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 [Latinoblog 3: Venezuela 2] Auf den Spuren der Eroberer Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 31.05.2003, 00:52 Antworten mit ZitatNach oben


Auf den Spurern der Eroberer

Wen interessiert schon, was heute vor 486 Jahren im Norden Venezuelas geschah? Niemanden, ausser vielleicht den wohlwollenden Leserinnen und geneigten Lesern meines Romans Die Konquistadoren. Ende Mai 1535 kämpften sich 400 Landsknechte samt Tross durch die Sierra de San Luis in Venezuela. Der kleine Gebirgszug liegt südlich der Stadt Coro, die damals den Welsern aus Augsburg gehörte und Ausgangspunkt für Entradas waren - übersetzt: Raubzüge nach Sklaven und Gold. Die Entrada, deren Weg ich aus den Quellen ungefähr recherchiert hatte, wurde schon in den Ausläufern der Sierra in Kämpfe mit dem indianischen Volk der Jijajaras verwickelt.

Ich fuhr mit einem Bus in einen verschlafenen Ort mitten in der Sierra. In alten Reiseführern wurde eine Route durch die Berge beschrieben, die heute noch als camino de los conquistadores bekannt ist - der Weg der Eroberer. Aber niemand konnte mir sagen, wo genau dieser Weg war. Der Blick von der Sierra nach Norden (Bild obere Reihe, 2.v.l.) zum Meer wird auch die sächsischen Bergleute aus dem Erzgebirge erfreut haben, die damals dabei waren: Dietrich Lope, Joachim Schmidt, Moritz Butzler, genannt Mauricio, und der Held des Romans, Burckhard Ansorg aus Geyer bei Chemnitz. Von Cabure versuchte ich nach Süden zu kommen. Ich trampte nach Churuguara am Südhang der Sierra - ein sehr alter Ort, der durch seine indianische Folklore bekannt ist. Im Ortsnamenregister zum Roman schrieb ich über diese Region: "Hittova: historischer Ort im Nordwesten Venezuelas, Siedlung der Xideharas, südlich der heutigen Sierra de San Luis, in der Nähe von Churuguara oder La Cruz de Taratara."

Mit diversen Pickups schlug ich mich in den nächsten Tagen an den südlichen Ausläufern der Sierra nach Osten durch, in Richtung Riecito. Ich hatte Glück: schon am frühen Morgen gelangte ich nach Santa Cruz de Bucural. Ich musste mit meinem mehr als zwanzig Kilo schweren Rucksack über die Berge, um zu einer verborgenen Höhle zu kommen, von der ich im legendären South America Handbook gelesen und die mich neugierig gemacht hatte. Noch vor der glühenden Hitze des Mittags marschierte ich durch den Tropenwald (Bild oberer Reihe, 3.v.l.), immer leicht bergauf, auf einem oft kaum zu sehenden Trampelpfad. Kein Mensch begegnete mir. Erst am späten Nachmittag, auf der anderen Seite der Berge, liefen mir ein Junge und ein alter Mann über den Weg, die einen Esel führten, der mit leeren Wasserflaschen bepackt war. Sie sagten, ich sei auf dem richtigen Weg. Ich konnte kaum noch sprechen, so erschöpft war ich. Meine Wasservorräte hatte ich schon fast aufgebraucht. Ich war acht Stunden fast ohne Pause marschiert. Die beiden mit dem Esel sahen mir an, wie es mir ging und wiesen mir den Weg zu einer Hütte abseits des Weges. Eine Frau, die aus Furcht vor mir Fremden kein Wort über die Lippen brachte, reichte mir ein lauwarmes Glas Wasser. Ich kann mich heute noch an den Geschmack erinnern - es war köstlich.

Kurz vor Sonnenuntergang kam ich an der Höhle an. Ein Bach schäumte aus dem Berg, und in einem umzäunten Areal arbeitete ein Mann - er wartete die Generatoren. Das kleine Wasserkraftwerk versorgte wohl die ganze Gegend mit Strom. Ich hatte sogar eine Hütte für mich, meine Hängematte und das Moskitonetz. Eine Stunde durchsuchte ich die Höhlen, sah aber nichts Aufregendes, ausser ein paar Fledermäusen und ähnlichem Getier, das meine Taschenlampe aufscheuchte. Mir graute schon vor dem Rückmarsch, weil klar wurde, dass kein Weg hinab zum Rio Tucuyo führte, sondern dass ich wieder zurück nach Churuguara musste. Die Konquistadoren hatten vermutlich ähnliche Probleme. Im Ortsglossar zum Roman zitiere ich aus den Briefen des Landsknechtsführer Philipp von Hutten über den Sumpf von Paraguachoa "...wahrscheinlich nördlich des Tocuyo gelegen, am Fuss der heutigen Sierra de San Luis. Überliefert von Hutten als cienaga (span.: Sumpf) de Baragatschan, "ein fast böser Paß von Wasser und Koth einer viertel Meil lang". Das zweite Kapitel der "Konquistadoren" spielt in der Sierra de San Luis. Ich hatte mehr Glück: der Arbeiter wurde am nächsten Tag abgelöst, und ich konnte auf der Ladefläche des Jeeps mitfahren (Bild oberer Reihe, 4.v.l.).

