Das Bonmot drängt sich auf: Der Verfassungsschutz hat keine Affären, er ist eine Affäre. Wer nach "Verfassungsschutz Affäre" im WWW sucht, erhält fast dreitausend Treffer. Das sagt nicht viel aus, sind doch die meisten Fundstellen genau so unseriös wie die Schlapphüte selbst. Die wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammleser dieses kleinen Familienforums vermuten jedoch zu Recht, dass das Thema Verfassungsschutz hier nicht unter Politik, sondern unter Humor abgehandelt werden wird und muss. Am liebsten würde ich den KollegInnen, die diesen Laden immer noch ernsthaft zitieren, zwei Löcher in den Bauch schiessen und in der nächstgelegenen Kladde unter "Slapstick" abheften.
Und wenn ich die hofberichterstattenden Schlagzeilen lese: "Geheimdienst kooperiert mit Brandenburg/Schwerpunkt: Bekämpfung des Rechtsextremismus", "Verfassungsschutz will künftig Politiker kompetent beraten", geht mir nicht nur der Schlapphut hoch, sondern ich schlage mir wegen der wohl unfreiwilligen Komik der Aussage auf die Schenkel: Was hat der VS denn vor dem heroischen Entschluss gemacht, wenn er ab jetzt kompetent berät?
Alle Hauptstadtzeitungen beteiligen sich an der Don Quichotterie. Der Anlass, 2346ste Version: "Ein V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes hat 2001 eine Polizeirazzia an die Neonaziszene verraten. Damit haben die Ermittlungen den Vorwurf des Geheimnisverrats durch den rechtsextremen Spitzel Christian K. bestätigt." Nur einer? Nur einmal? Das geschätze Publikum kennt Burks' und dessen Weblogs Kernkompetenz - ich verweise verschämt auf diverse Linksammlungen und Artikel zum Thema. Man muss sich nur die Überschriften der voraufgegangenen Berichte auf der Zunge zergehen lassen: "Abgeordnete sehen keine V-Mann-Affäre". Und wenn die geschätzten KollegInnen von einer "Sicherheitsbehörde" reden und damit die Unsicherheitsbehörde Verfassungsschutz meinen, muss ich doch sanft daran erinnern, dass bis auf wenige Ausnahmen alle Neonazi-Terroristen V-Leute waren. Dieses affirmative und unkritische Geschreibsel dokumentiert nicht nur mangelnde Recherche, sondern ein journalistisches Gedächnis, dessen Vermögen sich dem eines Regenwurms angleicht.
Die Kernfrage - aus politologischer und völkerkundlicher Sicht - bleibt: Warum schickt man den Verfassungsschutz samt seiner Totalitarismus-Theoretiker nicht einfach in die Wüste? Bei Sozialhilfeempfänger und bei den Armen soll schärfer kontrolliert werden. Die Schlapphüte wurschteln zeitungslesend, bespitzeld, abhörend und sinnfrei vor sich hin, die Ergebnisse betreffend. Und bekamen während der allgemeinen Terrorismus-Paranoia immer immer mehr Befugnisse.
Ohne in die Posaune allgemeiner Verschwörungstheorien blasen zu wollen: Wenn ein knappes Fünftel (nach Selbstauskunft des VS) aller Neonazi-Kader vom Staat finanziert werden, sollte das zumindest bewirken, dass sich bei einigen VolksvertreterInnen die Gehirne einschalten. Doch Fehlanzeige: Kerstin Kaiser-Nicht (PDS) fordert nicht das Nächstliegende, sondern tönt: Der Verfassungsschutz sei "eine Realität, die ich im Augenblick nicht in Frage stelle." Wann denn? Nach der 362783sten Affäre? Wenn sich herausstellt, dass Osama bin Laden von deutschen Steuergelder bezahlt worden ist? Selbst dann nicht. Derartige Platitüden sind allerdings bei Frau Kerstin-Nicht nicht weiter verwunderlich, hat sie doch eine einschlägige Biografie als "IM Karin". Da war doch irgendeine Redensart von einem Bock, dem ein Beruf zugewiesen wurde, der zu seinen Gepflogenheiten nicht so recht passen wollte.
Voraussagen sind immer kompliziert, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Trotzdem - ich traue mich: Der Verfassungsschutz wird nie und nimmer abgeschafft werden. Ist eine Behörde in Deutschland einmal da, geht sie nicht wieder weg. Ausser sie lässt den Bundeskanzler umbringen. Ich kann mir die news.google.de-Headline lebhaft vorstellen: V-Mann aus dem Ruder gelaufen: Gerhard Schröder versehentlich erschossen! Grünen-Politiker Ströbele fordert Reform des Amtes. "Das sind die Extremisten", sagte Beckstein. "Der Versuch, das auf den Verfassungsschutz zu schieben, ist absurd."
Ceterum censeo: Verfassungsschutz esse delendam.
08.09.2003
© BurkS |