Epilog

(Dieser Epilog ist nicht im Buch abgedruckt.)

Der deutsche Gelehrte und Naturforscher Alexander von Humboldt reiste ab 1799 fünf Jahre durch die spanischen Kolonien Südamerikas. Nach seiner Expedition zum Orinoco und der Entdeckung, daß dessen Flußsystem über den Cassiquiare mit dem Amazonas in Verbindung steht, durchquerte Hunboldt die östlichen Llanos Venezuelas, erforschte die Küste und besuchte kurz vor Weihnachten 1799 Havanna auf Kuba. Im März 1800 schiffte er sich nach der kolumbianischen Hafenstadt Cartagena ein. Von dort bereiste er das Hochland von Bogotá, später Ecuador, Mexico und die Vereinigten Staaten. Nach seiner Rückkehr lebte er zunächst in Paris, um die "Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent" zu publizieren, insgesamt sechsunddreissig Bände, das grösste private Reisewerk der Geschichte.

Am dritten Juli 1805 schrieb er einen Brief an den Botaniker José Celestino Mutis, dessen Gast er während seines Aufenthalts in Bogotá war. Der Brief wurde nie veröffentlicht. Er blieb im Privatbesitz der Nachfahren Mutis'. Im Jahre 1952 verkaufte man ihn für eine ungenannte Summe an ein kleines, privat geführtes Museum. Dessen Eigentümer, Doktor Rafael P. Granados, vermachte ihn im Jahre 1982 dem kirchlichen "Archivo de los Jesuitas" der Universität Javeriana in Bogota. Der Brief umfasst rund dreissig eng beschriebene Seiten. Auszüge werden hier zum ersten Mal abgedruckt:

"...Dunkle Gerüchte über die Schätze der Völker am Meta und anderen Nebenflüssen am Ostabhang der Kordilleren von Neugranada veranlaßten nacheinander, in den Jahren 1535 und 1536, Geronimo de Ortaz, Nikolaus Federmann und Jorge de Espira (Georg von Speier) zu Expeditionen auf Landwegen gegen Süd und Südwest. Vom Vorgebirge Paria bis zum Cabo de la Vela hatte man schon seit den Jahren 1498 und 1500 in den Händen der Eingeborenen kleine gegossene Goldbilder gesehen. Die Hauptmärkte für diese Amulette, die den Weibern als Schmuck dienten, waren die Dörfer Coro und Cauchieto beim Rio la Hacha. Die Gießer in Cauchieto erhielten das Metall aus einem Bergland weit gegen Süden. Georg von Speier brach 1535 von Coro auf und zog über die Gebirge von Merida an den Apure und Meta. Er ging über diese beiden Flüsse nahe bei ihren Quellen, wo sie noch nicht breit sind. Die Indianer erzählten ihm, weiter vorwärts zögen weiße Menschen auf den Ebenen umher. Speier, der sich nahe am Amazonenstrome glaubte, zweifelte nicht, daß diese umherziehenden Spanier Schiffbrüchige von der Expedition des Ortaz seien.

Er zog über die Savannen von San Juan de los Llanos, die reich an Gold sein sollten, und blieb lange in einem indianischen Dorfe, Pueblo de Nuestra Seņora, später Fragua genannt, südöstlich vom Paramo de la Suma Paz. Ich war am Westabhange dieses Bergstocks, in Fusagasuga, und hörte, die Ebenen gegen Ost am Fuße des Berges seien noch jetzt bei den Eingeborenen wegen ihres Reichtums berufen. Im volkreichen Dorfe Nuestra Seņora fand Speier eine Casa del Sol, einen Sonnentempel und ein Jungfrauenkoster, ähnlich denen in Peru.

Hatte sich hier der Kultus der Sonne und ihres göttlichen Sohnes gegen Ost ausgebreitet, oder sind etwa die Ebenen bei San Juan de los Llanos die Wiege desselben? Nach der Sage war allerdings Bochica, der Gesetzgeber von Neugranada und Oberpriester der Muisca, der sich durch eine helle Haut ausgezeichnet haben soll wie die "Viracochas" der Inka, von den Ebenen gegen Ost auf das Plateau von Bogota heraufgekommen. Da aber Bochica in einer Person Sohn und Sinnbild der Sonne ist, so kann seine Geschichte rein astrologische Allegorien enthalten.

Auf seinem weiteren Zuge nach Süden ging Speier über die zwei Zweige des Guaviare, den Ariari und Guayavero, und gelangte ans Ufer der großen Rio Papamene oder Caqueta. Der Widerstand, den er ein ganzes Jahr lang in der Provinz Los Choques fand, machte dieser denkwürdigen Expedition ein Ende.

