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 Der Mann, den sie Skorpion nannten Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 13.04.2003, 23:12 Antworten mit ZitatNach oben

Wer heutzutage Geisel nehmen oder eine Bank überfallen will, muss sich mediengerecht verhalten: Live-Interviews geben, mit einer Website im Internet präsent sein und in gefühlvoller Literatur dilettieren. Dieter Wurm, der Geiselgangster in Berlin, war ein mediengerechter Räuber. Der Mann, den sie "Skorpion" nannten, hat im Internet sogar ein Gedicht publiziert: "Die Würde des Menschen ist unantastbar".

Dieter Wurm, 46 (www.knast.net/gitterzeit/wurm.htm), ist ein Mann, der garantiert einmal ein Buch schreiben wird. Bilderbuchkarriere als Gangster, das halbe Leben hinter Gittern, Sprengstoffdelikte, Banküberfälle. Bei einem Freigang büxte er aus und marschiert mit einer Maschinenpistole schnurstracks in die nächste Sparkasse. Man braucht halt Geld. Nach seiner Entlassung lernte er Fahrgastbetreuer bei der Berliner S-Bahn. Irgendetwas muss er bei der "Fahrgastbetreuung" falsch verstanden haben. Vor ein paar Tagen nahm er einen Bus und die Insassen als Geiseln, darunter eine Polizistin, bis ihn ein Sondereinsatzkommando der Polizei überwältigte, was irgendwie zu erwarten war. Vor allem dann, wenn man irgendwie auch keinen Plan hat mit dem richtigen Leben.

Die Frauenzeitung Amica (www.amica.de), die hier noch nie die Ehre hatte zitiert zu werden, beschreibt den Dieter Wurm mit human touch, so wie Frauen die gequälte männliche Kreatur seit dem Glöckner von Notre Dame lieben und ihn mit ihren Krankenschwestersyndromen beglucken:

Zitat:
Im Gefängnis fing der "Skorpion", so sein Spitzname nach einer Tätowierung auf dem linken Unterarm, 1993 zu lesen und zu schreiben an. Gedichte, Kurzgeschichten, die mit anderen Texten in zwei Büchern ("Tegelzeit" und "Gitterzeit/Zeitgitter") veröffentlicht wurden. Dabei setzte er sich auch mit der RAF auseinander: "'Der Hilflose kann sich nur in das Bewußtsein der Menschen hineinbomben' - so Ulrike Meinhoff. Da ich nichts mehr von Bomben halte, kann ich nur schreien oder schreiben", so Wurm.
Live ist Wurm stilsicher. Karg wie Hemingway und hart wie Chandler ([url]bz.berlin1.de/aktuell/news/030412/bus_interview.html[/url]). Im Radio hört sich das so an:
Zitat:
Wurm: "Die Forderung ist einfach das, ich habe gesagt, ich will hier einfach deeskalieren. Ich habe die ganzen Geiseln laufen lassen, schon, außer zwei Leute und wollte deeskalieren. Das heißt, irgendwann auch vielleicht sogar aufgeben. Oder 'ne Möglichkeit haben wegzukommen."
J.W.: "Was fordern Sie denn ganz genau? Was möchten Sie denn?"
Wurm: "Ich habe erst mal gesagt, ich will einen Hubschrauber haben."
J.W.: "Einen Hubschrauber?"
Wurm: "Ich will also hier vom Sachsendamm weggefahren werden. Die haben den Fahrer rausgezogen aus dem Bus."
J.W.: "Aha."
Wurm: "Der ist dann abgehauen, was ich ihm auch gönne."
J.W.: "O.k. Wie geht es denn den Geiseln aktuell?"
Wurm: "Denen geht's gut. Ich gebe Ihnen die mal."
Geisel I: "Hallo. Uns geht es gut, uns geht es gut. Wir sitzen hier im Bus."
Knastliteratur ist in, gilt als authentisch. Mein Tipp an Wurm: Nach dem nächsten Urteil andere Freunde suchen - die, die es schon geschafft haben. Burkhard Driest (www.literaturatlas.de/~lb1/germ/text/index.htm), jetzt Schauspieler. Peter Paul Zahl (www.iisg.nl/archives/html/i/10860044.html): verurteilt zu 15 Jahren Haft wegen eines Schusswechsels mit der Polizei, erhielt 1980 für seinen Roman Die Glücklichen den Literaturförderpreis der Stadt Bremen. Jetzt ist er geachteter Krimi-Autor ([url]ourworld.compuserve.com/homepages/karr_wehner/zahl.htm[/url]) und lebt irgendwo in der Karabik oder dort, wo das Wetter und die Frauen schöner und die Menschen unbürokratischer und gelassener sind. Ralf Axel Simon ([url]members.aol.com/knastblatt/[/url], legendärer Macher des in jedem Berliner Knast legendären "Knastblattes", geadelt durch Berufsverbot und 18 Monate Isolationshaft, heute internationaler Schachmeister und die Inkarnation der "Schachnovelle" Stefan Zweigs (vgl. www.geocities.com/questomane/welcome.htm). (Hallo Axel!) Hier mein Lieblingsgedicht:
Zitat:
vor meiner Haft rieten mir meine Freunde:
Du mußt Deinen Kummer ertränken
nach meiner Haft
habe ich nur ein Problem:
wie bekomme ich
die Verantwortlichen
ins Wasser?
(Ralf-Axel Simon aus: "Eigentlich ist der Knast mein Leben!")

Schreiben als Katharsis, als Ersatz für das Leben, als Ersatz für den Thrill. Mir ist jedoch kein Fall bekannt, in dem der Weg vom Bankräuber zum Schriftsteller andersherum gelaufen wäre. Bei den Honoraren, die zur Zeit gezahlt werden, bin ich mir aber bei meiner Person nicht mehr so ganz sicher...

http://www.planet-tegel.de/ - Planet Tegel - die ultimative Knast-Website

13.04.2003
© BurkS
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