Berlin-Kreuzberg. Manchmal packt einen der Weltschmerz. Es ist heiß, aus der Feder fließt nichts, was die Weltöffentlichkeit interessieren könnte, und die Dummheit greift allüberall um sich. Man möchte schreien, aber die anderen haben die rosarote Brille auf und fühlen sich wohl. Da hilft nur eins: irgendwo in der Großstadt ein Fleckchen suchen, um sich zu entspannen. Ingredienzien: Kuchen, Kaffee, eine angenehme junge Dame, eine Wiese, ein Haus im Grünen.

Zum Glück ist das alles vorhanden, in Berlin-Britz, am Rande der Hufeisensiedlung. Dort ist es so, wie Rosamunde Pilcher sich ein glückliches Leben vorstellt. Die Häuser sind nur etwas größer als Datschen, die Mietverträge reglementieren die Anzahl der Haustiere, die Pflege der Pflanzen und die Ausrichtung und Farbe der Dachschindeln. Dafür passiert dort so gut wie nichts, und ein gestresster Kreuzberger denkt, er sei in Klein-Kleckersdorf oder im Pfälzer Wald (Dort ist es auch schön, dort wohnen leider nur die falschen Frauen.) Man stellt sein Fahrrad ab, streckt die Beine von sich und das Gesicht in die Sonne am Sonnabend, lässt sich heiße Melange und kühle Getränke servieren und beobachtet die Katzen. Sex wäre auch gut, aber ein Mann von Ehre sollte nicht mit jeder Frau Sex haben, mit der er befreundet ist, auch wenn die Dame äusserst attraktiv und Single ist.

Vielmehr kömmt es darauf an, in schöpferischer Ruhe zu schwelgen und sich dessen zu besinnen, dass Schriftsteller, auch wenn sie nur in ihrem Fach dilettieren, über alles schreiben können und sollten, was sie und sich bewegt, ohne dass die geneigten Leserinnen und wohlwollenden Leser sich gelangweilt abwenden. Apropos schreiben: wer das lernen will, sollte unbedingt "Die simple Kunst der Mordens" von Raymond Chandler lesen. Womit die Frage beantwortet wäre, was ich gerade während der Hundstage mache. Leider ist das Buch viel zu kurz, man möchte mehr und immer mehr davon lesen. Chandler ist der Größte.

Und immer geschieht etwas, was man noch nie gesehen hat, auch in einem wunderbar wilden Garten in Berlin-Britz. Fünf Katzen laufen dort herum, und sie tun das, was Katzen gewöhnlich tun: genau das, was sie wollen, weil sie keinen hündischen Charakter besitzen und Obrigkeiten und deren Befehlen prinzipiell ablehnend gegenüberstehen. Oft sitzen sie dösend herum, schmeicheln sich ein und schnurren, dass die Kaffeetassen wackeln. Aber Tierchen, die zappeln oder sich ruckartig bewegen, finden sie spannend.

Libellen zum Beispiel sind ziemlich dumm. Sie verhalten sich so, dass gelangweilte Katzen auf sie aufmerksam werden. Ein Zucken des Schwanzes, ein Blinzeln der Augen, ein Satz, und das Insekt liegt unter einer samtenen Pfote am Boden. Katzen fressen Libellen aber nicht, sondern drapieren das halbtote Opfer mit gebrochenen Flügelchen und Beinchen als Trophäe auf dem Teppich des Frauchens.

Jetzt muss man ökologisch korrekt denken. Der Mensch steht zwar an der Spitze der Nahrungskette, aber Insekten schmecken nur selten gut und passen auch nicht zu Kaffee und Kuchen, aus ästhetischen und kulinarischen Gründen. Frauchen spießt daher das geflügelte Wrack, das sich noch bewegt, auf einen Stock. Im Teich wohnt ein Frosch. Der mag so etwas, aber am liebsten, wenn es noch nicht tot ist. Und ein halbwegs konditionierter Frosch kann sogar begreifen, dass Nahrung, die er sich nicht selbst gefangen hat, immer auf demselben Stein am Ufer seines Domizils liegt.

Es dauert auch nicht lange und er hat die Libelle geschnappt. Stumm sitzt er da und freut sich, Flügel und Beine des Insekts schauen rechts und links aus seinem Maul hervor. Aber Frösche haben viele Feinde und sind daher gut getarnt. Ich habe ihn zwar gesehen, aber auf dem Foto finde ich ihn nicht mehr. Wer also trotz der Hundstage zufällig auf dieses kleine familien-, frauen- und katzenfreundliche Forum gesurft ist, kann das Bild unten anklicken und nach dem Frosch mit der Libelle suchen (anklicken!). Der glückliche Finder bekommt ein Insekt seiner Wahl, eingelegt in Himbeergelee, serviert mit Mehlschwitze oder Béchamelsauce.

PS 10.10. Ich habe den Frosch wiedergefunden: man verfolge den Ast in der Mitte bis zu drei runden Steinen, auf dem rechten Stein sitzt der Frosch. Er ist dunkelgrün und guckt in Richtung Kamera.


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BURKS ONLINE 22.08.2004
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