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Verfasst am: 22.11.2004, 00:22

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Requiem für eine Druckmaschine

Von Burkhard Schröder

Heute behandeln wir etwas Dauerhaftes: Druckmaschinen und Männerfreundschaften. Eingefleischte Kreuzberger kennen die berühmte Reportage Marie-Luise Scherers: "Der unheimliche Ort Berlin" aus dem Jahr 1987 - für mich die beste Reportage, die jemals über Kreuzberg geschrieben wurde. Darin heisst es: "Keiner ist keinem grün in der Waldemarstraße. Wer in der 31 wohlgelitten ist, ist in der 33 ein Schwein und in der 35 ein Faschist."

Mein Freund Heinz hatte in der Waldemarstraße 33 viele Jahre eine kleine Druckerei, dort, wo Kreuzberg so ist, wie es sich der furchtsame Tourist vorstellt: vier Hinterhöfe, die Passanten sprechen Anatolisch, und die Regeln sind anders als in Schwaben. Jetzt ist Schluss - die Druckmaschine ist verkauft worden. An einen "Maschinendealer" in Hamburg. Und der sagt, dass das Gerät "ganz weit" in den Osten reisen wird. Vielleicht drucken bald die Taliban ihre Flugblätter damit.

Was könnte diese Maschine erzählen! Damals, als die Demonstranten schon am Haus vorbeizogen - und sie druckte fleißlig noch die Flugblätter, die sie in schon den Händen halten sollten. Oder vor 18 Jahren, als wir den HerrMann produzieren, uns in der Nacht heimlich in ein Uni-Gebäude schlichen, wo es urtümliche Computer gab - und nur dort - und die Artikel in die Tasten hämmerten. Und das Layout per Hand zusammenstückelten, in einer Fabriketage, in der am Wochenende die Heizung nicht funktionierte und das Plumpsklo der Moschee darüber die Decke bräunte. Alte Kreuzberger Zeiten, und Heinz' Druckmaschine immer einsatzbereit an vorderster Front. Oder die falschen Dollarscheine, die von der Spaßguerilla während eines Reagan-Besuchs an die verdutzten Passanten verteilt wurden. Oder die "Jubelparade". Und und und.

Wie feiert man diesen Anlass? Man hört Rock und Blues, ein kleiner Junge gibt ein Ständchen auf der Klarinette. Würstchen, Bier und Kartoffelsalat sind gesetzt. Und man druckt, gemeinsam und zum letzten Mal.

Wir drucken irgendeinen Unsinn, handgemalte Visitenkarten auf buntem Karton. Und reden , worüber alte Männer reden: über die leider viel zu unpolitische Jugend. Und darüber, wie aufregend die Zeitläufte damals waren.

Was schweißt Männer noch zusammen? Politik und Gerede über doofe Frauen. Genau. einen Anlass für das Thema gibt es immer. Zumal, wenn sich drei Männer begegnen, die sich fast 20 Jahre kennen und die sich seitdem über just diese Themen austauschen. Und nachher fühlt man sich besser. Und wenn es doch einmal wider Erwarten zu einem Sturm auf ein Winterpalais kommen sollte, wüsste ich, wen ich fragen könnte. Zwei, die mitmachen würden, kennte ich schon.

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