Verunfallt, aber nicht vertodt

Tagesspiegel: „Der Flughafensprecher und Aufsichtsratskreise hatten kurz nach dem Unfall erste Augenzeugeneindrücke, dass Mehdorn verunfallt war, bestätigt.“

Man muss sich auf der Zunge zergehen lassen, wie dieses Deutsch des Grauens entstanden ist. Es war einmal das Substantiv „Unfall“. Wie könnte man daraus ein Verb zaubern? „Einen Unfall haben“ ist schlechtes Deutsch, weil man das Tun durch das Hilfsverb „haben“ beschreibt. Geht also gar nicht.

Wenn man zum Beispiel „Tod“ nähme, hieße es im Deutsch des Grauens „vertodt“. Von „Tod“ gibt es auch kein Verb, sondern nur das selbständige „sterben“. (Kennt noch jemand das korrekte „wenn du stürbest“?)

Wenn ich Chef vom Dienst bei einer Zeitung wäre, die sich selbst erst nähme, würde ich einen Redakteur, der „verunfallt“ schriebe, öffentlich auspeitschen lassen und ihm anschließend nahelegen, Pressesprecher aka Sprachblasenfacharbeiter bei der Partei „Die Linke“ zu werden.

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Kommentare

9 Kommentare zu “Verunfallt, aber nicht vertodt”

  1. Wolf-Dieter am April 12th, 2014 2:38 pm

    Wenn ich den Tod intransitiv vertuworten müsst, gäb es „vertodet“. Mit einem „e“ vorm t.

    (Transitiv gäb es „getötet“, aber das passt nicht.)

  2. Unschland am April 12th, 2014 3:19 pm

    … bestätigten umgehend Augenzeugenberichte über Mehdorns Unfall.

    Augenzeugeneindrücke ist auch nicht ganz koscher ohne ein Verb wie wiedergeben oder schildern.

    Ist „verunfallt“ nicht ursprünglich eine ironische Umschreibung für den unerwarteten und plötzlichen Tod von wichtigen Zeugen bei Prozessen, bei denen es um Staatsterrorismus o.Ä. geht als Alternative zu „geselbstmordet“?

  3. lepus am April 12th, 2014 4:24 pm

    Deutsch des Grauens geht auch umgekehrt, vom nackten Verb zum aufgemotzten Substantiv: anzeigen – zur Anzeige bringen.
    (steht gelegentlich auf Anzeigetafeln von Exklusivparkplätzen, gerne bei Banken und Ämtern)

  4. Jürgen am April 12th, 2014 5:38 pm
  5. ...der Trittbrettschreiber am April 12th, 2014 11:09 pm

    ;)… da verschriftliche ich doch lieber verlebte texte über grauenvoll verunfalltes deutsch nach einer zur durchführung gebrachten sause in einer örtlichkeit, die der schank- und gastbehausung dienlich war – bis dahin jedenfalls.

    Hicks – hätte eine lachsalvung zur folge haben können aber irgenwie ist die komik verfloppt.

    zu erwähnen sei noch, dass meine rechtschrei-bprüfung alles einer rötung unterzogen hat, außer dem wort „verunfallt“.

    ist ein arzt zugegen…?

  6. Crazy Eddie am April 13th, 2014 5:39 am

    Nicht anzeigen, nicht zur Anzeige bringen, beanzeigen heißt es auf Beamtenplatt.

    Weiterhin:

    verraubüberfallen, verdiebstahlen, verschußwaffengebrauchen, befestnahmen und verstaatsgewaltigen

  7. Unschland am April 13th, 2014 1:28 pm
  8. altautonomer am April 13th, 2014 4:25 pm

    Im Bereich der kommunalen Stadtplanung gab es für die Absicht, eine Kreuzung mit einer Ampelanlage zu versehen, das Verb „beampeln“. Köstlich.

    Und gern genommen wurde auch „unter Zuhilfenahme eines Baggers“ statt „mit“ einem Bagger.

    Bei den grünen Odnungshüter gibt es dnn noch die „Ingewahrsamnahme“ als offizielles Amtsdeutsch.

  9. Temnitzbiber am April 14th, 2014 8:21 pm

    Auch schön: Otto Normalo würde an Anweisungen an die Polizei etwa in Wackersdorf oder den Stuttgarter Bahnhof denken, aber es geht um was ganz Anderes: In unserem Amt werden manchmal „Niederschlagungsanordnungen“ erteilt. Wem solches zugute kommt, darf sich ehrlichen Herzens freuen: Es werden Geldforderungen nicht erhoben („niedergeschlagen“), weil ihre Eintreibung mehr Geld erfordern als einbringen würde.

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