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 Nackt in Auschwitz Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 16.05.2003, 23:14 Antworten mit ZitatNach oben

Im Judentum gibt es das sinnvolle Verbot, das höhere Wesen abzubilden. Noch nicht einmal der Name darf ausgesprochen oder geschrieben werden. Warum? Das hat mir dem Problem zu tun, ob man Moral visualisieren kann. Nein, kann man nicht. Auschwitz hat dem Bösen ein Gesicht gegeben. Das ist keine religiöse Metapher, sondern Erkenntnistheorie: moralisch können die Verbrechen in Auschwitz nur wirken, wenn verhindert wird, dass das Konzentrationslager zum Objekt des Massentourismus wird. Und genau das ist leider geschehen. Eine Ausstellung in Berlin widmet sich diesem Phänomen.

Sarah Schönfeld und Sascha Schmalenberg reagieren auf die "Holocaust-Verarbeitung" des Ortes Auschwitz und des Lagers. Das Thema ihres Projekts Auschwitz - Conservation Camp 01 in der Kunstfabrik am Flutgraben ist der Konflikt zwischen Vermarktung und Gedenken.

Sarah Schönfelds Performance in Auschwitz, die die Ausstellung dokumentiert, hat mich zuerst unangenehm berührt. Man muss die Bilder sehen. Wer sie beschreiben würde, eignet sie sich falsch an - als wollte man ein Gedicht in Prosa nacherzählen. Schönfeld, geb. 1979, beschreibt ihre Aktion so:

Zitat:
Performance 1: März 2002
Vor dem Krematorium in Auschwitz ziehe ich unangemeldet meine Kleider aus und warte.
An diesem Ort mussten vor einiger Zeit die von den Nazis Deportierten auf ihre Vergasung warten. Diese Situation war völlig unfreiwillig und die Auflösung dieser Situation die körperliche Auslöschung diese Menschen.
Unser Umgang mit diesen Ereignissen in unserer Vergangenheit konfrontiert uns mit einer geradezu unerträglichen Spannung, die nach Auflösung strebt, so dass wir nach Sinnkonstruktionen suchen und sie nach aussen tragen.
Der nackte Körper in seiner Unversehrtheit in dieser Situation und an diesem Ort ist eine Anmaßung. Das ist für mich die Metapher für den Menschen, der keinen direkten Kontakt mehr zu dieser Geschichte hat und sich anmaßt, sich dieser Symbole und Ereignisse zu bedienen wie in einem Supermarkt.
Performance 2: März 2002
Im Haarschneideraum in Auschwitz-Birkenau schneide ich mir selbst die Haare. Dieser Haarschneideraum ist heute Teil eines Museum.
Auch an diesem Ort wurden die Deportierten gedemütigt. Das Symbol der Haare im Zusammenhang mit Auschwitz ist sehr aufgeladen. Es wird in Literatur und Film gleichmaßen benutzt und verstanden.
Wiederum geht es bei dieser Performance um eine Metapher, eine Metapher der Anmaßung, die aber lediglich den Versuch darstellt, mitten in der passiv-Bestrahlung eine aktive Auseinandersetzung anzustreben. die Unmgöichkeit der Vermittlung dieser Ereignisse erschliesst sich gerade durch diese äußerst schwierige auf der Grenze zwischen Naivität und grober Forderung verlaufenden Gratwanderung.
Sascha Schmalenberg hat den Massentourismus in Auschwitz fotografiert. Ich halte diese indirekte Methode für die einzig mögliche, sich dem Thema überhaupt künstlerisch zu nähern. Jeden Versuch, die Verbrechen darzustellen, empfände, obzwar ich nicht religiös bin, als blasphemisch. Eine Fotografie in Auschwitz ist immer ästhetisch (vgl. zum Beispiel www.remember.org/jacobs/), entwickelt also in der Rezeption des Publikums eine "amoralische" Eigendynamik.

Auschwitz ist eine Reise wert. So beginnt die Presseerklärung zur Ausstellung. Das Gegenteil ist der Fall. Die in riesigen Stein- und Betonmengen aufgetürmte Gedenkkultur in Deutschland verhindert das Denken - und vor allem das Fühlen. Man will an einen bestimmten Ort, um die Moral zu sehen. Das funktioniert nicht. Steven Spielberg hat genau das Problem in Schindlers Liste erkannt, indem er die Duschen in Auschwitz wirklich Duschen sein liess. Er hat das Böse nicht abgebildet. Deshalb sagt das relgiöse Gebot, sich keine Götzenbilder zu machen in Wahrheit: Das Böse ist in deinem Kopf, und nicht draußen in irgendwelchen Steinen.

Registrierte Nutzer des Forums können die Bildergalerie der Ausstellung hier ansehen.

Der zweite Teil der Ausstellung wird im September in Berlin zu sehen sein.
17.05.2003
© BurkS
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