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 Die al-Habash - gewaltfreie Islamisten? Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 10.05.2003, 23:04 Antworten mit ZitatNach oben

Der Islam in Deutschland ist konservativ. Die jüngste der drei Buchreligionen war seit Jahrhunderten in Mitteleuropa präsent. Aber erst die türkischen Einwanderer nach Deutschland rückten ihn wieder ins Blickfeld. Der türkisch gepägte Islam importierte jedoch auch den lang andauernden Kulturkampf zwischen Laizismus und Islamismus innerhalb der türkischen Gesellschaft nach Deutschland. Liberale Richtungen wie die Aleviten kommen weder im öffentlichen noch im so genannten "interreligiösen" Diskurs vor. Die Immigranten aus den Ländern, die einen ganz anderen Islam praktizieren, konnten sich gegen die Dominanz des staatlich gefördeten Islam der DITIB (Diyanet Isleri Türk-Islam Birligi, der "Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion") und gegen das komplizierte Geflecht zahlreicher Organisationen, die durch die konservative Milli Görüs dominiert werden, kaum Gehör verschaffen. Und die meisten Detuschen assoziieren beim Reizwort "Islam" entweder die Türkei oder gleich die Taliban.

Eine kaum bekannte Strömung aus dem Libanon, die Association of Islamic Charitable Projects, auch al-Habash genannt, versucht jetzt in Deutschland Fuß zu fassen. Im Internet tobt ein erbitterter Streit darum, wie diese Organisation, über die auch deutsche Islam-Experten nur wenig Informationen besitzen, einzuschätzen ist. Das Spektrum der Meinungen reicht von "religiös durchgeknallte Sekte" bis zu "moderate Alternative zum Islamismus." Unstrittig ist nur eins: die Gruppe hat sich mit der libanesischen Migration vor allem nach Frankreich und in der Schweiz ausgebreitet und missioniert vor allem libanesische Kurden und Palästinenser. Ihr deutsche Zentrale ist die kleine Omar-Moschee in Berlin. Die Moschee, bis jetzt in einer Fabriketage im Hinterhaus gelegen, soll auf dem traditionsreichen Gelände der Bolle-Ruine in Kreuberg neu gebaut werden. Woher das Geld für das Vorhaben stammt, weiß niemand.

Erstaunlich ist vor allem eins: Es gibt keine deutsche Website, die über die al-Habash informiert. Deutschen Medienberichte zitieren Experten, die fahrlässig von einer "Sekte" reden, obwohl zahlreiche seriöse Informationen zum Thema im Internet zu finden sind. Das, was der al-Ahbash vorgeworfen wird, vor allem, sie lehrte nicht den "wahren" islamischen Glauben, stammt aus der Propaganda des orthodoxen Islam der arabischen Halbinsel und des dort vorherrschenden erzkonservativen Wahhabismus. Auf islamonline.net aus Katar verdammt ein "Islam Online Fatwa Committee"die "al-Ahbash" 1. Die Anhänger seien "in fact far a way from all those Imams with respect to thought, behavior and ethics".

Auch eine der bedeutesten britischen Islamseiten, islamicweb.com, verdammt die al-Ahbash als "Sekte" 2. Das wird von der einflussreichen und wohltätigen indonesischen Rahmania Foundation übernommen 3. Besonders US-amerikanische Muslims haben sich auf die al-Ahbash eingeschossen. Fanatiker wie der in Texas ansässige und selbst ernannte "Scheich" Ahmad M Jibril 4 beschimpfen die al-Ahbash als "Häsesie" (Irrglaube) 5. Die AS -Sunnah Foundation of America (ASFA), Organisation des Muhammad Hisham Kabbani - ein ehemaliger Studenten der Amerikanischen Universität in Beirut -, ruft Muslime in aller Welt auf: "Beware of a man who calls himself Abdullah Habashi and of his followers. They are a group of extremists..."

Die al-Ahbash, "Association of Islamic Charitable Projects" - arabisch: Jam'iyyat al- Mashari' al-Khayriyya al-Islamiyya - wurde durch den Mufti (islamischer Rechtsgelehrter) Abdullah al-Habashi (exakter Name: Abdallah ibn Muhammad ibn Yusuf al-Hirari al-Shibi al- Abdari) 6 gegründet. Al-Habashi wurde 1920 im äthiopischen Harare geboren. Seine Anhänger werden daher auch Habashiyyin genannt. Das ist eine lautmalerische Version für "Abessinier" - ein anderes Wort für Äthiopier. 1947 ließ Kaiser Haile Selassie den Mufti nach Saudi Arabien deportieren. Später studierte al-Habashi in Damaskus und in Beirut. 1983 übernahmen seine Gefolgsleute die schon seit 1930 existierende "Gesellschaft für philanthropische Projekte".

Im August 1995 wurde der Führer der al-Habashi, Scheich Nizar al-Halabi, in Beirut von maskierten Männern auf offener Straße erschossen. Drei der Täter wurden gefasst und exekutiert. Das Attentat ging auf das Konto der palästinensischen Terrorgruppe Osbat al-Ansar, deren Anführer Ahmad Abd al-Karim (Kampfname: Abu Mahjan) in Abwesenheit ebenfalls zum Tode 7verurteilt wurde. Man vermutet, dass al-Karim sich heute noch im Flüchtlingslager Ain al-Helweh im südlichen Libanon aufhält. Das Camp ist für libanesische Militärs und Polizei "off limits"8. Im Oktober 2001 gab die libanesische Regierung an die USA Informationen weiter: die Terrorgruppe Osbat al-Ansar stehe in engem Kontakt zur al-Kaida Osama bin Ladens 9. Scheich Nizar al-Halabi hatte sich in aller Öffentlichkeit gegen politischen und islamisch unterfütterten Fanatismus ausgesprochen.

