Unter Schnellballsystemikern und Couponschneidern

Umverteilen?! Das scheint zur Zeit das Modewort zu sein bei den Ökonomie-Quacksalbern, Kapitalismus-Apologetikern und anderen Wirtschafts-Astrologen, von Spiegel online bis zur taz. Kein ernst zu nehmender Linker würde jemals auf die Idee kommen, etwas „umverteilen“ zu wollen. Karl Marx ist nicht Robin Hood und wollte es nie sein: Wer umverteilen will, kritisiert den Kapitalismus mit den kleinstmöglichen Mitteln. Die Idee der Umverteilung gebiert automatisch die Zwillinge „gerechter Lohn“ und „fairer Preis“ – Dinge, die etwa so logisch und rational sind wie ein weiblicher Papst oder vegetarisches Gulasch.

Die „Tagesschau“ verblödete die Rezipienten jüngst mit der Überschrift „Euro-Schulden-Krise.“ Der Euro kriselt aber gar nicht, und wer hat hier bei wem Schulden – und warum? Dazu müssen wir uns heute leider damit beschäftigen, wie Banken im Kapitalismus funktionieren. Das hört sich dröge an, und der Text ist auch länger als 140 Zeichen, aber die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser sollten nach der Lektüre mehr über das System wissen, das wir alle lieben und verehrenTM und das es auch noch kurz vor der Apokalpyse genau so wie heute geben wird.

Stellen wir uns ganz dumm und einen Staat vor, der einen Haufen Schulden hat. Die Gläubiger haben also diesem Staat etwas geliehen – Geld, für das der Staat Zinsen zahlen muss (sonst würde ihm ja niemand etwas leihen). Man nennt das Anleihen oder auch Obligationen – also eine Art Schuldschein, dessen Wert dem Gäubiger nach einer festgelegten Frist zurückgezahlt werden muss.

Stellen wir uns weiter vor, dieser Staat hätte mit dem geliehenen Geld nicht irgendetwas getan, damit er so viel mehr einnimmt, um seine Schulden – und die Zinsen – zurückzahlen zu können. Ganz im Gegenteil: Seine Einnahmen (etwa aus Steuern) hätten sich weiter verringert. Es ist also nichts da, um die Anleihen zurückzuzahlen, und es muss noch mehr her.

Wie löst man das Problem? Ganz einfach: Der Staat leiht sich noch mehr Geld, mit anderen Worten: Er gibt noch mehr Staatsanleihen aus. So kann man eine ganze Weile wirtschaften.

Irgendwann aber kommen Herr Charles Ponzi und die Mathematik ins Spiel. Diese Methode, an Geld und immer mehr Geld zu kommen, nennt man „Schneeballsystem“. Die Zahl derjenigen, die dem Staat Geld leihen können und auch deren Geldmenge ist nicht eine liegene Acht, sondern endlich. Deshalb bricht alles irgendwann zusammen, und die Letzten beißen die Hunde.

Bei den Euro-Staatsanleihen oder „Euro Bonds“ kommt noch etwas hinzu. Die Banken, die dem Staat Geld leihen, haben ein Privileg: Ihre „Schuldscheine“ oder die „Staats-Obligationen“ sind notenbankfähig, das heisst: Sie können diese Euro Bonds bei der Europäischen Zentralbank (EZB) als „Sicherheit“ hinterlegen. Sie kriegen also immer Geld, weil letztlich die EZB für die Schulder der Staaten den Kopf hinhalten muss. Das nennt man ein Repo-Geschäft; es funktioniert ungefähr so wie eine Vollkasko-Versicherung.