Studiert man die alten Karten dieses Länder und die Geschichte der geographischen Irrtümer genau, so sieht man, daß der Mythos vom El Dorado, früher Enim oder das Reich des Großen Paytiti geheißen, mit den Quellen des Orinoko allmählich nach Westen rückt. Der tapfere Philipp von Hutten, der schon Hohermuth begleitet hatte, ging 1541, um die große Stadt Manoa zu entdecken, über den Guaviare. Dort lieferte er sich mit einer Handvoll Leute den Otomaken das im sechzehnten Jahrhundert vielberufene Gefecht.

Entkleidet man die Berichte der Konquistadoren des Fabelhaften, so erkennt man an den erhaltenen Ortsnamen immerhin, daß geschichtliche Wahrheit zugrunde liegt. Man folgt dem Zuge Huttens über den Guaviare und den Caqueta, man erkennt in den Guaypes unter dem Kaziken von Macatoa die Anwohner des Vaupes, der auch Guape oder Guapue heißt; man erinnert sich, daß Pater Acuña den Iquiari einen Goldfluß nennt, und daß fünfzig Jahre später Pater Fritz, ein sehr glaubwürdiger Missionar, in seiner Mission von den Manaos besucht wurde, die mit Goldblechen geputzt waren und aus dem Landstriche zwischen dem Vaupes und dem Caqueta kamen. Es ist auch auffallend, daß die Eingeborenen am Orinoko in ihren Sprachen ein Wort für Gold haben (karibisch Carucuru, tamanakisch Caricuri, maypurisch Cavitta), während das Wort, das sie für Silber gebrauchen, Prata, offenbar aus dem Spanischen entlehnt ist.

Noch jetzt erzählen die Indianer in San Jose de Guaviare: fahre man vierzehn Tage lang auf dem Guape oder Vaupes nach Nordost, so komme man zu einer berühmten Laguna de Oro, die von Bergen umgeben und so groß sei, daß man das Ufer gegenüber nicht sehen können. Ein wildes Volk, die Guanes, leide nicht, daß man im Sandboden um den See Gold sammle.

Mit Recht erscheint dieses Mesopotamien zwischen dem Caqueta, dem Rio Negro, dem Jurubesh und dem Iquiare als der erste Schauplatz des Dorado. Wo soll man aber die Namen Jurubesh und Iquiare suchen? Ich glaube, sie in den Flüssen Urubaxi und Iguari der handschriftlichen portugiesischen Karten wiederzufinden, die ich besitze und die im hydrographischen Depot zu Rio de Janerio gezeichnet wurden.

Die Spanier hörten damals von einem vornehmen Mann, der, den Körper mit Goldstaub bedeckt, an einem See mitten im Gebirge wohnen sollte. Gonzalo Jimenez de Quesada traf einen Indianer aus Neu Granada, der von seinem Fürsten, ohne Zweifel vom Zipa von Bogota oder vom Zaque in Tunja, abgesandt war, um von Atahualpa, dem Inka von Peru, Kriegshilfe zu bitten. Ich glaube, daß mit dem See die Laguna von Guatavita gemeint war, die Euch sicher bekannt ist, ostwärts von den Steinsalzgruben von Zipaquira. Ich sah am Rande dieses Wasserbeckens die Reste einer in den Fels gehauenen Treppe, die bei den gottesdienstlichen Waschungen gebraucht wurde. Die Indianer erzählen, man habe Goldstaub und Goldgeschirr hineingeworfen, als Opfer für die Götzen des Adoratorio de Guatavita. Man sieht noch die Spuren eines Einschnittes, den die Spanier gemacht, um den See trockenzulegen.

Wenige Monate vor meiner Ankunft in Santa Fe de Bogota hat man wiederum versucht, auf dem Grund der Lagune Gold zu finden, ohne nennenswerten Erfolg. Ich sah einige der Fundstücke, kleine Figuren, Tunjos genannt, und goldene Nasenpflöcke und Ohrspulen. Ein Fund jedoch erscheint mir außergewöhnlich und rätselhaft. Ein Indio grub aus dem Uferschlamm des Sees von Guatavita eine Axt aus, ohne Schaft, die verblüffend einer Barte glich, wie sie die Bergleute im Erzgebirge und Böhmen tragen. Die Axt ist aus Metall. Man weiß aber, daß die Muisca nur Steinäxte besaßen. Auf dieser Axt sind die Buchstaben B und A eingeritzt. Die Initialen müssen vom ursprünglichen Eigentümer stammen. Die Völker der Anden kannten keine Schrift; mich deucht, daß die Muisca diese Axt im Krieg gegen den Konquistador Quesada erbeuteten. Unter dessen Männern befanden sich deutsche Landsknechte, wie auch der Speierer, Philipp von Hutten und Nikolaus Federmann viele Spanier zu ihren Leuten zählten. Wahrscheinlich opferten die Priester der Muisca die erbeutete Axt als besonders wertvolle Gabe ihrem Gott Bochica."

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