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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 17.07.2003, 23:06 Antworten mit ZitatNach oben

[Die Söhne der Witwe 2] In der Kammer der verlorenen Schritte 2

Ein Jahr habe ich mich prüfen lassen, ob ich der hohen Ansprüche der freimaurerischen Brüder würdig bin. Irgendwann haben die gekugelt: die schwarzen Kugeln blieben in der Hand, die weißen rollten zu meinen Gunsten. Keiner stimmte gegen mich. Mein Licht hat hell geleuchtet; nichts stand der Aufnahme mehr im Wege. Nur gute und aufrichtige Männer dürfen Freimaurer werden, heisst es im den Alten Pflichten aus dem Jahre 1723, von freier Geburt, in reifem und gesetzten Alter, keine Leibeigenen, keine Frauen, keine sittenlosen und übel beleumdeten Menschen, sondern nur solche von gutem Ruf.

Jetzt soll ich zum ersten Mal das Innere des Tempels betreten dürfen, um zum Lehrling geweiht zu werden. Was erwarte ich? Eine Art höheres Indianerspiel für würdige ältere Herren oder eher Ernstes? Verströmende Liebe zu den Brüdern, Demut und Ergriffenheit vor der Schöpfung, vor dem Wunderbaren und Unsagbaren wie der Herausgeber der Freimaurer-Zeitschrift Humanität?

Die Männerbündelei soll sogar, frei nach dem Alt-Großmeister Jürgen Holtorf einen philosophischen Hintergrund haben: Männerbünde seien ein Element der freiheitlichen Gesellschaft, denn sie stärken eigenverantwortliche Lebenshaltung und fördern zwischenmenschliche Beziehungen. Habe ich diese Tugenden bisher entbehrt, weil mir zu oft Frauen in die Quere kommen? Oder will ich nur meine im Wesen des Mannes tief verwurzelte Anlage ausleben - so zitieren die freimarerischen Brüder den Philosophen Johan Huizinga -, mich mit gleichgesinnten anderen Männern in besonderer Form und in einer bestimmten Ordnung zusammenzuschließen, um dadurch meine menschliche Existenz um einen wesentlichen Bereich des Kulturellen und Geistigen zu erweitern?

Ich lasse mich von einer Tafel inspirieren, die an der Stirnwand der Kammer angebracht ist und deren Inschrift ich im Licht der Kerze nur mühsam entziffere: Die Freimaurerei vereinigt Männer, die in brudreschaftlichen Formen und durch ehrwürdige, rituelle Handlungen geistige Vertiefung und sittliche Veredelung erstreben. Das kann nicht schaden. Auch wo das alles enden soll, ist mir sympathisch, nämlich in allgemeiner Menschenliebe, Toleranz, Mildtätigkeit und Humanität.

Eine Tür klappt. Der Zeremonienmeister tritt ein, nimmt mein bekritzeltes Blatt entgegen und kündigt in feierlichem Ton an: Ich werde dem ehrenwerten Meister und den Brüdern über ihr Begehren berichten! Er lässt mich wieder allein. Ich weiß nicht, in welchem Trakt des Logenhauses ich mich befinde. Bevor ich zur Kammer der verlorenen Schritte geleitet wurde, hatte man mir eine Augenbinde angelegt. Der Zeremonienmeister hatte mich über eine Treppe in unterirdische Gemächer geführt, mich vorsichtig durch einen verwinkelten Gang geschoben und mir die Pforte zu einem schwarzen Zimmer geöffnet, wo die Binde wieder entfernt wurde.

Das, was mir bevorsteht, ist eine Einweihung, unter Völkerkundlern Initiation genannt. "Dass die Initiation eine symbolische Wiedergeburt ist, bei der gewöhnlich die männlichen Paten die Rolle jener spielen, die den Initiierten das Leben schenken, ist heute weitgehend anerkannt", schreibt der Ethnologe und Psychotherapeut Bruno Bettelheim in seinem Buch "Die symbolischen Wunden - Pubertätsriten und der Neid des Mannes".