Jeder Mensch, den die Evolution mit einem Gehirn ausgestattet hat, fragt sich natürlich: Warum muss der Staat, wenn er sich Geld leihen will, den Umweg über die Banken gehen und kann sich nicht direkt Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen – wenn es doch im Ergebnis auf dasselbe hinausläuft? Ganz einfach: Das ist laut Artikel 123 („Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“) verboten. Die Deutschen wollten es so. Im Piraten-Wiki heisst es ganz richtig: „Art. 123(1) ist ein Ermächtigungsgesetz für die Banken. Es macht den Staat in einseitiger Weise vom Wohlwollen der Banken und der Anleihemärkte abhängig.“

Werner Heine, Ex-Redakteur der konkret, schreibt:
Das war der Gründungsfehler der Währungsunion: Weil die Deutschen Angst vor der haushaltspolitischen Unzuverlässigkeit der Partnerländer hatten, setzten sie durch, daß die gemeinsame Zentralbank keine direkte Staatsfinanzierung betreiben können sollte. Deshalb stellt die EZB das benötigte Kreditvolumen ausgewählten Banken in Europa zur Verfügung, die es dann an die einzelnen Länder weiterreicen, zu einem Zinssatz, der sich in einem Versteigerungsverfahren ergbt: Die kreditsuchenden Staaten bieten ihre Anleihepakete [ihre Schulden, B.S.] den Banken an und verlaufen zum günstigsten offerierten Zinssatz. (Werner Heine: „Paradise now? Über den Charakter der gegenwärtigen Krise“, in: in: Hermann L. Gremliza (Hg.): „No way out? 14 Versuche, die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise zu verstehen“, S. 67)

Das nennt man „Notenbankzinssatz“, ein zusätzliches Geldgeschenk an die Banken. Das Ergebnis: Deutschland verkauft seine Anleihen, auch bekannt als Staatsschulden, zu günstigen Zinsen, die Griechen werden sie gar nicht mehr los. Griechenland darf also keine Kettenbriefe mehr verschicken und am Schnellballsystem des Schuldenmachens nicht mehr teilnehmen.

Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser werden sich besorgt fragen: Können sich denn die nationalen Banken unbegrenzt lange Geld leihen und in beliebiger Höhe? Nein, es gibt so genannte „Eigenkapitalregeln“- also ein bestimmtes Verhältnis zwischem „eigenem“ und „ausgeliehenem“ Geld. Bis 2009 war es anders: Nach der damals gültigen „Richtlinie über Eigenkapitalanforderungen“ (auch „Basel II“ genannt) brauchten die Banken gar kein eigenes Geld, sondern durften dem Staat munter leihen, was sie wollten und dafür die Zinsen einstreichen.

Wohlstand

Das ist natürlich nicht etwas, was man als „seriös“ bezeichnen würde. Sogar die verbohrtesten bürgerlichen „Volks“wirtschaftler und Apologeten der so genannten „Freien Marktwirtschaft“ ahnten, dass man für den Fall der Fälle – den Staatsbankrott – etwas vorsorgen musste. Also schönheitsoperierte und „reformierte“ man ein bisschen hin und her und nannte das Ergebnis „Basel III„, im affirmativen Bürokraten-Nominalstil „Verbesserung der Risikodeckung“.

Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung formuliert in ihrer Studie „Anspruch und Wirklichkeit der Finanzmarktreform“ unfreiwillig komisch:
Neben der Forderung nach höheren Eigenkapitalanforderungen für systemrelevante Finanzinstitute vereinbarte die G20 in ihrer Pittsburgh-Erklärung, dass systemrelevante Finanzinstitute für den Fall einer Pleite Pläne zur geordneten Abwicklung vorhalten müssen.

„Systemrelevante“ Finanzinstitute: Besser hätte das Anshu Jain auch nicht sagen können. Um mal Klartext zu reden: Das sind diejenigen Banken, die am so genannten „Primary-Dealer-System“ teilnehmen. Diese Finanzunternehmen müssen dem Staat eine bestimmte Menge seiner Schulden – also known as Staatsanleihen abkaufen – und das nach einem vorher festgelegten Zinssatz. Nicht sehr „frei marktwirtschaftlich“, möchte man einwerfen. Zu recht, denn der Staat sorgt zwangsweise für eine Mindestnachfrage für den Kauf seiner Schulden. Da aber die Banken an den Zinsen satt verdienen und wegen der Vollkasko-Versicherung bei der EZB meckern sie nicht allzusehr.

Jetzt haben die europäischen Banken aber ein Problem: Woher sollen sie denn das geforderte eigene Geld – im Volkswirtschaftssprech „Eigenkapital“ – nehmen? Es handelt sich bei der „Eigenkapitallücke“ immerhin geschätzt um schlappe eine Billion Euro!

