Hans und Grete oder was machen eigentlich die Deutschen 2.0?

second life

Ich weiß immer noch nicht, was die deutschen Medien bewegte und bewegt, die 3D-Welt Second Life vollständig zu ignorieren. Nach dem großen Hype 2007 und einer positiven Geschichte im Spiegel war nach ein paar Monaten plötzlich Schweigen angesagt. Nicht zuletzt war natürlich der unsägliche Beitrag von Report Mainz schuld, der behauptete, es gebe dort Kinderpornografie – was definitiv eine Falschmeldung war, und nach US-amerikanischen Recht sowieso. Man zuckte vor dem Thema irgendwie zurück, als sei es vergiftet, obwohl es wohl kaum ein besseres Experimentierfeld gibt, um das Verschnelzen aller Medien zu beoabchten, inklusive Bücher, Computerspiele, Filme und klassische Rollenspiele.

Ein weiterer Grund mag sein, dass es gar nicht so einfach ist, innerhalb von Second Life diejenigen Communities zu finden, die aktiv sind und die es sich zu beobachten lohnt. Man baucht meistens eine Altersverifikation des Avatars und muss mit der grottigen internen Suchmaschine umgehen können – und eigentlich auch schon wissen, was man sucht.

Auch kann man nicht einfach mal eine Stunde recherchieren und dann etwas erfahren. Wer etwa ein Gor-Sim betreten will, muss zudem den Avatar mit einer rollenspielgerechten Kleidung ausstatten und noch viele andere Auflagen erfüllen. Eine Recherche würde – gemessen am Ergebnis – einen sehr hohen Aufwand bedeuten. Damit haben wir schon 95 Prozent aller deutscher Journalisten außen vor.

Wer also nach „german“ sucht, findet nur Schrott – wie oben zu sehen (bei „deutsch“ ist es vergleichbar). Der Traffic, also die Anzahl der Avatar, die sich dort täglich im Durchschnitt aufhalten (den zeigt die SL-interne Suchmaschine in der rechten Spalte an), ist bei „deutsch“ nicht der Rede wert. Wo sind die Deutschen nur? Alle bei Fratzenbuch?

Der Traffic wird wie folgt gemessen: Traffic is a numerical metric calculated for every parcel of land inworld. This score can be summarized as the cumulative minutes spent on the parcel by all visitors to the parcel within the previous day. (The value shown in About Land is based on data gathered from midnight to 11:59 PM, Pacific Time.) It is calculated by taking the total seconds spent on the parcel, dividing by 60, and rounding to the nearest whole minute. For example, if your parcel has a cumulative seconds total of 121s over the course of a day, the traffic score is 2.

Nur um das in verständliches und nicht-mathematisches Deutsch zu übersetzen: Der wichtigste Treffpunkt der Gor-Rollenspieler, der so genannte Gor Hub (seit 2007), hat zum Beispiel einen Traffic von rund 70.000. Das bedeutet, dass sich durchschnittlich zwischen 40 und siebzig Avatare dort aufhalten – und das rund um die Uhr.

Alle deutschen Sims (man könnte das mit „Spielorte“ übersetzen, die jeweils nur eine begrenzte Anzahl von Polygonen und Avataren rendern, also darstellen können) haben also weitaus weniger Besucher und Traffic als nur die Hälfte aller Sims der kleinen goreanischen Subkultur. Das wäre ungefähr so, als wäre die Zahl der „Gothics“ (oder „Gruftis“) in Deutschland – eine kleine Jugend- und Subkultur – größer als die Zahl aller Franzosen.

Was die Leute am meisten interessiert, sind eben soziale „Kontakte“, wie auch immer man das definiert. Oder, wie man so sagt, dass Hans seine Grete findet, in welches Kostüm man auch immer dazu schlüpfen müsste.

second life

image_pdfimage_print

Kommentare

3 Kommentare zu “Hans und Grete oder was machen eigentlich die Deutschen 2.0?”

  1. Jim am November 24th, 2013 1:20 pm

    Ich verstehe vollkommen, warum Second Life nicht von den Medien wahrgenommen wird: Es ist vollkommen langweilig. Sich virtuell die Zeit zu vertreiben, und sei es auch in einer noch so schön gestalteten Welt, ist einfach nicht aufregend genug. Für mich persönlich hat es null Nachrichtenwert. Ich kann unmöglich von mir auf andere schließen, aber ich würde einen Artikel, der das Thema behandelt, höchstens überfliegen in einer Zeitung.
    Und, ich will da mal ganz ehrlich sein: Ich mag dein Blog, aber alles was du aus Gor berichtest finde ich öde. Nicht mal die naggischen Mädels interessieren mich, da sie einfach nicht echt sind. Nüscht für unjut, ich scroll einfach drüber weg ;-)

  2. admin am November 24th, 2013 1:26 pm

    Du machst vermutlich auch keine Computerspiele…

  3. Zasta Korobase am November 26th, 2013 12:26 pm

    Diese „soziale Komponente“ ist auch das, was für mich gutem, epischem, abenteuerlichem Rollenspiel in Second Life am heftigsten im Wege steht. Immer diese Alltagssimulation mit Partnersuche … da ist es doch kein Wunder, wenn die Leute keine wilden Abenteuer erleben können. Man ist eben doch mehr Sekretärin Hildegard aus Wanne-Eickel in Slavesilks oder Mighty Manfred der Abteilungsleiter. Sich selbst in bunten Klamotten spielen. Schade drum!
    Man kann sich natürlich seine RP-Nische suchen – aber genau dann gebrichts an Traffic.

Schreibe einen Kommentar