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 Schily, die Sorge und der Komparativ Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 14.05.2003, 23:22 Antworten mit ZitatNach oben

Heute widmen wir uns diskursanalytisch der Fachzeitschrift für Ismen, der Financial Times (www.ftd.de). Für Journalistik-StudentInnen ein exzellentes Beispiel, wie man mit vorgefertigten Textbausteinen sinnfrei einen Pudding an die Wand nagelt. Oder, um die metatheoretische Schraube bis zur Schmerzgrenze anzuziehen: Es gibt kein Niveau der Berichterstattung zum Thema Ismus, das nicht sprach- und inhaltlich unterboten werden könnte.

Otto Schily hat vermutlich Gefühle. Das verschweigt uns die Financial Times in der Überschrift. Der Innenminister warnt, heisst es. Vor das Warnen und Mahnen hat die Software, die normalerweise die Presseerklärungen des Verfassungsschutzes nach dem Random-Prinzip generiert, die Sorge gestellt. Korrekt hieße es: Schily/Der Verfassungsschutz/irgendjemand anderes [Zutreffendes bitte unterstreichen] beobachtet mit Sorge das Internet/immer mehr Nazis nutzen Telefone/In- und AusländerextremistInnen [Zutreffendes bitte unterstreichen]. Die heilige Dreieinigkeit, vor dem jeweiligen Ismus zu warnen, besteht also aus Sorge, irgendeinem Komparativ ("immer mehr", "immer öfter") und - ja, was eigentlich?

Um diese drängende Frage zu beantworten und das Thema dieses Weblogs zu verraten - irgendein beliebiger Verfassungsschutzbericht, den irgendjemand vorstellt alias vor irgendeine Kamera hält - zitieren wir die gewohnt investigativ formulierende Thüringer Allgemeine, die sich der lokalen Schlapphut-Version liebevoll nähert: "Das Landesamt für Verfassungsschutz geht recht unterschiedlich mit seinen Erkenntnissen um. Zuweilen werden eigenen Spitzeln in der rechten Szene die Verfassungsschutzberichte zugeschickt. Manchmal werden, wie unter dem ehemaligen Minister Köckert, CDs mit streng geheimen Computerdateien im Dutzend gefertigt und an das Innenministerium übergeben. Aber manchmal kommt auch gar nichts raus. Rein informationsmäßig." Da behaupte noch jemand, pieselige Lokalzeitungen (sorry, liebe KollegInnen! War nur ein Gag!) hätten politisch nichts drauf!

Wieviel kommt rein informationsmässig bei einem vergleichbaren Artikel der Financial Times raus? "Schily warnt (eben!) vor gewaltbereiten Rechten." Aha. Er warnt nicht vor Möllemann. Oder anderen gewaltfreien Antisemiten. "In Deutschland gibt es immer mehr (Komparativ!) gewaltbereite..." Was möchten Sie jetzt lesen? Rechtsextremisten, Neonazis, Extremisten, Chaoten, Rassisten, Hooligans - alles falsch. Vermeiden Sie Wortwiederholungen. Reihen Sie einfach wahllos alles aneinander. Zum Beispiel: "10400 Personen aus diesem Spektrum haben die Behörden vergangenes Jahr gezählt, vor allem Skinheads." Ich wusste gar nicht, dass es so viele Skinheads Against Racial Prejudices gibt.

Jetzt muss ich mich entschuldigen. Unsere Fachzeitschrift rückt dann doch mit den von mir prognostizierten Emotionen heraus: "Den Anstieg gewaltbereiter Rechtsextremisten beobachten wir mit Sorge", sagt usw. Das sagte irgendein Innenminister jedes Jahr. Und - nur damit Sie nichts verpassen: "Stattdessen verschwimmen die Grenzen der Skinheadszene zur Neonaziszene immer stärker." (Komparativ!) In welche Richtung? rufen wir in den Saal. Schneiden sich die Neonazis die Haare ab oder lassen sich die Skinheads die Glatze zuwachsen? Hört Möllemann jetzt Frontalkraft? Oder haben die Skinheads Sächsische Schweiz auf Richard Wagner umgeschult? Rätsel über Rätsel.

Hier also die überraschende Pointe des den-rechten-Pudding-an-die-Wand-Nagelns: "Die gefährlichere, weil gewaltbereite Szene von Skinheads und ähnlichen Gruppen wächst dagegen seit 1995 stetig." Seit - rechnen wir nach - acht Jahren also. Trotz unzähliger Lichterketten, Programme gegen "Rechtsextremismus", "Bündnisse und Aktionsbündnisse für Toleranz", Entimon, Civitas, Xenos, runder Tische gegen Gewalt und so fort. Entweder war das alles für die Katz, also kontraproduktiv, weil die Nazis immer mehr werden, trotz oder wegen, oder es wäre ohne das alles noch viel, viel schlimmer. Träfe der letztere Fall zu, sollte jeder normale Mensch in Deutschland sofort hier Asyl beantragen.

15.05.2003
© BurkS

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