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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 09.09.2003, 00:17 Antworten mit ZitatNach oben



Kann jemand, der an die Existenz höherer Wesen glaubt, rational denken? Natürlich nicht - genauso wenig wie ein Astronom an Horoskope glauben kann. Das Online-Magazin Telepolis hat mit einem Interview die Gemüter erregt: "Auf wissenschaftlicher Spurensuche nach dem Jenseits - Der Experte für Nahtoderfahrungen Dr. Michael Schröter-Kunhardt über die Software, die uns auf das Leben nach dem Tod vorbereitet, Super-Realität, unseriöse Kollegen und die Ignoranz der Neurobiologie." Die Qualität von Telepolis besteht unter anderem darin, dass die Kommentare des oft fachkundigen Publikums in den Foren Fehler der Artikel ausbügeln und Informationslücken ergänzen. So auch hier: Telepolis sei "einem religiösen christlichen Eiferer mit einem ungeheuerlichen Missionarsdrang" aufgesessen, lautete ein Vorwurf. Da ist etwas dran, denn der Artikel verschweigt einige wichtige Details.

Das Thema sind die so genannten Nahtod-Erfahrungen - englisch: "near death experience"(NDE). Ein Film Joachim Faulstichs - "Jenseitsreisen" - fasst die Fragen zusammen:

"Immer wieder berichten Patienten von ähnlichen Erfahrungen: während sie im Koma oder in der Narkose lagen, hatten sie das Gefühl, durch einen Tunnel zu schweben und einzutauchen in ein strahlendes Licht. Sie fanden sich in überirdisch schönen Landschaften und begegneten dort Menschen, die ihnen nahestanden, aber schon lange verstorben waren. Für die Rückkehrer von der Grenze des Todes haben diese Bilder fast immer eine tiefe, lebensverändernde Bedeutung. Wissenschaftler sammeln die Berichte als Belege für eine Erfahrung, die vielen Menschen gemeinsam ist. Aber sie suchen auch nach den physiologischen Ursachen. Ist das Todesnähe-Erlebnis nur ein besonders klarer, ganz persönlicher Traum? Aber warum sehen dann viele betroffene Menschen ähnliche Bilder? Sind körpereigene Halluzinogene für die Bilder am Ende des Lebens verantwortlich? Oder weisen die Erfahrungen der Sterbenden auf die Existenz anderer Dimensionen hin?"

Zunächst die unstrittigen Fakten, vom den dortigen geneigten Leserinnen und wohlwollenden Lesern zusammengetragen. Menschen, die von Nahtod-Erlebnissen berichten, leiden signifikant häufiger an Formen der Persönlichkeitsspaltung, sind also so genannten Borderliner (Quelle 1). Bestimmte Halluzinationen gleichen dem, was Patienten schildern, die meinen, Nahtod-Erlebnisse gehabt zu haben (Quelle 2).

Auch Menschen, die nachweislich nicht in Todesnähe waren, sondern es sich eingebildet haben, zeigten Anzeichen einer Nahtoderfahrung (Quelle:PubMed). "Nur sehr wenige Herzstillstandpatienten haben NDEs (btw: es gibt auch Erinnerungen ohne paranormale Anklänge). Alle Patienten dieser Untersuchung mit NDE hatten zum Zeitpunkt der Wiederbelebung einen erhöhten Sauerstoffdruck im Gehirn (Überdruckbeatmung)." 

"Auch Bewusstlose, also nicht Hirntote haben NDEs, u.a. paranormalen Erlebnissen. Außerdem bekommen sie oft mit, was um sie herum geschieht." (Quelle:PubMEd). Lebensrückblicke und Tunnelerfahrungen bei NDEs sind, trotz anderslautender Thesen, je nach Kultur verschieden; sie treten vor allemdort auf, wo sich historisch verstehende Religionen etabliert haben, also vor allem im monotheistisch-christlichen Umfeld (Quellen 4 und 6).

Auch bei Hunden werden körpereigene Opiate (Beta-Endorphine) ausgeschüttet (Quelle:PubMed), wenn man sie tötet. Nahtoderfahrungen können mit Ketaminen simuliert werden (Quelle:PubMed). Bei Koma-Patienten sind (laut Quelle 5) Nahtod-Schilderungen nicht bekannt. Die wissenschaftiche Methodik und Reputation der Nahtod-"Experten" ist zumindest umstritten (Quelle 7).