Zu einer geistigen Niederkunft unter Männern braucht man eine symbolische Gebärmutter, hier die Kammer, in der sich die Schritte des Eintretenden verlieren, und Handlungen, die den Wehenschmerz imitieren. Viele Völker, die Jungen in Männerbünde aufnehmen, förderndie Abnabelung von der glücklichen Welt der Kindheit und der Mütter, indem sie den Knaben während des Initiationsrituals Abführ- oder Brechmittel darreichen. Noch heute gilt es unter Corpsstudenten als mannhaft, die Schmerzen bei ihrer zeremoniellen Prügelei, der Mensur, zu ertragen.

Bettelheim berichtet von einem Einweihungsritus auf Ceram, einer Insel Indonesiens. Dort werden die Knaben mit verbundenen Augen in einen Holzschuppen geführt. Kaum ist der Junge darin verschwunden, "hört man ein dumpfes, schabendes Geräusch, ein furchtbarer Schrei ertönt, und ein bluttriefendes Schwert oder ein Speer wird durch das Dach des Schuppens hinausgesteckt. Dies ist ein Zeichen, dass der Kopf des Knaben abgeschnitten worden ist und der Teufel ihn in die andere Welt mitgenommen hat." Die Frauen und anverwandten finden das natürlich betrüblich, brechen in Tränen aus und trauern um den Verlorenen. Währenddessen warnt drinnen der Häuptling den Jugen, niemals zu verraten, was wirklich geschehen ist, nämlich nichts. Nach einigen Tagen kehren die Männer ins Dorf zurück und berichten die frohe Kunde, dass die bösen Geister den Knaben wieder hergegeben hätten. Nur die Macht der männlichen Priester habe das vermocht. Das macht Eindruck bei den Frauen. "Die Männer, welche diese Nachricht bringen, kommen halb ohnmächtig mit Schmutz bedeckt wie Boten aus der Unterwelt an."

Ursprünglich dienten derartige Veranstaltungen dazu, den Männern Qualitäten zuzuschreiben, wie sie die Frauen durch die Fähigkeit, Kinder zu gebären, besaßen. Dieser natürlichen, weiblichen Kraft stellten die Männerbünde die eigene, rituelle Zeugungsfähigkeit entgegen. Die Frauen waren von Anfang an "komplett", die Männer mussten erst zu einem richtigen Menschen geweiht werden.

In einigen Gegenden Afrikas müssen die Jungen die Stellung des Fötus im Mutterleib imitieren, sich in enge Höhlen quetschen oder in Embryonalstellung auf dem Boden herumkriechen, bis die älteren und kundigen Männer glauben, die Zeit für die Wiedergeburt sei herangekommen. Häufig werden die Jünglinge in Wasser getaucht, was nicht zufällig an die christliche Taufe erinnert, oder müssen sich längere Zeit in einem Teich aufhalten. Das könne als symbolischer Versuch gewertet werden, meint Bettelheim, "die intrauterine Existenz wieder herzustellen, wo das Kind in einem kleinen dunklen Raum eingeschlossen und von Flüssigkeit umgeben ist.

Doch mit der Wiedergeburt in die Welt der Männer allein ist es manchmal noch nicht getan. Trotz des ganzen Hokuspokus bleiben Zweifel an der Wichtigkeit der eigenen Existenz. Bei den Zuni in New Mexico verbringen die Männer den größten Teil ihrer Zeit damit, rituelle Formeln herzusagen und komplizierte Zeremonien bazuhalten. Das ist ziemlich aufwändig; vielleicht bleiben die Frauen diesen Versammlungen fern, weil sie mit der Arbeit für den Lebensunterhalt beschäftigt sind. Für die Männer ist es eine Sache des Prestiges, ihrer Pflicht zu männerbündischer Symbolik nachzukommen, notwenig, um das Gesicht zu wahren.

Der Text wurde 1987 verfasst und geringfügig geändert. Er erschien zuerst 1988 in meinem Buch Unter Männern. Das Foto demonstriert das Lehrlingszeichen der Freimaurer.
Fortsetzung folgt.

Links zum Thema
[Freimaurer 1] In der Kammer der verlorenen Schritte 1

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18.07.2003
© BurkS

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