An Angry Man oder: I know the truth and what I believe in

„So brutal Saddam Hussein war – ihn nur zu eliminieren, war falsch. Das Gleiche gilt für Gaddafi und Libyen, das heute ein failed state ist. Die große historische Lektion lautet, dass es eine strategisch unglaublich schlechte Entscheidung war, in den Irak einzumarschieren. Die Geschichte sollte und wird über diese Entscheidung kein mildes Urteil fällen.“

Das sagte jemand, der ganz böse ist, weil er findet, dass Putin smart and savvy ist. Damit ist er bei deutschen Medien natürlich unten durch.

US-amerikanische Medien haben mehr über die Hintergründe der zitierten Person.

[Triggerwarnung: Straight Talk] Der Kerl ist vermutlich politisch ein Arschloch, aber er weiß, wovon er redet, ist kein Opportunist und hat Eier. „Mike has an informed viewpoint, he’s honest and brutally frank“. Das sagt man von mir auch manchmal, nicht immer als Kompliment. Vermutlich wäre er mir als Person sympathisch, obwohl er in einer anderen Galaxis lebt.

You will be shocked at how ignorant [bitte selbst ausfüllen] are

Belgien

Da wir gerade beim Bullshit-Bingo sind: Generalstreiks scheinen die Menschen glücklich zu machen. „Generalstreik in Belgien. Der machtvollste Ausstand in der Geschichte des Landes beschert der Wirtschaft einen Verlust von 878 Millionen Euro“, schreibt die Junge Welt. Auch in Griechenland ist am 1. Mai Generalstreik, schon Ende März Generalstreik in Argentinien.

Da die Deutschen vergessen haben, wie das geht: „Busse, Züge und Flugzeuge standen still. Auch Banken und viele Geschäfte machten dicht. (…) Auch im Süden des Landes machten Arbeiter und Arbeitslose die wichtigsten Straßen unpassierbar.“

In Wahrheit will ich aber etwas über die ideological news bubbles schreiben, wie das Salon.com formuliert, also die mediale Blase, in der wir leben und die die „Netzgemeinde“ für die Realität hält.

This month, the Pew Research Journalism Project reported how Americans get their news at home. If you think it’s from the Internet, you’ll be surprised that the 38 percent of us who access news at home on a desktop or laptop spend an average of only 90 seconds a day getting news online. America’s dominant news source is television, and the disparity between heavy viewers of TV news and everyone else is as startling as the gap between the plutocrats and the people.

Ich sehe keinen Grund anzunehmen, warum das hierzulande anders sein sollte:
Pew sliced the TV news audience into thirds: heavy, medium and light. In my Jeffersonian fantasy, that distribution would look like a bell curve; in fact, it looks like a cliff.

Wenige rezipieren viel, die übergroße Mehrheit informiert sich überhaupt nicht oder nur über die unkritischen seichten Mainstream-Kanäle oder Facebook. Auf Facebook stellt sich eben jeder selbst zusammen, von wo und von wem er informiert werden will. Manche Leute verbreiten eben nur Tierbilder, die allerbanalsten „Lebensweisheiten“ oder andere irrelevante soziale Geräusche. Andere (wie ich) reproduzieren die internationale Presse, weil die besser ist als die hiesige, und pusten deren Inhalte in den deutschen Sprachraum.

Was dabei herauskommt? Nichts neues. Das Positive – Menschen können alles überallhin verbreiten – wird durch das Negative – sie rezipieren wie gewohnt und verbreiten nur das, was sie eh schon denken -, konterkariert.

Beispiel: Wer hat das gesagt? Und wird das in irgendeiner deutschen Zeitung erwähnt werden, gar einer lokalen?
„Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet ihr Verwirrung stiften, Bin Laden in die Hände spielen und bewaffnete Rebellenhaufen begünstigen. Folgendes wird sich ereignen. Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa überschwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten.“

Nein, man weiß es schon vorher: Alle Mainstream-Medien werden das geflissentlich ignorieren. Es darf nicht sein, dass die herrschenden Klassen und die internationalen Konzerne, die die Bürgerkriege in Libyen, Syrien, dem Irak, in der Ukraine und schon lange vielerorts in Afrika bewusst herbeigeführt haben, uns belogen und betrogen und dass die Medien ihre Korrektivfunktion fast komplett aufgegeben haben (vgl. „Hilfs“programme für Griechenland). Der libysche Diktator Muaamar al-Gaddafi hat etwas ganz richtig vorhergesagt? Kann gar nicht ein.

Die gute Nachricht (und nein, ich bin kein Kulturpessimist): Es war noch nie anders. Warum hat die Linke in Deutschland in der Weimarer Republik ihre eigenen Medien – sogar eigene Medien-Konzerne? Aus genau diesem Grund.