Der von Telepolis befragte "Experte" Michael Schröter-Kuhnhardt, der am Klinkum Weissenhof in Weinsberg arbeitet und dort ein "Institut für Nahtod-Forschung" (ohne Website) führt, befleissigt sich auch subtiler religiöser Agitation und Propaganda. Die Dresdner Neueste Nachrichten schreibt: "Schröter-Kunhardt ist nach jahrelanger Trennung von der Kirche durch die Untersuchung von Sterbe-Erfahrungen wieder religiös geworden. Für ihn sind Nahtod-Erfahrungen daher "so etwas wie ein Bindeglied zwischen kritischer wissenschaftlicher Forschung und religiösem Glauben."

Wenn man genauer hinsieht, wird noch deutlicher, woher der Wind weht. Auf einer christlichen Website gibt Schröter-Kunhardt über seine Gründe, die Verehrung höherer Wesen betreffend, freimütig Auskunft: "Konkreter Anlass, mich der Nahtod-Forschung zuzuwenden, war vor vielen Jahren ein Vortrag von Elisabeth Kübler-Ross in Freiburg. Das stärkste Motiv im Hintergrund war aber wohl ein religiöses. Kurz gesagt: Ich bin in der neuapostolischen Kirche religiös erzogen worden, habe mich vorübergehend für einige Jahre von dieser Kirche getrennt und bin durch die Untersuchungen der Sterbeerfahrungen wieder religiös geworden. "

Die NAK also. Da kann ich mitreden. Ich bin die ersten achtzehn Jahre meines Lebens selbst dort Mitglied gewesen - per Geburt sozusagen. Die Neuapostolen sind dafür bekannt, dass sie einen ausgeprägten Totenkult betreiben: Für die so so genannten "Entschlafenen" werden spezielle rituelle Handlungen vollzogen und eigene Gottesdienste abgehalten. In den religiösen Schriften, die sich dem Thema Tod widmen, sind blumige Schilderungen von "Nahtoderfahrungen" und spirituellen Begegnungen mit Toten die Regel. Wer boshaft sein will, unterliegt der Versuchung, dem von Telepolis befragten Experten zu unterstellen, er habe seine Interviewpartner vornehmlich aus dem eigenen Sekten-Umfeld geholt, was dann die Ergebnisse sicher in einer gewissen Weise beeinflusst.

Kein Wunder, dass unser Nahtod-"Experte" die Ungläubigen, Atheisten und ewige Zweifler (wie den Autor dieser Kolumne) allesamt für unwissend und ahnungslos hält: "Der universelle Glaube an religiöse Werte und die Unsterblichkeit des Menschen hat somit eine biologische Basis, die den Ungläubigen immer zum Unwissenden macht: homo religiosus sapiens est." So redet man, wenn man im öffentlichen Rampenlicht steht und noch die rationale Form wahren muss - es geht um Fördergelder.

Das interne Neuapostolen-Sprech über die Bösen alias "geistig Tote", also die, die an ein Weiterleben nach dem Tod nicht glauben: "Wie kann es sein, das geistig Tote wieder lebendig werden? 2 Dinge sind dazu erforderlich. 1. Das Wort Gottes im Evangelium 2. Die Sakramente. Und daraus entsteht dann ein Glücks.- und Seeligkeitsgefühl in der Seele. Das "Rufen" zu Gott um Hilfe für jene Seelen und auch das Rufen zu diesen Seelen, dass sie die Hilfe Gottes annehmen, stellt dann eine Brücke dar. Der Herr ruft auch mit Namen nach diesen Seelen. Was sind das für Namen? Verzweifelter, Ungläubiger oder Verbitterter."

Kein Wunder, dass jemand, der in einer fundamentalistischen christlichen Gruppe aufgewachsen ist und sogar als Konvertit reumütig zu ihr zurückkehrte, nicht objektiv sein kann - es kann nicht nicht sein, was sein muss. Ein Weiterleben nach dem Tod ist sozusagen als Ergebnis der Forschung a priori gesetzt. "Wissenschaft" als self fulfilling prophecy. Unser "Experte" stellt sich das Bewusstsein, wie jeder rechtgläubige Esoteriker, als "eine Art Energieform" vor, die ja nicht verschwinden könne, wenn das Gehirn tot ist. Ganz schön einfältig. Wie die Gedanken in den Kopf hineinkommen und was sie, werden sie verbalisiert, über die Realität verraten können, ist ein weites Feld, das wir hier nicht beackern.