Nach Basel III schwand zudem das Motiv, immer mehr und immer öfter Staatsschulden aufzukaufen, da die Banken eine Gegenleistung in Form von Eigenkapital bringen müssten. Nach Adam Riese oder wem auch immer traf ein erhöhtes Angebot aufzukaufender Staatsschulden auf eine verminderte Nachfrage. Die Anleihekurse für Euro-Bonds sinken also.

Wir wären nicht im Kapitalismus, wenn jetzt noch zusätzlich ein bisschen mit heißer Luft gepokert und gewettet würde: Es gibt einen Unterschied zwischen Zins und Rendite bei Staatsanleihen. Die Zinsen, die der Staat den Banken zahlt – der so genannte Coupon– , sind festgelegt, bis die Schulden zurückgezahlt werden (am Sankt Nimmerleinstag). Die Rendite ist der aktuelle Wert der „Schuldscheine“ am Finanzmarkt. Ich könnte also darauf wetten, dass die Zinsen, die Staaten für das Geld zahlen müssen, die ihnen die Banken geliehen haben, steigen oder fallen, und damit Geld verdienen. Das ist ungefähr so sinnvoll wie eine Abgabe an die GEMA, wenn man „Ihr Kinderlein kommet“ auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt singt.

Wenn uns jemand in die Geschäftsbücher der Banken schauen ließe und wenn es in den Mainstream-Medien Deutschlands Journalisten gäbe, die von Ökonomie mehr verstünden als ein beliebiger Klippschüler, dann würde die Öffentlichkeit aufhorchen. Würden die Banken „die in ihrem Besitz befindlichen Papiere zu ihrem derzeitigen Marktwert bilanzieren müssen (wozu sie nur gezwungen sind, wenn sie vorzeitig verkaufen) wären sie alle pleite.“ (Stefan Frank: „Von Ponzi bis Pilatus“, in konkret 8/2012)

Jetzt bekommt das hübsch zweideutige Wort „systemrelevant“ einen ganz eigenen, typisch kapitalistischen Geschmack: Ginge der Staat pleite, wären auch die „systemrelevanten“ Banken bankrott. Wer hätte das gedacht!

Wohlstand

Wir nähern uns mit großen intellektuellen Schritten der aktuellen Krise der europäischen Staatsfinanzen (die aber nur eine Teilmenge der systemischen Überakkumulationskrise seit 2007 ist – doch dazu ein anderes Mal).

Deutschland ist bekanntlich der größte Exporteur in Europa. Was geschähe, wenn zum Beispiel Griechenland aus der Europäischen Union austräte und die Drachme wieder einführte? Die Zeit, die des Linksextremismus ganz unverdächtig und dem Marxschen Gedankengut abhold ist, schreibt im Januar 2012:
Laut dem gerade veröffentlichten Rüstungsexportbericht 2010 sind die Griechen nach den Portugiesen – auch ein Staat kurz vor der Pleite – die größten Abnehmer deutscher Kriegswaffen. Spanische und griechische Zeitungen verbreiteten gar das Gerücht, Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hätten Griechenlands Ex-Premier Giorgos Papandreou noch Ende Oktober am Rande eines Gipfeltreffens daran erinnert, bestehende Rüstungsaufträge zu erfüllen oder gar neue abzuschließen.

Nach einem Austritt Griechenlands oder dem Zerfall der Union würde das deutsche Kapital weit weniger Profite machen, da die Landeswährungen abgewertet würden. Es wäre genauso wie das Verhältnis zwischen Dollar und Euro. Ein schwacher Euro ist gut für den Export: „European companies are rubbing their hands at the sales boost they should get from the euro’s 10% decline against the greenback in recent weeks“.

Das heißt: Die deutschen Kapitalisten müssen alles dafür tun, dass Exporte des Ausland nach Deutschland nicht billiger werden. Ein vernünftig denkender deutscher Kapitalist muss die Europäische Union und den Euro auf jeden Preis erhalten wollen. Merkel handelt dementsprechend – sie verhält sich zum Kapital etwa wie Mappus zu Morgan Stanley. Es ist vergleichbar, nur ein paar Nummern größer. Ob das funktieren kann, kriegen wir später.