Wer glaubt, Journalismus könne neutral und „objektiv“sein, irrt. Das war noch nie so, und wird nie so sein. Journalismus ist immer und ausnahmslos interessegeleitet, auch in den glücklichsten Ländern der Welt.

Die libysche Katastrophe

Malte Daniljuk auf Telepolis: „Wer etwas über den Irrationalismus europäischer Außenpolitik lernen will, muss sich mit Libyen beschäftigen. Ein Rückblick auf Libyen im letzten Jahr der Gaddafi-Herrschaft“.

Interessant, dass so etwas nur bei Telepolis zu finden ist. Das nenne ich freiwillige Gleichschaltung.

Koalition der Willigen und hinreichende Nähe

Al Jazeera: „Egypt has denied any role in air attacks in Libya, as the US said it believed Cairo worked with the UAE to attack rebels in the capital Tripoli.“

Nur mal so zur Erinnerung: „Nach öffentlichen Protesten im Februar 2011, die die Sicherheitskräfte gewaltsam zu ersticken suchten, kam es zu einer Spaltung der politischen Führung des Landes. In Bengasi übernahmen bewaffnete Oppositionelle die Kontrolle. Nach einem koordinierten militärischen Eingreifen der NATO und einer Reihe arabischer Staaten zur Durchsetzung der mit der UN-Resolution 1973 eingerichteten Flugverbotszone gelang es den in der Libyschen Nationale Befreiungsarmee zusammengeschlossenen Milizen, die Einheiten der regulären Streitkräfte Libyens zu besiegen. Dabei kamen mindestens 30.000 Menschen ums Leben.“

In Afghanistan Irak Syrien Ukraine Libyen tobt also nach der Intervention der USA Deutschland Grossbritannien Nachbarstaaten einer Koalition der Willigen NATO ein Bürgerkrieg, der schlimmer genauso schlimm ist wie das vorherige Regime, das gestürzt werden sollte. War es das wert?

Ich frage mich, wer welche Interessen vertritt und warum. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die über die Kriegseinsätze entschieden habe – wie Tony Blair, Sarkozy oder Angela Merkel – ihrer Rolle als Charaktermaske gerecht werden und nur das tun und anordnen, was man von Helfershelfern der jeweiligen Interessen des Kapitals erwartet. Man kann davon ausgehen, dass die Unternehmen, die von den jeweiligen Bürgerkriegen profitieren, sich für die Folgen nicht interessieren, solange die Gewinne garantiert bleiben. Den Abnehmern und Käufern des Öls aus Libyen ist es egal, wer es ihnen verkauft – separatistische Milizen aus der Kyrenaika oder pseudoislamische Terrorbanden oder der Bürgermeister von Kabul Tripolis.

Der Tagesspiegel schrieb dazu ganz richtig: „Experten gehen davon aus, dass die Nachfolger des Gaddafi-Regimes fundamentales Interesse daran haben, die Ölausfuhren rasch wieder anzukurbeln, um die Einnahmen zu sichern. Nach Ansicht von Udo Steinberg ist die EU und die internationale Gemeinschaft den neuen Kräften ‚hinreichend nahe‘, um eine Kontinuität des Ölflusses sicherzustellen.“

Es ist spannend zu beobachten, welche Strategien der Neo-Imperialismus wählt, um die immer gleichen Ziele zu verfolgen: Der direkte Einmarsch ist nicht mehr angesagt – außer wenn man einen hinreichenden Vorwand hat, der von den freiwillig gleichgeschalteten Medien hinreichend propagandistisch ventiliert wird. Besser, weil effektiver, ist heutzurage asymmetrische Kriegsführung: Wenn die imperialistische Koalition der Willigen einheimische Söldner und Hilfstruppen und Lakaien findet, die an ihrer Stelle die Schmutzarbeit machen.

Niemand hat also ein Interesse daran, dass in den Anrainer-Ländern der EU stabile Regierungen existieren. Das wird noch interessant werden. Ein Bürgerkrieg auf kleiner Flamme ist allemal effektiver – nach der Devise „divide et impera“ – als ein autoritäres Regime, das sicher im Sattel sitzt, aber dann plötzlich auf dumme Gedanken kommt und sein eigenes Spiel spielt, das den Interessen der internationalen Konzerne zuwider ist.