Vom orthodoxen Islam wie den Wahabiten unterscheidet die al-Ahbash vor allem die radikale Absage an politische Gewalt. Sie besitzt keine eigene Miliz und ruft nicht zum Kampf gegen Israel auf. Das wird in einem Artikel, den die israelische Bar-Ilan-Universität zum Thema publiziert hat, lobend hervorgehoben. 10Die Führung der al-Ahbash hat sehr gute, vielleicht zu gute Kontakte zur syrischen Regierung, aber auch zu den christlichen Wählern im Libanon. Mit der schiitischen Hizbolla schloss al-Ahbash eine nur politische Allianz.

Die al-Ahbash gilt unter Religionswissenschaftlern als sunnitische Gruppe mit schiitischen Elementen und starkem Einfluss des Sufi-Spiritualismus. Sie hat also von allem etwas, steht aber theologisch noch auf der "rechtgläubigen" Seite des Islam - im Gegensatz zu der aus Pakistan stammenden Ahmadiyya-Bewegung, die von der Islamischen Welt-Liga "exkommuniziert" und aus der islamischen Weltgemeinschaft ausgeschlossen wurde 11. Professor A. Nizar Hamzeh von der Amerikanischen Universität in Beirut bezeichnet die al-Ahbash als "Sufi respons to political Islamism" 12. Die Tradition des Sufismus spiegelt sich vor allem darin wider, dass die al-Ahbash im Internet zahleiche religiöse Musikstücke zum download anbieten. Ursula Spuler-Stegemann, Religionswissenschaftlerin an der Universität Marburg und eine der wenigen Islam-Expertinnen Deutschlands, hat von den al-Ahbash iin Deutschland bisher nicht viel gehört, weiß aber: "Die Saudis können Sufis nicht ausstehen." "Westliche" Musik oder gar "westliche" instrumente sind strenggläubigen Muslimen wie Wahabiten à la Taliban streng verboten. Der schlimmste Vorwurf gegen die al-Ahbash aus orthoxer Sicht lautet daher: "They have big maestro group (music group) such as James Last, they singing and dancing with women, and they use it to pray to Allah! ... If you interest to see them just go to any Video store in Lebanon and ask about that."

Im Unterschied zu fundamentalistischen Islam-Versionen, die in Deutschland beheimatet sind, nehmen die al-Ahbash den Koran nicht als das authentische Wort Allahs: der Koran spiegele nur dessen Meinung wider. Er sei vom Erzengel Gabriel dem Propheten Mohammed überliefert worden. Das lässt zeitgemässen Koran-Interpreationen mehr Raum als buchstabengetreuer Glaube. Ähnlich wie im Katholizismus praktizieren die al-Ahbash eine Art Heiligenkult - für orthodoxe Muslims eine Blasphemie. Die al-Habashis predigen zwar religiösen Pluralismus, bezeichnen aber alle politischen Islamisten als "takfir" - "Ungläubige". Deshalb konnen die "traditionellen"deutschen Sufis - wie deren grösster Orden, die []Naqschbandis - mit den al-Ahbash nicht viel anfangen. Abd al-Hafidh aus der Eifel, vor seinem Übertritt zum Islam Herr Wenzel genannt und heute Sprecher der Naqschbandis, kennt al-Ahbash kaum. Er kann sich nur daran erinnern, bei seiner frommen Pilgerfahrt nach Medina von den al-Habashi als "Ungläubiger" beschimpft worden zu sein.

Birol Ucan, ein Berliner Türke mit deutscher Staatsbürgerschaft und Pressesprecher des Islamischen Vereins für wohltätige Zwecke in Berlin, kann nicht beantworten, woher das Geld für die neue Deutschland-Zentrale kommen soll. Vielleicht hat er auch von der Taqiya gehört, dem islamischen Gebot sich zu verstellen, um der eigenen Sache nicht zu schaden - eine professionelle Haltung den Medien gegenüber. Man besitze ein Haus in Peine bei Hannover, aber dort keine Moschee. Wenn das Geld nicht reiche, wären Selbsthilfe angesagt und eine Light-Version der Moschee. Wer's glaubt. Die al-Ahbash in der Beiruter Zentrale hatten immer ausreichend finanzielle Mittel. Das wird den Vereinvorsitzenden Hassan Khodr, der als Beruf "Autohändler" angibt, ruhig schlafen lassen. Man hofft, dass eine al-Ahbash-Moschee ein Zeichen für einen zwar tiefreligiösen, aber toleranten Islam setze. Die konservative Konkurrenz wird sich warm anziehen müssen, denn auch bei Muslimen sind singende und tanzende Frauen und Musik eine bessere Werbung als puritanische Turbanträger. "Wir erklären alle zu Ungläubigen, die alle anderen zu Ungläubigen erklären" sagt Ucan.

1) www.islam-online.net/completesearch/english/FatwaDisplay.asp?hFatwaID=39333
2) www.islamicweb.com/beliefs/cults/habasi_history.htm
3) www.islamic-paths.org/Home/English/Sects/Habashies/History.htm
4) www.alsalafyoon.com/AhmadJibril/aboutus.htm
5) www.alsalafyoon.com/EnglishPosts/habashie.htm
6) almashriq.hiof.no/ddc/projects/pspa/al-ahbash.html
7) www.amnesty.org/ailib/aireport/ar98/mde18.htm
8) news.bbc.co.uk/2/hi/world/middle_east/2125647.stm
9) news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/2123674.stm
10) www.biu.ac.il/SOC/besa/meria/journal/1997/issue3/jv1n3a2.html
11) Google: Fatwa
12) almashriq.hiof.no/ddc/projects/pspa/al-ahbash.html

11.05.2003
© BurkS

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