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Verfasst am: 20.03.2005, 20:39

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HAUSMITTEILUNG

Warum ich heute zu Hause geblieben bin

Von Burkhard Schröder

Vor wenigen Tagen noch ließ mich der Blick aus meinem Küchenfenster schaudern: Eis und Schnee(matsch) allerorten. Nur die Abendsonne, deren Strahlen in dieser Jahreszeit meinen Küchentisch glühen lassen und die sich listig durch zwei geöffnete Türen quer durch meine Wohnung bis auf meinen Monitor stehlen, mildert das Bild.

Der Mensch ist jedoch ein geselliges Wesen. Das gemeinsame Spiel und der kollektive Genuss flüssiger Drogen, gepaart mit sozialen Geräuschen, erfreuen das Herz trotz des menschenfeindlichen Wetters. Da es mir neulich sogar gelang, meine Lieblingsfreundin beim Billard zu schlagen, bin ich hier intrinsisch motiviert. Schön, dass Moderator Gumix und seine Angetraute wieder aus dem Urlaub zurück sind! Die beiden sind nicht nur IT-Profis der allerersten Güte, mit denen man zwanglos zum Beispiel über Typo3 plaudern kann, sondern lieben ebenso den Stoß mit der Stange, die das Runde nicht in das Eckige, sondern in das Runde befördern soll.

Und da wir alle in fahrradfreundlicher Nähe zueinander wohnen, ist das Etablissement Jonas sozusagen gesetzt,

zumal ich dort schon Mitte der siebziger Jahre als blutjunger Student verkehrte. Ich kenne die Kneipe schon fast länger als der Wirt. Außerdem saß ich den ganzen Samstag zum wiederholten Male in der Geschäftsstelle des DJV Berlin im trauten Kreise der Satzungskommission und brütete gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen über Paragrafen, dem Vereinsrecht und dem BGB. Ich musste also anschliessend irgendwie abhängen.

Die geneigte Leserin und der wohlwollende Leser werden schon vermuten, was jetzt kommt. Wenn man beim Billard auf gleich starke Gegner trifft und sich gegenseitig viel zu erzählen hat, merkt man nicht, wieviel Bier man trinkt. Man wundert sich, dass die Kugeln auf der grünen Fläche irgendwann partout nicht in die Löcher wollen, obwohl sie doch gerade davor liegen, sondern scheinbar merkwürdige Pirouetten drehen, und man zweifelt auch, ob sich die Kugeln bewegen oder die Umgebung oder warum plötzlich so viele Kugeln im Spiel sind, sogar zwei weiße, obwohl das doch gar nicht erlaubt ist und auch nicht sinnvoll wäre.

Die einfache und auch die dialektische Logik erlauben den deduktiven Dreisatz. Ich war gestern Billardspielen. Ich bin heute morgen in meinem Bett aufgewacht. Ergo: also muss ich auch irgendwie und irgendwann nach Hause gelangt sein, obwohl eine Erinnerung daran nur sehr rudimentär vorhanden ist.

Ein Blick aus dem Fenster bietet Erfreuliches: vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden belebenden Blick, in Kreuzberg grünet Hoffnungsglück; der alte Winter, in seiner Schwäche, zog sich aus der Stadt zurück.

Was erwartet den von der Nachtschwärmerei noch müden Wanderer draußen? Horden glücklicher Sonntagsspaziergänger mit unerbittlich freundlichem Lächeln. Aus dem hohlen, finstern Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sieh nur, sieh! Wie behend sich die Menge durch die Gärten und Felder zerschlägt! Hier ist des Volkes wahrer Himmel, zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein! Wenn ich dieses Volks gedenke, schmerzt mich schon der Kopf. Und deshalb bin ich heute zu Hause geblieben.
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