Griechenland braucht jetzt einen entschlossenen Führer

„Das kann man doch nicht machen. Einfach den Plebs fragen. Der Pöbel ist doch doof wie Stulle. Dööfer ist nur, wer den Pöbel nach seiner Meinung fragt und sogar plant, sich auch noch danach zu richten. Ach, statt G. A. Papandreous bräuchte Griechenland jetzt einen entschlossenen Führer wie Gaddafi.“ (Spam)

Heuchlerische Bande

Spiegel Online: „Westliche Geheimdienste haben demnach bis vor kurzem eng mit Diktator Gaddafi zusammengearbeitet. Die USA sollen Gefangene in libysche Foltergefängnisse gebracht und die Briten Regimegegner verraten haben.“

Wer wissen will, wo deutsche Medien diese Nachricht her haben – vom Wall Street Journal und von The Independent.

Die Deutschen waren ja auch dabei und haben Gaddhafi Zensursoftware für’s Internet verkauft.

Das Volk ist aber mittlerweile so verblödet, dass die erbärmliche Heuchelei, den Krieg gegen Lybien, betreffend, niemanden groß interessiert. Man muss es aussprechen: Die Franzosen sind bei diesem Thema noch blöder als die Deutschen. Vielleicht sollten die Medien hüben und drüben ihren Auftrag ernst nehmen und endlich dieses verlogenen Politikerpack, inklusive den Öberlügner Sarkozy, als das benennen, was es ist – eine heuchlerische imperialistische Bande.

(Und wer denkt, dass ich Sympathien für Gaddafi hätte, der ist ein Trottel. So, und jetzt kann ich in Ruhe und erleichtert weiter frühstücken.)

Exportweltmeister Deutschland

Washington Post über den Bunker Gaddafis (via Fefe):

„Atop a desk that had been kicked over, there was a brochure for a German company advertising a program for intercepting e-mails and sniffing out Internet protocol addresses.

„This illustrates the mind-set of a freak,“ Khaderi said of Gaddafi. „He was always living in fear. He has prepared himself for this moment.“

Am deutschen Zensurwesen soll die Welt genesen. Deutsche Firmen exportieren Zensur- und Filter-Software in die ganze Welt. Ja, natürlich hat der zitierte Khaderi recht: Wer Zensur, Filter und Stoppschilder im Internet fordert, ist nicht ganz richtig im Kopf.

Guckst du auch hier: „Wie die Deutschen Zensur-Vizeweltmeister wurden“.

Nah an den neuen Kräften und Blut für Öl – worum es in Libyen geht

Tagesspiegel: „Experten gehen davon aus, dass die Nachfolger des Gaddafi-Regimesfundamentales Interesse daran haben, die Ölausfuhren rasch wieder anzukurbeln, um die Einnahmen zu sichern. Nach Ansicht von Udo Steinberg ist die EU und die internationale Gemeinschaft den neuen Kräften ‚hinreichend nahe‘, um eine Kontinuität des Ölflusses sicherzustellen.“

Lost all legitimacy

‚Moammar Gadhafi’s regime in Libya – perhaps only half-jokingly — called for British Prime Minister David Cameron to step down, asserting that he has „lost all legitimacy“ — a charge often leveled at Gadhafi — because of the riots. „Cameron and his government must leave after the popular uprising against them and the violent repression of peaceful demonstrations by police,‘ the state news agency Jana quoted Deputy Foreign Minister Khaled Kaaim as saying.“ (International Business Time)

Oasis of Klima

Oasis of Klima

Hier kommt Gaddafi garantiert nicht hin, der virtuelle Ort in Gor (Second Life) nennt sich Oasis of Klima (mehrheitlich französisch-sprachig)…. Ich brauchte mal etwas Entspannendes für’s Auge.

Krieg gegen Libyen

Nehmen wir mal den ehemaligen Aussenminister Joschka Fischer. Laut Wikipedia unterstützte dieser 1999 „maßgeblich die deutsche Beteiligung am völkerrechtlich umstrittenen Kosovokrieg, [„ein Land, in dem organisierte Kriminalität die Staatsform ist“] wodurch erstmalig seit dem Zweiten Weltkrieg wieder deutsche Soldaten an einem Krieg beteiligt waren. Er begründete diesen Krieg unter anderem auch mit dem Verweis auf den Holocaust. Am 7. April 1999 sagt er: ‚Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.'“

Weil Libyien nicht Auschwitz ist, Serbien aber sehr wohl, wenn man diese Logik glaubt, bomben wir jetzt nicht Libyen, dafür aber um so mehr in Afghanistan – das ist bekanntlich vergleichbar mit Serbien. Nein, nicht? Irgendwie verstehe ich die Welt nicht mehr. Da setzt sich Merkel mit Nicolas Sarkozy und Hillary Clinton und Silvio Berlusconi an einen Tisch und dealt wie ein Kesselflicker:

„Nein, ich möchte gerade keine Bomben auf Libyen abwerfen, das kommt nicht so gut wie ein Oder-Hochwasser, und wir haben auch bald Wahlen.“ – „Gut Angie, wir haben auch bald Wahlen in Frankreich. Le Pens Tochter macht mir Sorgen, die kann auch sinnfreien Populismus. Ich muss unbedingt irgendwo Bomben werfen. Das honorieren die Wähler, gerade bei kleinen Männern, die gern symbolisch lange harte Gegenstände irgendwo in etwas Weiches hineinsausen lassen.“ – „Nicolas, wir haben zwar keine Wahlen, aber mein Chef hat gerade alle seine Wahlversprechen gebrochen, und unsere Kriege in Afghanistan und im Irak bringen keine positiven Schlagzeilen. Unsere Wähler wissen zwar nicht, wo Libyen liegt, aber wir haben ihnen jahrelang eingebläut, dass dort die Bösen sitzen.“ – „Ich sage nur: Nutzt unseren Stüztpunkt in Neapel! Wir Italiener kennen uns in Libyen schon aus! Bunga Bunga!“ – „Silvio, halts Maul! Dann schlage ich vor: Wir Deutschen dürfen ein paar Leute mehr in Afghanistan killen (lassen), dafür halten wir uns in Libyen raus.“ – „Guter Plan, Angie! Wir wollten zwar unsere Kernkraftwerke nach Libyen liefern und Gaddafi wollte uns sein Uran geben, aber das kommt zur Zeit nicht so gut, wenn man darüber öffentlich redet.“ – „Bunga Bunga!“ – „Silvio, halt’s Maul! Wir machen es so: Hillarys Leute dürfen wie gewohnt das Kommando haben, Nicolas darf mit seinen Bomben spielen und wir halten uns raus und bezahlen nur.“

Aber mal im Ernst: Geht das jetzt so weiter? Immer, wenn ein Diktator auf seine eigenen Leute schießt, wirft die NATO planlos ein paar Bömbchen ab? Wie ist das denn, wenn man nur Afrika nimmt, zum Beispiel mit der Elfenbeinküste, dem Jemen oder dem Somalia? Nein, Bomben werden nur geworfen, wenn der Staat, in dem eine große Anzahl der Bürger rebelliert, einen bedeutenden Rohstoff besitzt (zwei Buchstaben, der erste ist ein Ö).

Mein gesundes Nerdempfinden sagt mir, dass niemand einen Plan hat. Bodentruppen können sie nicht einmarschieren lassen. Ohne Bodentruppen kriegen sie aber Gaddafi nicht weg, weil ein Teil der Stammesführer offenbar von Libyens Diktator bestochen worden ist oder sich von seinem Bleiben Vorteile verspricht. Wie sollen die Aufständischen in der Kyrenaika jetzt weitermachen? Sollen sie sich Ägypten anschließen? Oder abwarten, bis Gaddafi keine Lust mehr hat?

Meine private Verschwörungstheorie ist die: Gadaffi war ganz wunderbar, solange er den Europäern die Flüchtlinge vom Hals hielt. Der Deal war bekanntlich: Du darfst machen, was du willst, solange wir dir unsere Atomkraftwerke liefern und du im Gegenzug boat people aus Afrika wieder zurücknimmst. Es gibt aber nur zwei Interessen: Öl ja, Menschen nein. Solange ein klitzekleiner Krieg vor sich hin köchelt, ab und zu mal ein Bömbchen (in Libyen gibt es nicht so viele Ziele), läuft doch alles wie – äh – geschmiert.

Luftschläge oder: Freie Handelswege in Libyen

Ich verstehe das Gerede über eine „Flugverbotszone“ in Libyen überhaupt nicht. Das ist doch Heuchelei. Hatten wir eine „Flugverbotszone“ in Afghanistan, Serbien, Irak, Somalia? Wenn ihr wirklich den Aufständischen helfen wolltet, dann schickt denen panzerbrechende Waffen und Boden-Luft-Raketen. Und Militärberater!

Die US-Amerikaner haben doch allen faschistischen und sonstigen Diktaturen doch auch Militärberater geschickt – ich erinnere an Nicaragua, wo sie die Schergen Somozas ausbildeten, zum Glück vergeblich. Und haben die US-Regierungen nicht die Taliban in Afghanistan massiv mit Waffen unterstützt, also es dort noch gegen den pöhsen russischen Bolschewismus ging? Also was zögert ihr bei Libyen? Oder habt ihr Angst, auf’s falsche Pferd zu setzen und dumm und trocken da zu stehen, wenn Gaddafi alle Aufständischen massakriert hat?

