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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 08.05.2005, 21:43 Antworten mit ZitatNach oben




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Mein achter Mai

Von Burkhard Schröder

Als ich noch ein kleiner Bergarbeiterjunge war - so begänne ein Heimatdichter. Ich ging mit meiner Oma Caroline machmal auf den Friedhof in Altenbögge, einem Ortsteil des Bergarbeiter-Dorfes Bönen. Opa war wie fast immer "auffe Zeche", wie man im Ruhrpott-Slang sagte. Meine Großeltern wohnten in der Weststraße am Eichholzplatz.

Der Friedhof erschien mir geheimnisvoll; vor allem hatten es mir eine Reihe Grabsteine angetan, die ganz anders waren: russische Namen standen darauf, bei einigen fehlten sie ganz. "Die Russen", sagte Oma. Aber wer waren die Russen? Irgendwie hatte die mit meinen Großeltern zu tun. Mein Opa Peter Baumgart stammte aus Russland, war dort zum Tode verurteilt worden, dem Henker knapp entronnen und auf abenteuerliche Weise 1918 nach Deutschland gelangt.

Von meiner Mutter wusste ich, dass Ende April 1945, als die Amerikaner in Bönen einmarschiert waren, die Wohnung meiner Großeltern "immer voller Russen" war, die die Familie mit Lebensmitteln überhäuften und ihnen wohlgesonnen waren. "Die Russen" hatten aber auch nach dem Nachbarn meiner Großeltern gesucht, einem bekannten Nazi, doch als sie den fanden, hatte der sich auf dem Dachboden aufgehängt.

Jahre später habe ich mich für die Geschichte genauer interessiert. Mein Opa ist schuld, dass ich schon als kleiner Junge wusste: die Nazis, das waren die Bösen, und man muss Leuten, die unterdrückt werden, helfen, auch wenn das gefährlich ist. Die russischen Zwangsarbeiter, es waren wohl Tausende, waren ab 1942 im "Ledigenheim" der Zeche Königsborn III/IV und in Baracken unter fürchterlichen Umständen interniert und mussten im Bergbau arbeiten. Mein Großvater konnte sich mit ihnen in seiner Muttersprache unterhalten. Er war der wenigen in Bönen, der den Zwangsarbeitern heimlich Lebensmittel zusteckte, der ihnen unter Lebensgefahr halt, wo er nur konnte. Wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner warnte der Dorfpolizist meinen Opa, man hätte ihn beobachtet und die Gestapo würde kommen, um ihn abzuholen und zu erschießen. Dazu ist es zum Glück nicht mehr gekommen. Und die Amerikaner befreiten die Zwangsarbeiter. Noch heute redet man in Bönen nicht gern über die Zeit.

Die Grabsteine - darunter lagen die, zu denen mein Opa gehalten hatte. wenn ich mich heute daran erinnere, war "die Russen" ein erster Anlass, mich mit Politik zu beschäftigen - und die politische und moralische Haltung meines Opas hat die meinige maßgeblich beeinflusst. Die kackbraunen Kameraden hätten bei mir nie auch nur den Hauch einer Chance gehabt.

Klicken Sie auf ein Bild, um die Fotostrecke zu starten (9 Bilder). (In Originalgröße nur für registrierte Nutzer des Forums. Username und Passwort finden Sie - wie gewohnt - hier.)

Nur eine wissenschaftliche Untersuchung über die Zwangsarbeit im Ruhrgebiet ist online verfügbar, aber um so aufschlussreicher: "Die ersten sowjetischen Zivilarbeiter, die so genannten "Ostarbeiter", wurden zum Jahreswechsel 1941/42 an der Ruhr angelegt. Sie kamen zunächst aus dem ukrainischen Erzbergbaugebiet Kriwoj Rog, später offensichtlich hauptsächlich aus dem Donez-Gebiet, darunter bald auch Frauen und Jugendliche. Insbesondere seit dem Winter 1942/43 wurden dann zunehmend bis dahin in der Landwirtschaft beschäftigte "Ostarbeiter" in den Ruhrbergbau verlegt. Sowjetische Kriegsgefangene wiederum wurden seit dem Januar 1942 zunächst versuchsweise und seit dem Juli 1943 in Massen im Ruhrbergbau angelegt. Drei Viertel aller neu angelegten Ausländer zwischen Juni 1942 und August 1944 waren sowjetrussischer Herkunft. [...] Zwangsarbeit konstituierte in dieser Zeit die Kohlenförderung im Ruhrbergbau. Auf manchen Zechen wurde im Sommer 1944 die unmittelbare Abbauleistung fast nur noch von Zwangsarbeitern erbracht. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der im Bergbau eingesetzten sowjetischen Arbeiter waren von Beginn an besonders schlecht. Die ideologische Verachtung gegenüber den slawischen "Untermenschen" zeigte sich in der Praxis in einer völlig unzureichenden Verpflegung, Unterbringung und medizinischen Versorgung der sowjetischen Kriegsgefangenen und zwangsrekrutierten "Ostarbeiter", die gerade das Überleben der Leistungsfähigsten unter ihnen gewährleistete. [...] Besonders prekär gestaltete sich in dieser Hinsicht die Lage der sowjetischen Kriegsgefangenen. Von ihnen waren bereits 3,5 Mio. in deutschen Kriegsgefangenenlagern umgekommen. Die Überlebenden, die Anfang 1942 stark unterernährt und in einem desaströsen Gesundheitszustand auf den Zechen eintrafen, waren der schweren Arbeit im Bergwerksbetrieb in keiner Hinsicht gewachsen."

Mein Opa und seine Haltung zu den russischen Zwangsarbeitern in Bönen haben nicht nur mich, sondern auch seine anderen Enkel geprägt. Mein Vetter, der auch Peter Baumgart heißt, ist heute Ratsherr für die Grünen in Bönen, im Vorstand einer Stiftung, die die Zeche Königsborn als Kulturdenkmal erhalten will und hat auf meine Bitte hin die Gräber "der Russen" fotografiert. Ehre sei ihrem Angedenken!

Die Fotos zeigen die Gräber von Zwangsarbeitern auf den Friedhöfen in Altenbögge und Bönen. ©Peter Baumgart
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BURKS ONLINE 08.05.2005
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