Die Deutschen sind durch einen dummen historischen Zufall in den Verdacht geraten, ein Volk der Dichter und Denker zu sein. Das ist selbstredend grober Unfug. Dichten und Denken war Anfang des 19. Jahrhunderts ohnehin ein etwas hämisches Attribut: Die Franzosen machten eine Revolution, die Polen kämpften für ihre Freiheit, die Italiener hatten Garibaldi, nur die Deutschen blieben zu Hause und dachten nach. Und was da heraus kam, sah die Welt am 10. Mai 1933: die Deutschen verbrannten alle ihre Bücher, die etwas wert waren.

Dieses kleine Familienforum hat zwar einen volksbildenden Anspruch, man muss aber das Rad nicht neu erfinden. Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser sind sicher in der Lage, die für das Thema Bücherverbrennung notwendigen Informationen zu finden - "im Netz" - wie der Laie und ahnungslose Journalist sich ausdrücken würde. Im Gegensatz jedoch zu den noch kleineren und marginaleren Websites, die mit [url]burks.de[/url] konkurrieren - vielleicht haben Sie schon von www.spiegel.de gehört -, nehmen wir den Online-Journalismus ernst und verlinken trotz der vermutlich überragenden Medienkompetenz der Leserschaft, was das Zeug hält und hyper text markup language hergibt.^*

Die Deutschen, die spätestens mit der Bücherverbrennung schon andeuteten, dass sie sich aus dem Kreis der zivilisierten Völker verabschieden wollten, brüllten bei den zu Volksfesten ausartenden Lichterketten so genannte "Feuersprüche", die hier überliefert werden sollen, weil der kackbraune Nachwuchs von heute an ihrem (Un)Geist leicht zu erkennen ist:

"Gegen Dekadenz und moralischen Verfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat! Gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens...Gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit! Gegen volksfremden Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung...Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkrieges...Gegen dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache." Damit hat man auch das Loch, aus dem heute immer noch das kroch, hinreichend beschrieben.

Zu meinem eigentlichen volkserzieherischem Anliegen komme ich jetzt leider kaum noch, da ich das Rezeptionsverhalten der wohlwollenden Leserinnen und der geneigten Leser so einschätze, dass Weblogs nicht zu lang sein dürfen. Nur ein Hinweis sei mir gestattet. Ich habe nur wenige Lieblingsschriftsteller. Einer davon ist Oskar Maria Graf. Man vergaß ihn damals zu verbrennen. Und darüber beschwerte er sich heftig. "Ich bin also dazu berufen, einer der Exponenten des "neuen" deutschen Geistes zu sein! Vergebens frage ich mich: Womit habe ich diese Schmach verdient? Diese Unehre habe ich nicht verdient! Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen."

Ich empfehle: Lest Oskar Maria Graf! Die Chronik von Flechting, die Kalendergeschichten, Das Leben meiner Mutter, Unruhe um einen Friedfertigen, Wir sind Gefangene und alle anderen Bücher Grafs auch. Es lohnt sich. Ich habe das gesamte Werk schon mehrfach gelesen.

Graf hat auch formuliert, was ungefähr das Motto dieses kleinen Weblogs ist: "Meine einzige Rettung war, daß ich - um nicht eines Tages meinem Leben den Garaus zu machen - mit einer bohrenden Verbissenheit ohnegleichen stets von mir selber und der Öffentlichkeit Beichte ablegte, mich derart entlarvte und bloßstellte, daß es vor mir selbst unsagbar graute."

* www.buecherverbrennung.de/index.html
www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/buecher/ - Deutsches Historisches Museum
www.lettern.de/spbrennt.htm - Special des Literaturmagazins lettern.de
www.kolleg.nuernberg.de/kesten/sld001.htm - 65 Folien
[url]politicky-nekorektni.nazory.cz/html/gallery.htm[/url] - John Heartfield-Ausstellung
www.dafkurse.de/lernwelt/menschen/graf/graf.htm - Oskar Maria Graf, Biografie und Leseprobe aus "Wir sind Gefangene".
www.gemeinde-berg.de/1geschichte/graf.htm
www.gemeinde-berg.de/1geschichte/graf.htm - Gemeinde Berg (der Heimatort Grafs): "Der Sinn meines Schaffens und Wirkens".

14.05.2003
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