Der größte Dummschwätzer ist Elmar Brok (CDU, natürlich – wo züchten die diese Gestalten eigentlich?) Der sagte laut Tagesspiegel, eine Flugverbotszone müsse „in enger Zusammenarbeit mit der Arabischen Liga und den arabischen Ländern möglichst durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates durchgesetzt werden sollte. Falls sich eine solche Entscheidung wegen des Einspruchs von Vetomächten wie Russland oder China nicht herbeiführen lasse, müsse eine Flugverbotszone notfalls auch ohne einen förmlichen Beschluss der Vereinten Nationen eingerichtet werden“.

Wir brauchen unseren Bundespräsidenten Köhler wieder! Der hatte doch sinngemäß gesagt: „Allerdings müsse Deutschland mit seiner Außenhandelsabhängigkeit zur Wahrung seiner Interessen im Zweifel auch zu militärischen Mitteln greifen. Als Beispiel für diese Interessen nannte Köhler ‘freie Handelswege’.“

Es geht doch nur um „freie Handelswege“ und ums Öl – wie schon im Irak-Krieg. Was die USA und andere Interessenten („Die weitgehend verstaatlichte Wirtschaft Libyens basiert auf den reichen Erdöl- und Erdgasvorkommen, durch die 2005 97 % der Exporterlöse (nach Italien 38 %, Deutschland 15 %, Spanien 9 %, Türkei 6 %, Frankreich 6 % und USA 5 %) in Höhe von 35,9 Mrd. US-$ erzielt wurden.“) am meisten fürchten, ist eine revolutionäre oder linkspopulistische Regierung (wie etwa in Venezuela oder in Bolivien), die die Ölquellen in staatlicher Hand behält, aber nicht mehr so handzahm ist wie Gadaffi, sondern die in Arabien Gruppen unterstützt, die den Kapitalismus in Frage stellen. Bevor eine linke Regierung in Libyen an die Macht käme, würde die EU auch ohne NATO-Mandat einmarschieren.

Ich habe eine Idee. Vielleicht sollte man mal die Kubaner anrufen, die haben doch mit Kriegen in Afrika Erfahrung. Oder die Chinesen – die schicken gleich mehr Militärberater als Libyen Einwohner hat.

Unter libyschen Stämmen

Aus dem Libyen-Liveticker von Spiegel „online“:

[13.11 Uhr] Die Stadt Sirte gilt als Hochburg von Machthaber Muammar al-Gaddafi. Sie liegt zwischen Misurata und Ras Lanuf – und von dort aus rücken nun offenbar Rebellen an. Bereits in der Nacht seien allerdings Kämpfe zwischen Gaddafi-Anhängern und -Gegnern ausgebrochen, meldet al-Dschasira in seinem Liveblog. Es handelt sich offenbar um Gefechte zwischen Stämmen.

Und so etwas nennen die vermutlich auch noch „Journalismus“ – sämtliche Quellen werden uns vorenthalten. Alles muss man selbst recherchieren. So sähe ein ernst gemeinter Artikel aka Online-Journalismus aus:

Die Stadt Sirte gilt als Hochburg von Machthaber Muammar al-Gaddafi. Sie liegt zwischen Misurata und Ras Lanuf – und von dort aus rücken nun offenbar Rebellen an. Bereits in der Nacht seien allerdings Kämpfe zwischen Gaddafi-Anhängern und -Gegnern ausgebrochen, meldet al-Dschasira in seinem Liveblog. Es handelt sich offenbar um Gefechte zwischen Stämmen.

Die Meldung bei Al-Jazeera lautet jedoch anders: „5:04am Twitter is abuzz with reports of ‚air strikes‘ being carried out in the western city of Misurata within the last hour.“

Al-Jazeera biete also einen Link auf Google Maps an, da man nicht davon ausgeht, dass die Leser wissen, wo Misurata liegt. Aussderdem – das kann man am Link erkennen – könnte man „Misurata“ korrekt auch Mişrātah oder Misratah schreiben.

Bei deutschen Medien wie dem ehemaligen Nachrichtenmagazin wird das entweder vorausgesetzt oder angenommen, von oben sähen die Städte in Arabien ohnehin alle gleich aus und es sei eh wurscht – oder die betreffenden Redakteure sind zu dumm und/oder zu faul, selbst zu recherchieren, wo das liegt, worüber sie gerade berichten.

Und nun zu uns, Kara ben Nemsi. „Es handelt sich offenbar um Gefechte zwischen Stämmen“, formulieren die Offliner beim ehemaligen Nachrichtenmagazin. Damit meint ihr, uns ausreichend informiert zu haben? Was ist ein „Stamm“ in Libyen? So etwas wie die Bayern und Preussen und Schwaben und Deutschland? Oder wie die Apachen und Sioux und Pawnee in den USA?