Das Fazit stammt auch aus dem Telepolis-Forum und spricht mir aus dem Herzen: "Natürlich, wenn ein religiöser Mensch gerade aus dem Koma erwacht, und denkt, einen Lichttunnel mit Marienbildern gesehen zu haben, wird er dies voller Freude kundtun. Wenn er stattdessen den Eindruck hat, in einem Tümpel voller facettenäugiger kleiner grüner kaugummikauender Kraken versunken zu sein, wird er das vielleicht lieber für sich behalten."

09.09.2003
© BurkS

Quelle: Telepolis-Forum

  1. PubMed (National Library of Medicine") People who reported NDEs [near-death experiences] also reported significantly more dissociative symptoms than did the comparison group... The pattern of dissociative symptoms reported by people who have had NDEs is consistent with a non-pathological dissociative response to stress, and not with a psychiatric disorder."

  2. "1994 wurde am Rudolf-Virchow-Universitätsklinikum in Berlin eine Studie durchgeführt, bei der die Probanden das von mir geschilderte Procedere durchmachten. Und von denen hatten viele Halluzinationen, die auf die üblichen Beschreibungen von Nahtoderfahrungen passen."

  3. PubMed "Memories are rare after resuscitation from cardiac arrest. The majority of those that are reported have features of NDE and are pleasant. The occurrence of NDE during cardiac arrest raises questions about the possible relationship between the mind and the brain."

  4. PubMed: "Life review and tunnel sensation in near-death experiences appear to be culture-bound phenomena, confined largely to societies where historic religions are dominant."

  5. "G&G: Wie viele Fälle von Nahtod-Erfahrungen haben Sie selbst untersucht?
    Schröter-Kunhardt.: Etwa 230 in den letzten zehn Jahren.
    G&G: Herr Birbaumer - sind Ihnen aus der klinischen Praxis auch entsprechende Fälle bekannt?
    Birbaumer: Nein. Diese Erfahrungen werden ja typischerweise von Menschen berichtet, die plötzlich in Todesnähe geraten - durch einen Verkehrsunfall zum Beispiel - und dann relativ schnell wieder das Bewusstsein erlangen. An unserem Institut haben wir es dagegen in der Regel mit Patienten im vegetativen Zustand oder Koma zu tun. Diese sind über Jahre hinweg gewissermaßen in einer Art Nahtodessituation - allerdings bei vollem Bewusstsein. Ich kenne solche Schilderungen nicht und zweifle ihre Richtigkeit offen gestanden auch an.

    "Damit ist die wissenschaftliche Methodik des Herrn Schröter-Kunhardt erledigt. Dem ganzen Gebilde wird die Basis entzogen und das ist eben pseudowissenschaftlicher Humbug.". Quelle: Gehirn&Geist 3/2003, 54-57

  6. "In Nahtodeserfahrungs-Berichten von Leuten aus dem Mittelalter finden sich weitaus öfter infernalische Höllenvisionen als Himmels-Trips. Religiöse Gestalten fanden sich z.B. in den Berichten von Leuten aus den ehemaligen Ostblock-Ländern so gut wie gar nicht. Maurice Rawlings, ein Kanadischer KKardiologe, sammelte Sterbevisionen, die alles andere als die von Moody & Co. gezeichneten Elemente aufzeigten. Peter Dinzelbacher (An der Schwelle zum Jenseits. Sterbevisionen im interkulturellen Vergleich. Herder Verlag) zeigt z.B., wie sich die Sterbevisionen von Kultur zu Kultur unterscheiden - was den Verfechtern einer universalen Sterbeerfahrung nicht bewußt ist, da sie keine kulturvergleichende Studien betreiben, sondern nach Bestätigungen für ihre Forschung suchen."

  7. Holger Karsten Schmid : Rezension eines Buches von Hubert Knoblauch und Hans-Georg Soeffner über das Thema "Todesnähe": "Sie deckt "blinde Flecken" der Forscher bei der Betrachtung und Deutung der Todesnähephänomene ebenso auf wie die Widersprüche in den Aussagen einzelner Autoren und deren verzweifelten Versuchen, "wissenschaftlich" zu bleiben in ihren Grundpositionen."
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