Endlich - der Rio Tocuyo. Hier spielt ein weiteres Kapitel des Romans: die Konquistadoren bauten damals Flöße und hatten große Probleme, während der Regenzeit überhaupt auf das andere Ufer zu kommen. Ich stand mehrere Stunden auf der heutigen Brücke und versuchte mir vorzustellen, wie ein langer Zug, Menschen und Pferde, damals die Bergkette hinuntergestiegen war, wie in der Anfangsszene des einzig wahren Konquistadoren-Films "Aguirre - der Zorn Gottes" Zeit war genug, denn ausgerechnet kurz vor de Brücke hatte das Collectivo, ein uralter Straßenkreuzer, eine Panne. Der Fahrer brauchte mehrere Stunden, um das wieder hinzukriegen. Am Nachmittag erreichten wir Barqusimeto, eine wimmelnde Grosstadt, ich nahm sofort einen Bus weiter nach Quibor (Bild obere Reihe rechts u. 2.v.r.).

Quibor - eine staubige Kleinstadt ohne besondere Sehenswürdigkeiten, wenn man vom Museo Antropologico de Quibor Francisco Tamayo absieht. Leider gibt es dessen Website nicht mehr: in Quibor wurden bei Straßenbauarbeiten Skelette von Pgymäen gefunden: der einzige Beweis für die Behauptung des Konquistadors Nikolaus Federmann, er habe dort mit "Zwergen" gekämpft, die sehr kriegerisch gewesen seien. Federmann hat eine der Ureinwohnerinnen Quibors geraubt und mitgeführt - die "Zwergin" ist bald darauf in Coro gestorben.

In einem kleine Dorf in der Nähe kaufte ich mir eine der berühmten und zweifellos wunderschönen Hängematten (Bild linke Reihe, unten), in der ich viele Nächte gut geschlafen habe (umgerechnet 10 Euro!). Das Dorf war ein fast realsozialistisches Kollektiv: Alle Hängematten in allen Läden hatten Festpreise. Ich musste das feststellen, nachdem ich nach alter Gewohnheit überall hereingeschaut und lange verhandelt hatte. Da kein Unterschied im Preis und der Qualität festzustellen war, entschied ich mich nach der Schönheit der Verkäuferin....

Auch der Schuster und die beiden Töchter einer Frau, die in einem Kiosk Fruchtsäfte anboten, sind aus Quibor. (Bilder linke Reihe). Am letzten Tag hatte ich noch eine Begegnung der wundersamen Art. Im Rathaus fragte ich mich zum Dorfchronisten durch, wie in jedem Ort, in dem ich einige Tage blieb. Den gab es nicht. Dafür begleitete mich ein hilfsbereiter junger Mann zu einer Villa im Ortskern. Dort residierte ein Mitglied der venezolanischen Akademie der Wissenschaften, Dr Tarquino Barreto, ein alter Herr, anfangs sehr misstrauisch, dann aber schnell fachsimpelnd über historische Details der Conquista. Am Schluss unseres langen Gesprächs schenkte er mir zwei seiner Bücher Antologia y anotaciones sobre la historia y la cultara de Quibor. Und darin fand ich eine Passage, die mir die Idee für den Schluss des Romans geliefert hat (den ich hier natürlich nicht verrate...):

"....El misterio sa ha encargardo de guardar celosamente los origines da la fundacion de Quibor; soló la tradición de siglo en sigol, y generatión en generación, ha venido conservando la leyenda, porque no de otro modo debe llamarse aquello quo no pueda probarse, de que un día en la mitad del siglo XVI, los conquistadores alemanes en nombre de los Welsares, plantaron sus palenques en tierras de los indios Cuibas, al pié de da Serrania de Cubrio, y en el sitio que hoy ocupa Buenavista de Cuara, cinco kilómetros als sur de la actual población, quedando alli Lope Montalvo de Lugo con una companía de soldados alemanes. Verdad o leyenda? solo hay de cierto que en Cuara quedó la cimiente de una raza etnológica distinta a las demás que poblaron el Estado Lara."

Für die Nicht-Hispanophilen kurz zusammengefasst. Wer Quibor gegründet hat, weiß man nicht genau. Nur eine Legende wurde mündlich überliefert: An einem Tag im 16. Jahrhundert seien deutsche Landsknechte in das Gebiet der Cuibas eingedrungen, im Auftrag der Welser. Und eine Kompanie hätte sich in einem Nachbarort Quibors niedergelassen, unter dem Anführer Lope Montalvo de Lugo. Schon merkwürdig, dass in den Papieren und Briefen des Philipp von Hutten, der als Augenzeuge dabei war, nichts über das Schicksal dieses Spaniers zu lesen ist, aber von Deserteuren und davon, dass die Konquistadoren die Frauen in dieser Gegend sehr schon fanden und dem Tal von Barquisimeto den Namen gaben: Valle de las damas - das Tal der Frauen.

Ich habe dort nicht mehr Blonde und Blauäugige gesehen als anderswo. Das lag vermutlich daran, dass die sächsischen Bergleute und die deutschen Landsknechte mehrheitlich klein und dunkelhaarig waren...Und so "deutsch" waren die Soldaten der Welser auch nicht: sie kamen aus zwei Dutzend Nationen und verstanden sich kaum. Sogar ein Landsknecht aus Ragusa, dem heutigen Dubrovnik, war dabei.

Latinoblog 1: Venezuela 1: die Mädchen von Coro

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31.05.2003
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