Guckst du hier (Vorsicht! Ausländisches Medium!): Warfallah [aka Werfella], Zawiya tribe, „based in a petroleum-rich region in the east“, Bani Walid, Zintan tribe, „allied in the past to Gadhafi’s own tribe“.

„One after another, Libya’s myriad tribes are falling in line against Gadhafi, and the implications are enormous, said longtime observers of Libya, because for centuries, tribes have formed the backbone of the North African nation. Many Americans pride themselves on God and country. In Libya, it’s God, tribe, then country. Libya’s 140 or so tribes and the clan and family structure that fall under them, remain the most important aspect of a society that lags behind many others in the region in development, said Ronald Bruce St. John, a scholar who has visited Libya numerous times and published several books about the country. (…)“

‚Libyans have a strong loyalty to tribe,‘ said Philip Carl Salzman, a McGill University professor of anthropology and author of ‚Culture and Conflict in the Middle East‚. – ‚A tribe provides welfare in times of need,‘ he said. ‚They have a collective responsibility.‘ If one member of a tribe is attacked, the reaction is to help or exact vengeance, Salzman said.“

Mehr Informationen zu dem Stämmen in Libyen gibt es auf Le Centre tricontinental (CETRI) (NGO aus Belgien) – eine „Lybian Tribal Map“.

„The tribe which has the strongest, and longest, ties to the Gaddafi region is the Magariha tribe…“. (…) Gaddafi’s own tribe, the Gaddafi tribe, had historically not been an important tribe…(…) The leadership of the Magariha tribe acknowledges a debt of gratitude to Gaddafi and his regime… (…) Whilst the Zawiya tribe is also in a strong position… (…) The largest and most influential tribe in eastern Libya is the Misurata tribe, which takes its name from the Misurata district in northwestern Libya. The tribe has particularly strong influence in the cities of Benghazi and Darneh. As for the Cyrenaica region, the most prominent tribe’s in this area are the Kargala tribe, the Tawajeer tribe, and the Ramla tribe. (…) Some of the more prominent tribes and families that have given up the Bedouin tribal culture in the Misurata region are : the el-Mahjoub clan, the Zamoura family, the Kawafi tribe, the Dababisa tribe, the Zawaiya tribe, the al-Sawalih tribe, and the al-Jarsha tribe. (…) [Der Kawar tribe] takes its name from the Kaouar region… (…) The al-Awaqir tribe is centered in the Barqah region of Cyrenaica, and this tribe is well known for the prominent role that it played in the war against Ottoman and Italian colonialism. (…) As for Tobruk and the surrounding region, there are a number of prominent tribes in this area, including the Abdiyat tribe… (…) The Masamir tribe is also an important tribe in this region… (…) the al-Mujabra tribe, this tribe has a strong presence south-west of Tripoli near the Al Jabal Al Gharbi district. (…) The Libyan Farjan tribe is centered west of the city Ajdabiya… (…) The majority of people in the city of Tripoli are affiliated to the Masrata tribe, such as the Muntasir clan, the Suni family, the Qadi family, the al-Bashti family…“

Na also. Gadaffi hat keine wirkliche Chance. Ein Stamm in Lybien ist eine sehr große Großfamilie, die eine Jahrhunderte alte Tradition hat und auch noch das deutsche Vereinwesen („most important aspect of a society“) und die Parteien ersetzt.

So, und nun könnte ihr euch selbst heraussuchen, welcher Stamm gegen welchen gekämpft hat in der „informativen“ Meldung beim ehemaligen Nachrichtenmagazin. Ich würde noch eine halbe Stunde recherchieren müssen, um das herauszufinden, aber mich bezahlt ja niemand dafür.

Wanted: Al-Qadhafi

wanted:gaddafi

Krumme Dinger

Harald Martenstein gestern im Tagesspiegel: „Die Guttenberg-Affäre ist gar keine Affäre, sondern ein Initiationsritual, das jeder CSU-Politiker absolvieren muss, um der Partei seine Befähigung für höchste Ämter zu beweisen.“ (Lesebefehl für die nachgeborene Generation)

„Strauß war NS-Führungsoffizier und verhängte noch im April 1945 ein Schreibverbot gegen den Autor Hans Hellmut Kirst. Seine Dissertation ist angeblich im Krieg verbrannt, ersatzweise ließ er sich von der Uni in Santiago de Chile zum Ehrendoktor ernennen. Damals regierte in Chile der Diktator Pinochet, dessen Regierungsstil stark dem des Obersten Gaddafi ähnelte. Strauß wurde Verteidigungsminister, offenbar, weil ihm immer wieder Bestechlichkeit und Vorteilsnahme vorgeworfen wurden. Kritische Journalisten ließ er verhaften. Daraufhin stieg er sogar zum Kanzlerkandidaten auf.“

Commentarii de revolutio Arabico [Update]

Lybia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Tarabulus, aliam Fessan, tertiam qui ipsorum lingua Barqah, nostra Cyrenaica appellantur.