Das Wort zum Sonntag ist viel zu lang geworden. Vielleicht sollte ich morgen doch wieder Fotos posten, irgendetwas aus dem Dschungel und dem dortigen unerbittlichen Kampf ums Dasein und ums Überleben.

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Kommentare

25 Kommentare zu “Unter Schnellballsystemikern und Couponschneidern”

  1. Ano Nym am August 4th, 2012 9:26 pm

    Die Zahl derjenigen, die dem Staat Geld leihen können und auch deren Geldmenge ist nicht eine liegene Acht, sondern endlich.

    Die Geldmenge ist zu jedem Zeitpunkt endlich, die von morgen ist aber nicht durch die von heute beschränkt. Es findet nämlich sog. Geldschöpfung statt. Wer alles Geld schöpfen kann, findet man bei der Deutschen Bundesbank.

    Deshalb bricht alles irgendwann zusammen, und die Letzten beißen die Hunde.

    Die Praxis, im Ergebnis niemals rückzahlbare Staatsschulden zu machen, ist kein Ponzi-Schema. Wenn einem Staat die Refinanzierung (sozusagen der Anschlusskredit) nicht oder nicht zu den Konditionen, die er sich wünscht (<7%), möglich ist, sind dafür Willensentscheidungen der Kreditgeber verantwortlich. Es ist also gerade nicht so wie beim Schneeballsystem, wo die Zahl verfügbarer Teilnehmer physisch erschöpft ist. Vielmehr ist es so, dass die potenziellen Kreditgeber entsprechend ihrer Risikoeinschätzung/Gewinnerwartung eine Zinsforderung in den Raum stellen unterhalb derer sie nicht zur Eingehung des Kreditkontrakts bereit sind.

  2. Reichensteuer « Kritik und Kunst am August 5th, 2012 10:13 am

    […] Burks sagt wieder mal, wie’s ist. Eben, Ponzi! Trommelt auch dieser Blog seit Jahren. Wer glaubt, die Krise der Staatsfinanzen, in […]

  3. hartmut am August 5th, 2012 10:25 am

    „Die Praxis, im Ergebnis niemals rückzahlbare Staatsschulden zu machen, ist kein Ponzi-Schema. “ Irgendwann ist auch bei Staatsschulden der point of no return erreicht; d.h. es finden sich dann tatsächlich keine neuen Gläubiger, weil die Summe, die geliehen werden muss, zu groß ist. dann gibts nur noch: Währungsschnitt oder Schulden weginflationieren (was man kalten Währungsschnitt nennen könnte) oder sonstwie ein Schuldenschnitt. Diesen ponR dürften wir demnächst erreichen, was bedeutet: schnell noch abschmeißen, die schlechten Karten, um nicht auf ihnen sitzen zu bleiben. Griechenlands Staatsschulden dürften schon so gut wie vergesellschaftet sein.

  4. hartmut am August 5th, 2012 10:27 am

    und ergänzend: auch bei allen bisher bekannt gewordenen Schneeballsystemen gings nie bis zum bitteren Ende (=es war dann wirklich keiner mehr da, der noch hätte zahlen können), sondern das Ponzi-Schema brach viel früher – eben „durch Willensentscheidung“ der um Geld angegangenen – zusammen.

  5. admin am August 5th, 2012 10:50 am

    Das es „bis zum Ende“ geht, ist ja nur theoretisch. Ich meine: nach der Umverteilung und dem Platzen des Blase geht es wieder von vorn los.

  6. hartmut am August 5th, 2012 11:22 am

    @ admin: das sowieso … denn die mehrheit lernts nicht, und schuld werden somit diesesmal na klar die faulen griechen sein, die „uns“ bekanntlich die haare vom kopp jäfrässn ham…

  7. Ano Nym am August 5th, 2012 4:53 pm

    @hartmut:

    weil die Summe, die geliehen werden muss, zu groß ist.

    „zu groß“ gemessen woran? Ponzi-Schemata haben die Eigenschaft, dass die Anzahl der erforderlichen Systemteilnehmer die Zahl der physisch verfügbaren Teilnehmer ab einem sogar berechenbaren Zeitpunkt übersteigt. Das ist ein materielles Maß, dass nicht vom Wollen der Teilnehmer abhängt, eine „physikalische“ Grenze.

