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 Pioniere des arabischen Sozialismus Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 06.04.2003, 23:09 Antworten mit ZitatNach oben

Der Fallschirmjäger Peter Scholl-Latour ist gesprungen und falsch gelandet. Jedem steht es natürlich frei, einer Salonfaschisten-Zeitschrift wie der "Jungen Freiheit" ein Interview zu geben. Ich sehe das gelassen. Ich würde mir zwar hinterher die Hände wäschen oder gleich mit der Nationalzeitung reden, weil die im Kleingedruckten nichts anderes faselt, sondern - ihrer Klientel entsprechend - nur eine andere Diktion wählt. Peter Scholl-Latour, der deutsche Nachkriegsjournalist an sich mit durchaus respektablen TV-Charisma, hat sich jedoch auch inhaltlich vergaloppiert.

Scholl-Latour hat eine eigene Meinung. Die kann er begründen, und er kennt sich in arabischen Ländern aus. Alles Eigenschaften, die ihn positiv von vielen "Nahost-Experten" unterscheiden. Über seine Bücher, die zahlreich hinter mir im Regal versammelt sind, kann man streiten, weil man sich oft ärgert - und das zeichnet ein Buch positiv aus. In seinem Interview jedoch gibt er neben vielen klugen Sätzen, die jenseits des Kommentatoren-Maintreams liegen, anscheinend Linksradikales von sich. Und das bedarf des Kommentierens: "Briten und Franzosen haben in ihren Kolonien auch ein Zivilisationswerk vollbracht, Kennzeichen amerikanischer Inbesitznahme ist dagegen eher die kapitalistische Ausbeutung."

Ist das so wahr? Auf den erste Blick: ja. Auf den zweiten: nein. Erster Einwand: wenn hier Kolonialmächte verglichen werden, dürfen die Spanier in Südamerika nicht fehlen. Die haben unzählige Massaker verübt, ihre Kolonien bis auf's Blut ausgepresst. Geblieben ist die Sprache, die heute Lateinamerika mehr zusammenschweißt als das Englische Europa, die Musik, ein Teil der vielzitierten "Kultur", ja selbst die Trachten in den Andenstaaten, eine Touristenattraktion, stammen nicht von den Inkas, sondern aus Andalusien.

Zweiter Einwand: die Franzosen haben in Afrika kein "Zivilisationswerk" vollbracht. Merkwürdig, dass ausgerechnet der Algerien-Kenner Scholl-Latour das sagt. Sogar das Französische ist in Nordafrika zugunsten des Arabischen verdrängt worden. Und die frankophonen Länder Zentralafrikas zeichnen sind durch Krieg und Chaos aus und bleiben ein beliebtes Trainingsgebiet für regelmässige Einsätze der Fremdenlegion. Wo ist dort die "Zivilisation"?

Dritter Einwand: albern ist die These, die Engländer und Franzosen hätten ihre Kolonien nicht kapitalistisch ausgebeutet. Jede Historiker kann das mit zahlreichen Quellen belegen. Und wie war das mit Deutschland 1945? "Inbesitznahme" ist eine eher archaische Methode der Kolonialisierung - ineffektiv zudem. Sie funktioniert auch nicht. Keine Armee der Welt würde Somalia "erobern" können. Beim Thema Afghanistan hat Peter Scholl-Latour denn auch vollkommen Recht und spricht das als einer der wenigen Journalisten offen aus:

Zitat:
Die ISAF-Mission ist schlicht eine Stützung Präsident Karzais. Die Petersberg-Konferenz war doch eine reine Komödienveranstaltung, die eine Hälfte des afghanischen Parlaments ist gekauft, die andere Hälfte ist erpreßt. Ohne seine amerikanischen Leibwächter wäre Karzai ein toter Mann.

Vierter Einwand: Die amerikanische Kultur erobert andere Länder viel schneller und effektiver als ihr Militär. Alle Segmente der sich schon vage abzeichnenen Weltkultur stammen aus dem Einwandererland USA: Musik, Coca Cola, Hamburger, Jeans. Und niemand, aber auch niemand wird den Siegeszug dieser kulturellen Armee stoppen können. Selbst in einem Land wie China mit seiner Jahrtausende alten Traditionen gewinnen die USA. Und Japan ist schon heute amerikanischer, weil auch flexibler als Amerika.

Fazit: Der Irak-Krieg wird die USA eher zurückwerfen. Die Invasion und die Okkupation zeigen, dass die erzreaktionäre Kapitalisten-Fraktion, deren Marionette Schorsch Dabbelju Bush ist, keine Ahnung hat, auf was sie sich eingelassen hat. Der Krieg wird den arabischen Nationalismus fördern, mehr als der Sturz der Monarchie und des von England eingesetzten Königs Faisal II. im Irak 1958. Es wird also eine Neuauflage des arabischen Befreiungskampfes geben, der in seiner ersten Version charismatische Staatsmänner wie Gamal Abdel Nasser (www.gamal-abdelnasser.com/), den "Pionier des arabischen Sozialismus", hervorgebracht hat, der sich letztlich mit Israel aussöhnen wollte.

Vielleicht gibt es also sogar eine Option, die dem Vormarsch des fundmentalistischen Islam à la Wahabiten und Saudi-Arabien Einhalt gebieten könnte: im Sog eines Befreiungskampfes gegen die US- und britischen Invasoren den Sturz der herrschenden Eliten zugunsten einer Art Volksherrschaft - was bekanntlich nur ein anderes Wort für "Demokratie" ist. Säkular geprägte Länder wie die Türkei, Syrien und der Irak stehen dieser Option am nächsten. Und das wäre fast zu schön, um wahr zu sein - es würde den USA gar nicht gefallen.

Oben: Nasser verteilt Land an arme Bauern
Mitte: Nasser bei der Gründung der "Vereinigten Arabischen Republik" zwischen Syrien und Ägypten 1958
Unten: Nasser spricht vor dem panafrikanischen Gipfel in Addis Abeba 1094
Peter Scholl-Latour im Interview mit der "Jungen Freiheit" (www.jf-archiv.de/archiv03/153yy11.htm): "Ich sehe keinen Frieden, der Hass gegen Amerika wächst."

07.04.2003
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