Wer jetzt an Caesar denkt, ist zwar gebildet und hat etwas über libysche Geografie gelernt, aber das hilft uns nicht viel weiter. Ich fühle mich durch die Medien, was die Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Libyen engeht, nicht hinreichend informiert. Deshalb habe ich mich heute selbst umgeschaut, um mir ein Bild zu machen.

Die drei Landesteile, die seit 1951 den Staat Libyen ausmachen, sind sehr unterschiedlich; eine gemeinsame historische Tradition existiert wohl kaum. Der Südwesten ist ungefähr doppelt so groß die Deutschland, hat aber weniger Einwohner als Dortmund. Im gesamten an Ägypten grenzenden Osten, der Kyrenaika, leben etwa halb so viel Einwohner wie in Berlin.

Der Fessan im Westen Libyens wurde in der Geschichte von den geheimnisvollen Garamanten besiedelt, von denen die heutigen Berber vermutlich abstammen. Die Berber, die klassischen Bewohner der Sahara-Wüste, zu denen auch die nomadischen Tuareg gehören, verteilen sich auf fünf Staaten (ein Vergleich mit den Kurden liegt nahe). Man darf getrost bezweifeln, dass diese Völker für eine Revolution in Libyien zu gewinnen sind, da ihre Interessen, neben dem Karawanenhandel, eher darauf gerichtet sind, ökonomisch zu überleben und etwa am Rohstoffabbau im Niger teilzuhaben.

Der Norden des Landes, also im wesentlichen der Küstenstreifen Tripolitanien und dessen Hinterland, die ehemaligen phönizischen Kolonien und das spätere Karthago, wurde arabisiert. Hier kann Landwirtschaft betrieben werden; Erdöl und Erdgas kommen nur hier vor, vor allem in der Großen Syrte.

Der Osten Libyens ist auch kulturell und historisch anders: Weniger die Küste, sondern vielmehr das Landesinnere um die Kufra-Oasen prägen die Traditionen, etwa der Sanussiya-Orden, zu dem auch der Nationalheld Omar Mukhtar gehörte. Dieser Orden war auch eine islamische Erneuerungsbewegung in der Tradition des Sufismus; der ist aber theologisch weitaus toleranter als etwa die Wahabiten, die heute in Saudi-Arabien den Ton angeben. Die Sufis predigen zwar die Askese, sind aber eher spirituell statt dogmatisch ausgerichtet. Der Sanussiya-Orden finanzierte sich, bevor die Kolonialmächte Italien und Frankreich ihm seine ökonomische Basis entzogen, durch den Sklavenhandel zwischen Schwarzafrika, vor allem dem Sudan, und den Küsten Ägyptens und Libyens. Die europäische „Ausländer raus“-Organisation Frontex konzentiert heute im Südosten Libyiens Flüchtlinge in Lagern; Italien stellt dafür das Geld bereit.

Gute Journalisten stellen nur zwei Fragen, um das Wesentliche beschreiben zu können: Wo kommt die Kohle her? Und wo geht sie hin? In Libyen hat Gaddafi die Berber alimentiert, weil er ihre traditionelle Aufsässigkeit gegenüber seinen Nachbarstaaten als „Drohgebärde“ benutzen konnte. Die halbnomadischen Wüstenbewohner werden sich nur einem Aufstand anschließen, wenn zu erkennen wäre, dass die Nachfolger der Gaddafi-Clique ihnen ähnlich wohlgesinnt wären.

Die Kyrenaika hingegen will etwas vom Kuchen abhaben; ihre Bewohner, die historisch stark mit Ägypten verbandelt sind, wurden vernachlässigt und haben daher die stärkste Motivation für einem Umsturz. Das sagt aber nicht viel. Es kommt darauf an, wie Tripolitanien reagiert; den Rest Libyiens muss Gaddafi nicht berücksichtigen, selbst wenn der zeitweilig in den Händen Aufständischer wäre.