    Eine solche physikalische Grenze gibt es bei Zinsgeschäften gerade nicht.

  8. Ano Nym am August 5th, 2012 4:55 pm

    @hartmut:

    auch bei allen bisher bekannt gewordenen Schneeballsystemen gings nie bis zum bitteren Ende (=es war dann wirklich keiner mehr da, der noch hätte zahlen können), sondern das Ponzi-Schema brach viel früher – eben “durch Willensentscheidung” der um Geld angegangenen – zusammen.

    Die phyische Grenze ist eine obere Schranke. Dass Leute schon nicht mehr einsteigen, wenn sie vor Augen haben, dass ihr gesamtes Umfeld bereits im Geschäft ist, widerspricht dem nicht.

  9. hartmut am August 5th, 2012 7:55 pm

    @ ano nym – und auch bei Staatsschulden gibt es eine oberste Grenze – die nämlich, dass die Wirtschaftskraft eines landes irgendwann nicht einmal mehr den schuldendienst leisten kann, also Zins und Tilgung die jahresleistung der Volkswirtschaft überschreiten (de facto ists viel früher zuende;etwa dann, wenn die Sozialleistungen derart gekürzt werden müssen, dass dir die gesellschaft um die Ohren fliegt etcetc). burks liegt also richtig, dein Gegenargument funzt nicht.

  10. hartmut am August 5th, 2012 8:03 pm

    und ergänzend: Natürlich kann man die fällige Pleite dann durch virtuelle Tricks immer weiter hinauszögern, natürlich kann man den Laden irgendwie weiter am laufen halten, obwohl er real längst pleite ist (real ist nicht nur zB Griechenland, sondern auch Deutschland längst jenseits des Point od no return). das wäre dann so, als wenn ich, um das Ponzi-Spiel weiter spielen zu können, virtuell neue, realitär gar nicht vorhamndene Personen erfände und sie mitspielen ließe mit gedrucktem Geld. Solange alle an den Wert dieses neuen Geldes glauben, könnte man also auch ein Ponzi-Spiel beliebig weiterspielen.

  11. Ano Nym am August 5th, 2012 8:52 pm

    @ ano nym – und auch bei Staatsschulden gibt es eine oberste Grenze – die nämlich, dass die Wirtschaftskraft eines landes irgendwann nicht einmal mehr den schuldendienst leisten kann,

    Der Schuldendienst wird aus dem Staatshaushalt bestritten und dieser wird aus zwei Quellen gespeist: 1. Steuern, 2. Neuverschuldung. Beide haben keine natürliche physikalische Grenze.

    Mein Einwand besteht fort, Burks liegt immer noch falsch.

  12. Ano Nym am August 5th, 2012 9:07 pm

    @hartmut:

    Natürlich kann man die fällige Pleite

    Was verstehen Sie unter Pleite? Ich verstehe darunter Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) oder bilanzielle Überschuldung. Wie ein Staat, der nicht bilanziert, bilanziell überschuldet sein kann leuchtet mir nicht ein. Und wie ein Staat mit freier eigener Geldschöpfung insolvent werden kann auch nicht.

    Wenn sie also bei Griechenland eine Staatspleite feststellen, muss das darin liegen, dass eine der o.g. Voraussetzungen nicht (mehr) gilt.

  13. hartmut am August 5th, 2012 10:01 pm

    @ ano nym: „Und wie ein Staat mit freier eigener Geldschöpfung insolvent werden kann auch nicht.“

    Dann kann ein Staat indeed nie pleite gehen (es sei denn, die welt hört auf, an die Mächtigkeit der eigenen freien Geldschöpfung zu glauben). Ein Ponzi-Spieler, der virtuell immer neue Spieler erfindet, wie von mir dargetan aber eben auch nicht. Ergo = no difference, ergo = burks hat Recht, denn irgendwann wird man aufhören, an die Mächtigkeit der Geldschöpfung aka des neuen Ponzi-Spielers zu glauben. Und genau dann bricht die Konstruktion in sich zusammen.

  14. hartmut am August 5th, 2012 10:03 pm

    anbei:

    „Der Schuldendienst wird aus dem Staatshaushalt bestritten und dieser wird aus zwei Quellen gespeist: 1. Steuern, 2. Neuverschuldung. Beide haben keine natürliche physikalische Grenze. “

    dass Steuern keine physikalische Grenze haben, ähem, das war jetzt n Eigentor, oder?

