünde beinhalten?" - "Bin ich mir bewußt, dass es schon eine Sünde ist, sich solchen Gelegenheiten auszusetzen?" - Habe ich mich bei unanständigen Blicken aufgehalten?" - "Habe ich unkeusche Regungen der Sinne zurückgewiesen?" - "Habe ich Unkeusches getan? Allein oder mit anderen? Wie oft? Mit Personen meines oder des anderen Geschlechts?"

Diese Schrift stammt aus dem Umfeld des Opus Dei, einer katholischen Organisation, die, was die Strenge des Glaubens angeht, so orthodox ist, dass sie, bildlich gesprochen, im Keller Schatten werfen würde. Immerhin wird sie, da fand ich sie, im Dom zu Billerbeck, in enger Nachbarschaft zum Kloster, den Frommen zur geistigen Erbauung und geistlichen Anleitung angeboten.

Die "erste Regel der Demut", eines der Gebote der Benediktiner, besagt: "Der Tod steht an der Schwelle der Lust." Die Lust ist nicht unbedingt sexueller Natur, sondern kann einfach darin bestehen, dass man wissentlich und aus freien Stücken etwas "verkehrt" macht. Es bedürfte eines erheblichen rhetorischen Geschicks, den Beichtvater oder das übergeordnete göttliche Wesen anschließend glaubwürdig von der eigenen Reue zu überzeugen.

Wir wissen nicht, was den unglücklichen Bruder Bartholomäus quälte. Die Mönche der Abtei waren aber bald nach seinem tödlichen Sturz gezwungen, sich erneut mit den Hintergründen seines Ablebens zu beschäftigen. Im Mai verschwand der Novizenmeister, der sich so verständnisvoll um das Wohlergehen des jungen Bruders gekümmert hatte, an seinem Ferienort Garmisch-Partenkirchen. Er kehrte von einer Wanderung nicht zurück. Es wird gesagt, er habe unter dem Schicksal des Bruders Bartholomäus am meisten gelitten.

Der Novizenmeister, hier soll er Pater Johannes heißen, wollte einen "ordentlichen Marsch" durch die Berge machen. Das berichtet jemand, der ihn die Tage vor seinem Verschwinden begleitet hatte. Ihn habe der Weg im Reintal zwischen dem Wettersteingebirge und dem Zugspitz-Alpspitzmassiv gereizt. Seinem Begleiter war nicht nach einem ausgedehnten Marsch zumute.

Nach der morgendlichen Messe und einem ausgiebigen Frühstück sagte Pater Johannes, bei sehr gutem Wetter und ausgezeichneter Fernsicht, er werde an dem Flüßchen Partnach entlanggehen, so weit er käme, und dann zurückkehren. Er machte sich offenbar in bester Laune, startklar, telefonierte noch mit einer guten Bekannten und verabredete sich mit ihr für den Abend desselben Tages. Dann ging er los. Seitdem fehlt jede Spur von ihm. Um neun Uhr abends alarmierte man die Bergwacht.

Nächste Folge: Non: Im Refektorium

[Der Name der Tulpe 1] Vigil und Laudes
[Der Name der Tulpe 3] Non
Sext
[Der Name der Tulpe 4] Vesperale
[Der Name der Tulpe 5] Komplet

Der Name der Tulpe - die 5teilige Serie im pdf-Format, 1 Euro, ca. 600 kb

29.06.2003
© BurkS

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