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 Der Riesenpenis von Zschernitz Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 23.08.2003, 00:13 Antworten mit ZitatNach oben

Überschriften sind das halbe Leben. Ist der Titel langweilig, liest niemand den folgenden Text, auch wenn dort Unerhörtes gesagt wird. Der "Adonis von Zschernitz" macht sich gut, weil das ostig und gleichzeitig bildungsbürgerlich klingt. Unsere Profis vom investigativsten aller linkfreien Online-Magazine toppen das Thema und setzen auf einen humanistisch Gebildeten anderthalben: "Adonis protzt mit mächtigem Gemächt." Und diesem kleinen Familienforum fällt es wie gewohnt nicht schwer, die Idee rein überschriftsmässig radikal zu Ende zu denken. (1)

Doch wer weiß schon, wer Adonis war? Der Inbegriff des schönen Mannes, und deshalb lautmalerisch kognitiv dissonant zu Zschernitz. Jetzt hat man dort eine Statue gefunden, die rund 7000 Jahre als ist, somit aus der Jungsteinzeit stammt. Nur der Unterleib der männlichen Figur ist erhalten. Die linke Arschbacke ist tätowiert, der Penis erheblich grösser als es die Evolution beim männlichen Homo sapiens vorgesehen hat. Die Art der Zeichen und die Begleitfunde sprechen für die Epoche der so genannten Bandkeramik.

Wir ersparen uns die unfruchtbare Diskussion, ob das angebliche Symbol der Fruchtbarkeit ein Beleg dafür ist, dass auf dem ehemaligen Siedlungsgebiet des Realen Sozialismus die Produktivkräfte schon immer weiter entwickelt waren als anderswo und ob das auch für die unteren Organe bzw. Gliedmaßen der Männer des Osten galt. Der Fund passt zur Entdeckung des ältesten Sonnenobservatoriums Europas in Goseck (2) im Landkreis Weißenfels. Mehr Informationen gibt es auf der Website des Instituts für Prähistorische Archäologie der Universität Halle-Wittenberg. Im Osten war vor damals fortschrittlicher als heute, denn die Jugendschutzwarte der Steinzeit haben erigierte Penisse offenbar nicht verboten.

Auf der Website des ZALF - Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung - in Leipzig heisst es: "Nach charakteristischen Ornamenten aus eingeritzten Linien und Bändern in ihren Tongefäßen bezeichnet man diese eingewanderten Gruppen als "Bandkeramiker" bzw. "Linienbandkeramiker". Ihrer Herkunft nach werden sie auch als "Donauländische Kulturen" bezeichnet. ... Die Siedler waren offenbar aus dem Weichsel- und oberen Oderraum entlang der Flüsse Notec, Warta und Oder eingewandert. Sie brachten sämtliche Kulturelemente einer vollentwickelten jungsteinzeitlichen Bauernkultur mit. Die Siedlungsfundplätze konzentrieren sich auf den Grundmoränen mit fruchtbaren schwarzerdeähnlichen Böden in Wassernähe um Prenzlau bis zur Randow sowie zwischen Angermünde und Schwedt. In der archäologischen Kartierung erscheint das älteste bäuerliche Siedlungsgebiet in der Uckermark weitab von den weiträumigen Siedlungsregionen Mitteldeutschlands und Schlesiens wie eine Insel inmitten der Jagdgebiete der mittelsteinzeitlichen Jäger." Der Ausgrabungsleiter Leif Steguweit sagt: "Das acht Zentimeter messende Bruchstück sei Teil einer vermutlich etwa 30 Zentimeter großen Figur, die um 5000 vor Christus zerbrochen sei." Kurz gesagt: Die Figur mit dem grossen Penis ist rund 2000 Jahre älter als Ötzi.

An den Berichten der Medien muss ich selbstredend herummäkeln. Man könnte wunderbar und für das bildungsbürgerliche Publikum erquicklich herumgoogeln. Das weibliche Gegenstück zu unserem Adonis ist die Venus von Draßburg, ebenfalls aus der Jungsteinzeit und mit ähnlicher Tätowierung. Die sehr informative und hochwissenschaftliche Website Holger Grönwalds: Menschendarstellungen in der Bandkeramik belehrt uns, dass kleine Idole in der Jungsteinzeit durchaus üblich waren. Das Penismuseum berichtet: "Bereits aus prähistoristischer Zeit sind Darstellungen erhalten geblieben, die heute als Phallus-Verehrung gedeutet werden können. Ein Beispiel ist die Felszeichnung in der französischen Höhle Les Trois Freres. Sie stammt aus der Jungsteinzeit und zeigt einen Mann mit Tiermaske vor dem Gesicht und einem besonders auffälligen Penis. In der englischen Grafschaft Dorchester wurde eine Zeichnung entdeckt, die in den Boden einer Wiese eingekerbt wurde und eine Größe von mehreren hundert Metern hat. Die als Riese von Cerne Abbas bekannte Darstellung zeigt einen Mann mit Keule und erigiertem Penis."

Gibt man die exakten Zeichenketten "Adonis von Zschernitz" "vermutlich eine Fruchtbarkeits-Figur" ein, beweist das wieder, dass alle nur voneinander abschreiben anstatt zu recherchieren. Wieso ist ein Penis ein Zeichen für Fruchtbarkeit? Die Venus von Willendorf hat einen dicken Busen und einen dazu passenden Hintern. Das symbolisiert Gebärfreude. Und jede wohlwollende Ethnologin und jeder geneigter Völkerkundler weiß, dass der Zusammenhang zwischen dem männlichen Penis und der Fähigkeit der Frauen, Kinder zu zu kriegen, in der Steinzeit nicht unbedingt bekannt war. Der Penis ist also ein Symbol der Lust und/oder der Macht. Aber dass man einen Mann für schön erklärt, von dem man nur den tätowierten Hintern und den Penis kennt...wenn das Alice Schwarzer erführe!

1) Leider ist es mir mit weder mit Opera noch mit dem Konqueror noch mit Mozilla Firebird noch mit Lynx gelungen, auf der Website von www.zschernitz.de irgendetwas zu sehen, selbst im Quellcode nicht. Ich bezeichne den Webdesigner der Seite hier in Gegenwart von 24597 Zeugen daher als dilettantische Oberpfeife.
2) Die Webcam von den Ausgrabungen in Goseck funktioniert leider zur Zeit nicht.

Die Abbildung oben zeigt natürlich nicht den Adonis von Zschernitz. Montage: Burks. Das Foto unten ist nur für die hier mitlesenden Jugendschutzwarte bestimmt.


23.08.2003
© BurkS

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