Wie unabhängig und glaubwürdig sind deutsche Journalisten oder: Ich bin die acht Prozent

Aus dem aktuellen Newsletter von Netzwerk Recherche:

das Public Relation Global Network (PRGN) hat vor Kurzem eine Umfrage* zum Umgang von Wirtschaftsjournalisten aus 14 europaeischen Laendern mit Unternehmensfuehrern veroeffentlicht. Eine Frage darin lautete: Erlauben Sie dem CEO oder der PR-Agentur vor Veroeffentlichung, die Zitate zu autorisieren? Im Schnitt der europaeischen Laender antwortete nur die Minderheit mit Ja (41 Prozent), in Deutschland dagegen antwortete die Mehrheit (54 Prozent) der Journalisten, dass sie „jederzeit“ die Zitate autorisieren lassen („allow to review all the time“). 38 Prozent sagen, sie machen das gelegentlich und es haengt ab von der Beziehung zum Gespraechspartner. Nur 8 Prozent der deutschen Journalisten sagen, sie legen Zitate niemals vor.

In den USA ist so eine Praxis undenkbar. Die „New York Times“ hat ihren Journalisten dies sogar ausdruecklich verboten, weil damit die Unabhaengigkeit der Berichterstattung bedroht werde und die Gespraechspartner zu viel Einfluss auf einen Artikel nehmen koennen. Vielleicht sollten wir auch mal darueber debattieren, ob diese Bereitwilligkeit zum Vorlegen von Zitaten nicht auch unsere Glaubwuerdigkeit gegenueber Lesern zerstoert.

Remember: Für das Autorisieren gibt es weder eine rechtliche Grundlage noch würde das ein seriöser Journalist zulassen. Als ich Chefredakteur war, habe ich das „Autorisieren“ schlicht verboten.

Deutsche Journalisten sollen mal etwas Ausländisches lesen wie den Guardian lesen: „In Germany, approval for access is commonplace – but it means journalists play by politicians‘ rules.“

Wer Interviews autorisieren lässt, ist feige, opportunistisch, faul, unglaubwürdig, hat einen kriecherischen Charakter und handelt unprofessionell. Vielleicht sollte man das mal so sagen. Aber dann ist man Netzbeschmutzer (wie ich). Und wer will schon gegen den gefühlten Mainstream schwimmen?

* „Please enable JavaScript to view this website.“

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Kommentare

9 Kommentare zu “Wie unabhängig und glaubwürdig sind deutsche Journalisten oder: Ich bin die acht Prozent”

  1. Detlef Borchers am Mai 24th, 2014 5:48 pm

    Na, dann oute ich mich mal als feige, opportunistisch, faul und unglaubwürdig. Als IT-Journalist lasse ich die Texte von mir Gegenlesen (nicht im Sinne von Autorisieren), in denen es um komplexe technische Sachen geht, von denen ich zu wenig verstehe. Um ein Beispiel zu geben: zuletzt war das ein ILA-Bericht über die anstehende Gravitationswellenmessung eLISA im Weltraum, den der befragte Astrophysiker bekam.

  2. LinuxProfy am Mai 24th, 2014 5:57 pm

    Natuerlich sind Jurnalisten glaubwuerdig, wie Aerzte oder Politiker auch. Nicht umsonst hat man oder Frau Jahrelang studiert. Das einfach aufs spiel zu setzen fuer ein paar gefaelligkeits Artikel? Wo kaemen wir da hin. Hier ein gutes Beispiel fuer einen guten deutschen Artikel:
    http://www.der-postillon.com/2011/05/amerikanischer-experte-fur.html#at_pco=smlwn-1.0&at_si=5380c01b6afdc03e&at_ab=per-4&at_pos=0&at_tot=1

  3. kynik am Mai 25th, 2014 12:33 am

    zwar in diesem zusammenhang etwas ot, oder auch nicht, wenn ich es genau bedenke: via duckhome ( http://duckhome.de/tb/archives/12382-Aufgelesen-und-kommentiert-2014-05-24.html ) hier der punkt: Nach Nato-Enthüllungen: „Journalisten“ gehen gegen Die Anstalt vor (http://www.heise.de/tp/artikel/41/41841/1.html ) stoße ich auf folgendes erhellendes video aus der „anstalt“ im zdf: http://www.youtube.com/watch?v=VvTWo5ZGcNA .
    interessanterweise erklären die in dem video auch, dass so eine praxis (also diese nähe zu macht“eliten“) amerikanischen journalisten verboten ist.
    wenn aber unsere schon so tief in den hinterzimmerclubs vernetzt sind, dann kann man sich leicht vorstellen warum die lieber autorisieren lassen.
    es geht zwar im angegebenen artikel um politische zirkel, aber ich glaube in den wirtschaftskreisen wird es nicht anders aussehen.

  4. rainer am Mai 25th, 2014 10:01 am

    …..wenn sich die Merkel und ihre Konsorten im Arsch von Obama so richtig wohlfühlen, so ist es unseren Juuuurnalisten in deren Arsch eben auch so richtig wohlig warm….

  5. elvis am Mai 25th, 2014 10:39 am

    8 PROZENT?

    Das sind höchsten 1,4 %!

    Bestes Beispiel für den deutschen Elitejournalismus war die ZDF heute Sendung in der Halbzeitpause Real gegen Atletico. Mit keinem Wort erwähnte die Slomka das was Erdogan in seiner Rede gesagt hat. Mit keinem Wort. Das war eine vollsubventionierte Volkspädagogik-Lehrstunde, bei der die soziale Komponente nicht zu kurz kommen durfte. Und dann immer dieser Verweis auf die Webseite des ZDF. Das machen die ARD fast in jeder tagesschau. Wer mehr Infos will soll die Webseite aufrufen.

    Da lobe ich mir die BILD.

    Jan Ullrich der Doper wird von denen derzeit – mal wieder – öffentlich vorgeführt. Der hatte im Suff einen Autounfall. Da wird kein Interview (der Idiot gibt der BILD immer noch Interviews !!!) Von dem wird mit Sicherheit kein Interview autorisiert. Wenn der Blödsinn redet dann schreibt die BILD das 1:1. Das erhöht die Wirkung des BILD Prangers.

  6. lepus am Mai 25th, 2014 3:16 pm

    „In den USA ist so eine Praxis undenkbar“
    Nanu – im Kernland des bösen Kapitalismus unabhängige Journalisten – wer hätte das gedacht?

  7. admin am Mai 25th, 2014 7:32 pm

    Das Kernland des Kapitalismus ist Großbritannien, nicht die USA.

  8. Michael am Mai 25th, 2014 9:00 pm

    Guter Journalismus ist in den VSA leider mindestens ähnlich selten. Da wissen die eben auch unautorisiert was erwünscht ist. Wie das dort läuft kann man z.B. bei Chomsky nachlesen. Das macht diese deutsche Unsitte zwar nicht besser, es ist aber mE ein Nebenaspekt.

  9. lepus am Mai 25th, 2014 11:23 pm

    „Das Kernland des Kapitalismus ist Großbritannien, nicht die USA.“
    Ursprünglich – ja. Die Frage bleibt.

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