Wer – wie ich – jedem Umsturz, richtet er sich von unten nach oben, sympathisierend gegenübersteht, wundert sich: Plötzlich gibt es in Arabien „Volkskomitees“, eine Art Räterepublik, ohne dass man vorher etwas von einer Guerilla oder einer im Geheimen operierenden Organisation gehört hätte, wie etwa die erfolgreiche Sandinistische Befreiungsbewegung in Nicaragua oder die Tupamaros in Uruguay. Es handelt sich um eine klassische bewaffnete Märzrevolution 1848 forderten genau das, was die Volksmassen in Tunesien, Ägypten und auch in Libyen heute wollen – demokratischen Wahlen, Pressefreiheit und den Sturz der Tyrannen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Die Revolutionäre hoffen, dass der Kapitalismus für alle da ist. Wie das gehen soll, hat noch niemand verraten. Zur Zeit lebt der arabische Umsturz vom Prinzip Hoffnung, dass jeder eine Chance hätte, wenn nur die Wirtschaft nicht mehr in den Klauen einer korrupten Familienclique wäre. Diese Hoffnung ist zwar fromm, aber naiv.

Die eisenen ökononomischen Gesetze der so genannten „Marktwirtschaft“ – die schleichende Enteignung unabhängiger Kleinbauern (zugunsten staatlich subventionierter kapitalistischer Großbetriebe), der „tendenzielle Fall der Profitrate, die ungehinderte Fluktuation der Ware Arbeitskraft und das Entstehen einer industriellen Reservearmee (aus ehemaligen Bauern und/oder Einwanderern/Flüchtlingen), die das Proletariat in Schach und die Löhne niedrig hält – das alles steht Arabien noch bevor. „Diese Enteignung vollzieht sich durch das Spiel der inneren Gesetze der kapitalistischen Produktion selbst, durch die Zentralisation der Kapitale. Je ein Kapitalist schlägt viele tot.“ (Karl Marx, Kapital I, MEW 23, 790)

Ein Gespenst geht um in Arabien – das Gespenst des Kommunismus (oder wie auch immer man das heute nennen mag). Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen -und heimlichen – Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, die Europäische Union, die USA, Israel, Saudi-Arabien, die Ex-Kolonialmächte Italien und Frankreich, die Noch-Machthaber in Marokko, Algerien, Syrien und den Golfstaaten.

Die Revolution in Libyen wird auch Gadaffi nicht aufhalten können. Aber die Revolution fängt danach erst an. Bei den Wahlen im Herbst in Ägypten und deren Ausgang sprechen wir uns wieder. Jede Wette, dass diejenigen, die heute die wirtschaftliche Macht am Nil innehaben, auch nach den Wahlen immer noch fest im Sattel sitzen werden.

Update
SpOff: „Tunesiens Hauptstadt versinkt erneut im Chaos“ – „…mit der Aufarbeitung der Vergangenheit ist zögerlich begonnen worden. Das ging vielen Demonstranten nicht schnell genug. Sie sind der Ansicht, dass immer noch die gleiche Clique an der Macht sei – und sich für die Bürger nicht viel geändert habe.“ Meine Rede – die Revolution beginnt erst.
SpOff: „Experten fürchten die Spaltung Libyens“ – der Artikel scheint wie von mir (vgl. obne) abgeschrieben, nur das er seine Quellen verschweigt.

Kein Rücktritt, aber:


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Gaddafi verzichtet auf Diktatorentitel! (Quelle)

Terroralarm ist Lobbyismus der Geheimdienste

Endlich mal eine Verschwörungstheorie, der ich voll und ganz beipflichte: „Den großen Terroralarm wegen Paketbomben aus dem Jemen nutzen westliche Geheimdienste, um mehr Geld aus ihren Staatskassen zu bekommen, sagte der russische Orientexperte Oleg Peressypkin. (…) ‚In verschiedenen Ländern werden derzeit die Staatshaushalte für das nächste Jahr erörtert. Deshalb sind Länder wie Frankreich, Großbritannien und die USA daran interessiert, auf die neuen Gefahren hinzuweisen, um ihren Geheimdiensten zusätzliches Geld für den Anti-Terror-Kampf zu sichern‘, so Peressypkin am Mittwoch. Auch der jemenitische Botschafter in Russland, Mohammed Saleh al-Hilali, sagte: ‚Die weltweite Medienkampagne gegen den Jemen entspricht keineswegs dem Ausmaß der realen Bedrohung, die von den jüngsten Ereignissen in diesem Land ausgeht. Mit Sicherheit steckt jemand oder etwas hinter dieser Propaganda-Kampagne.“ [Quelle: Novosti (Federal state unitary enterprise Russian Information Agency News), via Fefe]

Das kann man natürlich noch journalistisch bearbeiten. Der „Orient-Experte“ ist falsch geschrieben, es handelt sich um den ehemaligen sowjetischen Botschafter in Lybien, Oleg Peresypkin, „member of the Collegium of the USSR Ministry of Foreign Affairs“. Wenn ich schon als Blogger besser sein will als die Holzmedien, dann muss ich zu den genannten Personen auch Links anbieten, die erklären, um wen es sich handelt.