Charming Little Town Backside

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„Neoliberal handelt der chinesische Staat, indem er die Versorgung von Kranken, Arbeitslosen und Rentnern ihren Familien überläßt, damit sie die Profitrate nicht in Mitleidenschaft ziehen und um die Familien zu zwingen, Wanderarbeiter abzustellen, die ihr Überleben gewährleisten. Der Kapitalismus müsse sich ’seinen Opfern widem, damit sie stillhalten‘, schrieb Paul Mattick, ‚aber das System wird diese Verlusten nur tragen‘, wenn die Produktivität genug Wert für die Kapitalakkumulation abwerfe. Werden die Profite ‚von den Kosten der Erhaltung der nicht-produktiven Bevölkerung aufgezehrt‘, höre ‚das Kapital auf, als Kapital zu fungieren.‘ Demzufolge wäre der Tod aller Rentner, Arbeitslosen und Kranken aus marktwirtschaftlicher Sicht ein Gewinn.“ (Rainer Trampert: Das neue Akkumulationsmodell, in: Hermann L. Gremliza (Hg.): „No way out? 14 Versuche, die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise zu verstehen“, S. 140)

Man muss sich eine „gemütliche“ Kleinstadt auch leisten können. In der charming little town Unna zum Beispiel gibt es kaum Wohnungen für arme Singles – „aber nur diese werden vom Jobcenter des Kreises Unna finanziert.“ Was machen also die, die aus dem kapitalistischen Arbeitsmarkt herausfallen (werden) oder eine nur kleine Rente haben?

Arme können sich die Preise in den Straßencafes und sonstigen Orten zum Chillen nicht leisten. Das kleinstädtischen Innenleben wird daher von der Mittelschicht geprägt und deren Kindern. Die anderen sieht man erst gar nicht. (Was eigentlich sagen die Piraten dazu? Wozu studieren wir die ehernen Gesetze des Kapitalismus, und wo soll das alles enden?)

Zahlreiche Läden in der Bahnhofstrasse Unna stehen leer – die Kleinbourgeoisie scheint in Schwierigkeiten zu sein. Kein Wunder. Dafür gibt vier „Bäckereien“ – Läden, die so genannte Backwaren verkaufen, die aber nach Pappe schmecken.

Dann doch lieber eine Currywurst, und die wird in einer (noch) reichen Kleinstadt wie Unna nicht auf Papptellern serviert, sondern auf Porzellan, das aber so aussieht wie die Pappe, in der in Berlin die Wurst zu liegen hat (ich hätte das gute Stück beinahe in den Mülleimer geworfen – zum Glück fiel mir auf, dass es ungewohnt schwer war).

BTW altautonomer: Where is the fucking Bahnhofskiosk?

Unna

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Kommentare

7 Kommentare zu “Charming Little Town Backside”

  1. happy aua am Juli 5th, 2012 7:57 pm

    Currywurst geschnitten, oh Gott.
    Ich beiße lieber selbst ab.
    Wenn man den Leuten am Kiosk sagt, man will sie nicht geschnitten sondern ganz, überfordert das die meisten.

  2. Messdiener am Juli 6th, 2012 6:14 am

    Hi Burki,
    Fleisch oder Wurst essen geht gar nicht. Die Schweine in Europa werden alle mit Gensoja gemästet. Für die Produktion des Gensojas werden in Südamerika Kleinbauern vertrieben und in Paraguay Regierungen gestürzt. Letzeres findet Bundesminister Niebel nicht tragisch.