  15. hartmut am August 5th, 2012 10:08 pm

    und doppelt ergänzend: „Der Schuldendienst wird aus dem Staatshaushalt bestritten und dieser wird aus zwei Quellen gespeist: 1. Steuern, 2. Neuverschuldung. Beide haben keine natürliche physikalische Grenze.“

    da es immer nur endlich viele menschen=endlich viele Gläubiger gibt hat auch die neuverschuldung eine physikalische Grenze.

    Mir schon klar, dass die Keyensianer/Linksliberalen a la nachdenkseiten/spiegelfechter Eurobonds gerne hätten. Ich bleibe dabei: Es wäre bloß eine Verlängerung der Qual!

  16. Ano Nym am August 6th, 2012 8:46 am

    @hartmut:

    da es immer nur endlich viele menschen=endlich viele Gläubiger gibt hat auch die neuverschuldung eine physikalische Grenze.

    Diese Aussage ist falsch. Ich werde dies mittels reductio ad absurdum zeigen:

    Nehmen wir daher an, Sie hätten Recht und es gäbe tatsächlich eine (physikalische, aber darauf kommt es auch nicht) Grenze für die Neuverschuldung des Bundes. Diese sei N. Der konkrete Wert von N ist bedeutungslos (aber natürlich „endlich“).

    Nehmen wir nun an, der Bundesfinanzminister bestellt am 20. Dezember 2012 beim Schreibwarengeschäft neben dem Minsterium einen goldenen Füller zum Preis von 100 € und vereinbart einen Lieferantenkredit, so dass erst 2013 gezahlt wird. Gibt es irgendeine physikalische Grenze, die dieses Geschäft verhindert? (Ich sehe keine).

    Anlässlich der Unterzeichnung eines Abkommens wird der Füller am 21. Dezember dem Staatsgast unentgeltlich überlassen. Keine (physikalische) Grenze hindert den Finanzminister, das Vermögen des Bundes zu verschenken.

    Ergebnis: Die Neuverschuldung beträgt nun N + 100. Das steht im Widerspruch zur Prämisse, dass eine (physikalische) Grenze für die Neuverschuldung existiert. Daraus folgt: Diese Annahme ist falsch.

  17. Ano Nym am August 6th, 2012 8:59 am

    @hartmut:

    Dann kann ein Staat indeed nie pleite gehen

    Im Prinzip ist das so.

    (es sei denn, die welt hört auf, an die Mächtigkeit der eigenen freien Geldschöpfung zu glauben).

    Ums Glauben geht es nicht, sondern ums tun. Es gibt tatsächlich einige Regeln (also staatengemachte Normen), die der freien Geldschöpfung der Staaten Grenzen setzen. Aber Verhaltensregeln sind keine physikalischen Grenzen.

    Ein Ponzi-Spieler, der virtuell immer neue Spieler erfindet, wie von mir dargetan aber eben auch nicht.

    Ein Ponzi-Spieler braucht reale Spieler, keine virtuellen. Er stößt an reale Grenzen, nicht an virtuelle.

    Wenn jemand keinen Reis mehr bekommt, weil kein Reis mehr da ist, ist von der Situation zu unterscheiden, in der genügend Reis da ist, er aber nicht genügend Geld hat, um den Reis zu kaufen.

  18. Ano Nym am August 6th, 2012 9:03 am

    @hartmut:

    dass Steuern keine physikalische Grenze haben, ähem, das war jetzt n Eigentor, oder?

    Worin soll die physikalische Grenze der Besteuerung bestehen? Können Sie das erklären? Meinen Sie damit die feste Anzahl von Kästchen in den Formularen des Steuererklärung oder wie soll ich mit das vorstellen?

