Postdemokratie

was tun?

„Die Mehrheit der Bürger spielt dabei eine passive, schweigende, ja sogar apathische Rolle, sie reagieren nur auf die Signale die man ihnen gibt. Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten (…) Die wichtigsten politischen bzw. wirtschaftlichen Prozesse finden auf einer Ebene statt, welche die nationale Demokratie nicht mehr erreichen kann. Immer mehr erkennen wir, dass die Bürgerrechte, die national verteidigt werden, gegen übernationale Gebilde auf verlorenem Posten stehen.“ (Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt/M. 2008, S. 10 + 16, via Carta)

Man könnte dazu aber Lenin zitieren: „Warum zeigt der russische Arbeiter noch so wenig seine revolutionäre Aktivität in bezug auf die bestialische Behandlung des Volkes durch die Polizei, in bezug auf die Verfolgungen der Sektierer, die Mißhandlungen der Bauern, das Wüten der Zensur, – die Soldatenschindereien, die Verfolgung selbst der harmlosesten kulturellen Bestrebungen usw.? Darum etwa, weil ihn der ‚ökonomische Kampf‘ nicht da rauf ’stößt‘, weil ihm das keine ‚greifbaren Resultate verheißt‘ und wenig ‚Positives‘ gibt? Nein, eine solche Ansicht ist, wie gesagt, nichts anderes als der Versuch, die eigene Schuld anderen in die Schuhe zu schieben, das eigene Philistertum (…) auf die Arbeitermasse abzuwälzen.“ (W.I. Lenin: „Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung“ (1902)

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Kommentare

4 Kommentare zu “Postdemokratie”

  1. Godwin am Januar 16th, 2014 9:59 am

    darf man Lenin so verstehen, dass er (und folglich auch du) die Meinung vertritt, der ‚revolutionäre Aktivist‘ verstünde es lediglich nicht, seine Mitmenschen von der Notwendigkeit des Aufbegehrens zu überzeugen?

    das erinnert dann stark an Grigori Kossonossow und „Die Kuh im Propeller“
    http://www.bruhaha.de/kuh_im_propeller.html
    (man kann Gesellschaften/Systemen nicht Entwicklungen von außen aufdrängen)

    dazu passt auch eine (selbst-)kritische Schrift
    http://eco-action.org/dod/no9/activism.htm
    „To think of yourself as being an activist means to think of yourself as being somehow privileged or more advanced than others in your appreciation of the need for social change, in the knowledge of how to achieve it and as leading or being in the forefront of the practical struggle to create this change.“

    Tino Heim argumentiert in eine etwas andere Richtung:
    http://bookview.libreka.de/bookviewer/9783837624014/584?imagepage=585

  2. admin am Januar 16th, 2014 1:39 pm

    Schwere Frage. 1902 ging es ja auch um etwas anderes, etwa die Frage, inwieweit der Kampf um bessere Löhne automatisch auch politisches Bewusstein erzeuge, das letztlich dazu führt, die Systemfrage zu stellen.

    Ich denke nicht, dass das Konzept der revolutionären Avantgarde noch etwas taugt, obwohl die erfolgreichen Revolutionen alle so verlaufen sind, etwa in Nicaragua.

    Übrigens verwechselt Lenin die Philister mit den Pharisäern. Man sollte keine Vergleiche aus der Bibel wählen, wenn man nicht bibelfest ist.

  3. Godwin am Januar 17th, 2014 10:02 am

    Philister als Synonym für Spießbürger war doch aber im 19. Jahrhundert gerade in aufgeklärten oder eher sozialistisch ausgerichteten Kreisen ein gängiger Begriff

  4. elvis am Januar 17th, 2014 4:59 pm

    Schweigent?
    Passiv?

    Das ist doch völlig egal, der Deutsche ist der geborene Demokrat und Revolutionär! Deutsche sind nie passiv. Wir haben zwei Weltkriege ausgelöst. Das heisst wir befassen uns nicht mit Kleinkram!

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