    Schlage vor, du wechselst zu den Rohköstlern. Rohkost macht lustig. ;-)

  3. ... der Trittbrettschreiber am Juli 6th, 2012 6:14 am

    Cürri-Wurst-Essen ist die Urform der verbalen Kommunikation.
    Sämtliche Muskeln und Nerven, die auch beim elaborierten Sprechen zum Einsatz kommen, sind auch beim Kauen der Cürriwurst in Aktion.
    Betrachten wir die Haltung, in der überwiegend totes Fleisch Speisende im Ruhrpott dieses längliche und für viele kulturell noch nicht so weit Entwickelte ekelig anmutende Surrogat der industriellen Schweinemast vertilgen.
    Meist stehen die vom Konglomerat der pulvrig quatschig schmierig scharfen Zutaten gustatorisch überforderten und paralysierten Personen schweigend in Guppen um einen runden Tisch.
    Lippen bewegen sich in äquilibristisch meisterhaften Formationen und Unterkiefer auf und ab. In den Momenten, in denen die Mandibel-Aktivitäten aussetzen, stochern die im Fressrausch Willenlosen mit Plastik- oder Holzspießchen in dieser rotgelben Version dessen herum, was später auch nicht viel anders aussehen wird.
    Wenn man als Beobachter Glück hat, wird man sogar Zeuge von archaischen Stammhirn-Aktivitäten, denen sich Cürriwurstessende nicht erwehren können. Sie stieren ihren koabhängigen Mittessenden auf die Pappschale. Die Cürriwurst (sie muss so geschrieben werden, denn so klingt sie, wenn die Ureinwohner von z.B. Unna sie benennen) ist nicht nur die von den hartherzlich ehrlichen Ruhrpottlern materialisierte Antwort auf Freud, dessen phallische und kastrationsangstschürende Angebote zur Lebensbewältigung sicher in so mancher Frittenküche heiß diskutiert und schließlich als gegessen angesehen wurden, nein, sie ist auch olympisch.
    Wer Cürriwurst ißt, ist ehrgeizig und siegesorientiert. Alles muss erledigt werden. Razzeputz alles muss vom Tisch bzw. aus der Schale. Die Wurst, die Soße und… der Nachbar. Denn der könnte die nächste und vielleicht letzte auf dem Rost schmorende Kulinarität ad hoc bestellen. Hier beginnt die Evolution des Kauwerkzeugs zum Sprachwerkzeug. „`Hömma Kurt, schmeckt dir die Cürriwurst heute auch wieder so scheiße wie mir?“‚ „`Nee, mmmpf, eigentlich wie immer.“‚“‚Na sach ich doch, richtig scheiße. Bei Mertens gips bessere.“‚
    So konversiert es sich noch eine Weile, bis einer aufgibt und zahlt. Dann ist der Weg frei. The winner takes it all. „`Ernaaa? Machst mir noch eine?“‚

  4. fosca am Juli 6th, 2012 8:27 am

    das ist genau was mich tierisch aufregt. da geht man zum metzger seines vertrauens um kleinbetriebe zu unterstützen und weils besser schmeckt. Statt das der metzger seine brötchen beim manchmal noch nicht durch backfuck-industriebäcker verdrängten handwerksbäcker nebenan kauft, klebt er seine manufaktur-wurst auf zu tode erschreckte massenaufbackteigklößchen. würg

  5. altautonomer am Juli 6th, 2012 8:47 am

    Burkhard: Als ich vor wenigen Wochen -vor meinem Urlaub im Karwendel- wie immer am Wochenende in Unna weilte, befand sich der Zeitungskiosk wegen der Umbauarbeiten längerfristig nicht im Hauptgebäude, sondern noch in einem Container weiter östlich hinter dem angrenzenden Busbahnhof.

  6. altautonomer am Juli 6th, 2012 10:15 am

    Messdiener: Currywurst, dass ist doch das Zeug, das nach Feierabend beim Fegen der Wurstküche in den Darm kommt. Sieht deshalb auch innen aus, wie schon mal gegessen.

  7. Messdiener am Juli 6th, 2012 4:19 pm

    Altautonomer: das mag so sein. Dennoch, wer Currywurst ist, gehört zu den Fußtruppen südamerikanischen Großgrundbesitzer.

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