  19. hartmut am August 6th, 2012 10:28 am

    Hallo ano nym,

    ich zeigte ja in meiner analyse des ponzi-spiels, dass auch ein ponzi-spiel mithilfe „fiktiver“ neuer mitspieler tatsächlich ins beliebige fort getrieben werden kann. ich erfinde einfach die virtuelle figur horst peemöller, drucke ihm nen hundert-euro-schein, und schon darf er mitspielen. das funktioniert so lange, solange die mitspieler an das neue geld glauben.

    natürlich kann ich auf dem papier zwar eine endliche, aber beliebig hohe summe verleihen oder leihen.

    unter der maßgabe, dass die kaufkraft erhalten bleibt (natürlich kann ich die schulden weginfaltionieren) gibt es eben doch eine (physikalische oder wie auch immer) reale schuldengrenze für eine volkswirtschaft. sie ist erreicht, wenn der schuldendienst nicht mehr geleistet werden kann (oder nur um den preis von kaufkraftverlust). dass man die qual mit hilfe von buchungstricks (ihr füllerbeispiel) immer weiter strecken kann ist schon klar – irgend wann aber kracht jedes ponzi-spiel.

  20. Ano Nym am August 6th, 2012 1:38 pm

    ich zeigte ja in meiner analyse des ponzi-spiels, dass auch ein ponzi-spiel mithilfe “fiktiver” neuer mitspieler tatsächlich ins beliebige fort getrieben werden kann.

    Das ist aber doch nicht der Punkt, um den es sich hier dreht. Das Ziel von Ponzi-Veranstaltern ist ja nicht, das Spiel endlos zu spielen, sondern maximalen Profit zu machen. Den Ponzi-Veranstaltern ist bekannt, dass das Spiel endlich ist und es würde ihrem Ziel nicht dienen, fiktive Mitspieler zu erfinden, die mit ebenso fiktivem Geld mitspielen. Die wollen nicht nur spielen.

    Der Punkt ist bei der Staatsverschuldung, Zitat:

    „Wie löst man das Problem? Ganz einfach: Der Staat leiht sich noch mehr Geld, mit anderen Worten: Er gibt noch mehr Staatsanleihen aus. So kann man eine ganze Weile wirtschaften.

    Irgendwann aber kommen Herr Charles Ponzi und die
    Mathematik ins Spiel.”

    dass eben der Herr Ponzi gerade nicht ins Spiel kommt, schon weil der Veranstalter der Staatsschulden nicht mit der Prämisse sein „Spiel“ betreibt wie der Betreiber eines Ponzi-Spiels. Der Veranstalter der Staatsschulden will nicht das Geld, das er selbst schöpfen könnte, hätte er es nicht an Banken delegiert, sondern der will die Arbeitskraft des Volkes maximiert zum Einsatz bringen.

    Und das geht im Kapitalismus weder mit insolventen Banken noch ohne Banken.

    natürlich kann ich auf dem papier zwar eine endliche, aber beliebig hohe summe verleihen oder leihen.

    Da schwingt so etwas von bissgeprüften Goldstücken in einem kleinen Lederbeutelchen mit, die sie für das wahre Geld halten. Sie können natürlich nur Geld verleihen, dass Sie haben, denn Sie sind keine Bank.

    unter der maßgabe, dass die kaufkraft erhalten bleibt

    Das ist – wie Sie zurecht schreiben – eine Maßgabe. Das ist ein Willensakt. Willensakte stellen aber keine physikalische Beschränkung dar.

    gibt es eben doch eine (physikalische oder wie auch immer) reale schuldengrenze für eine volkswirtschaft. sie ist erreicht, wenn der schuldendienst nicht mehr geleistet werden kann (oder nur um den preis von kaufkraftverlust).

    Da verdrehen Sie etwas. Der Schuldendienst kann deshalb nicht mehr geleistet werden, weil die für die Refinanzierung auserkorenen Marktteilnehmer die Refinanzierung verweigern. Das sind Willensakte. Da stößt niemand an eine „reale Schuldengrenze“. Denn die mit der Refinanzierung betrauten Akteure prüfen bei ihrer Willensentscheidung überhaupt nicht, ob die Maßgabe des Kaufkrafterhalts eingehalten oder verletzt wird.

    Um die Einhaltung der Maßgabe kümmert sich die EZB. Passend dazu: http://www.youtube.com/watch?v=hoq2kKZkkHo

    dass man die qual mit hilfe von buchungstricks (ihr füllerbeispiel) immer weiter strecken kann ist schon klar – irgend wann aber kracht jedes ponzi-spiel.

    Das Füllerbeispiel ist kein Buchungstrick, und der Staatshaushalt bleibt kein Ponzi-Spiel.

  21. hartmut am August 6th, 2012 3:21 pm

    “ Das sind Willensakte. Da stößt niemand an eine “reale Schuldengrenze”. “

    Wenn der Schuldner nicht mehr realisieren kann, also niemanden mehr findet, der ihm die Staatspapiere abnimmt, dann bricht das Staatsschuldenspiel eben genau so zusammen wie ein Ponzi-Spiel. Und irgendwann wird der betreffende realisieren wollen, etwa weil er das Stück Papier mit ein paar lustigen zahlen drauf in etwas handfestes, ein Auto, ein haus o.ä. verwandeln möchte.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Wechselreiterei siehe auch Mefo-Wechsel.

    Ich habe auch empirisch recht: Bis jetzt sind Staatsschulden noch immer mithilfe eines offenen oder verdeckten crashs entsorgt worden. seien das die Schulden des ancien regimes 1789, sei das die finanzierung des ersten und des zweiten weltkriegsw, sei das sonstwas. Sie werden auch diesmal entsorgt werden – die Zeche zahlt wie immer der kleine Mann – und dann gehts von vorne los. Ihre nachdenkseiten-Botschaft, im Prinzip könnten Staatsschulden immer weiter wachsen, es stünden dem ja auch Forderungen entgegen, höre ich wohl, allein mir fehlt der historische Glaube…

  22. Ano Nym am August 6th, 2012 4:04 pm

    @hartmut:

    ” Das sind Willensakte. Da stößt niemand an eine “reale Schuldengrenze”. ”

    Wenn der Schuldner nicht mehr realisieren kann, also niemanden mehr findet, der ihm die Staatspapiere abnimmt, dann bricht das Staatsschuldenspiel eben genau so zusammen wie ein Ponzi-Spiel.

    Er findet welche, das sind nämlich die selben, die die Refinanzierung bisher immer besorgt haben. Nur diese Leute wollen auf einmal nicht mehr. Das ist was völlig anderes als beim Ponzi-Schema, wo es wirklich keine neuen Teilnehmer mehr gibt.

    Und irgendwann wird der betreffende realisieren wollen, etwa weil er das Stück Papier mit ein paar lustigen zahlen drauf in etwas handfestes, ein Auto, ein haus o.ä. verwandeln möchte.

    Die Staatspapiere können jederzeit auf Märkten verkauft werden. Wo ist das Problem? Und wenn Sie eins haben, das 2025 fällig ist und Sie das nicht auf einem Markt verkaufen, sondern vom Emittenten Geld haben wollen, dann warten Sie halt bis 2025 und lassen sich das Geld für Ihr Auto im Ergebnis von dem geben, der 2025 nicht weiß, wohin er sein Geld parken soll.

  23. hartmut am August 6th, 2012 7:28 pm

    „Die Staatspapiere können jederzeit auf Märkten verkauft werden. “ Der war gut!

    Aber ich will mich nicht länger streiten. Auch Louis XVI. und Wilhelm II. haben geglaubt, das mit den Staatsfinanzen werde schon wieder, so irgendwie. Und eigentlich könne ein Staat ja nicht pleite gehen, so irgendwie.

  24. Der Euro ist eine bloße Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln oder: Schulz! : Burks' Blog am September 3rd, 2012 11:58 am

    […] Ich schrieb hier neulich: “Die deutschen Kapitalisten müssen alles dafür tun, dass Exporte des Ausland nach Deutschland nicht billiger werden. Ein vernünftig denkender deutscher Kapitalist muss die Europäische Union und den Euro auf jeden Preis erhalten wollen. Merkel handelt dementsprechend – sie verhält sich zum Kapital etwa wie Mappus zu Morgan Stanley. Es ist vergleichbar, nur ein paar Nummern größer.” […]

  25. Quantitative Easing : Burks' Blog am November 25th, 2013 3:56 pm

    […] den Bach runtergeht und/oder deren Banken sich selbst ruiniert haben? Über das System der Staatsanleihen ist hier schon alles, was nötig ist, geschrieben worden (“Unter Schnellballsystemikern und […]

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