Platz mit Zukunft und im Angedenken an die Revolutionären Sozialisten Deutschlands

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Rixdorf, auch bekannt als Berlin-Neukölln, verändert sich. Viele Studenten zogen in die billigen Wohnungen in Deutsch-Rixdorf, und die erste Kneipe für junge Leute, die B-Lage, ist heute fast immer proppenvoll und ein Magnet für Alternativ-Touristen.

Mein gegenwärtiger Lieblingsort, um die Veränderung zu verfolgen, ist der Siegfried-Aufhäuser-Platz direkt an der S-Bahn-Station Sonnenallee – früher (also noch vor fünf Jahren) ein zu vernachlässigendes Emsemble von landweiligen Miethäusern und ein paar heruntergekommenen Eckkneipen des alten Proletariats.

Übrigens (das wusste ich nicht): Siegfried Aufhäuser war ein Berliner Politiker und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme flüchtete er nach einigen Verhaftungen über Saarbrücken nach Prag, arbeitete dort im Rahmen der SoPaDe und gilt innerhalb dieser Organisation als Anhänger des Volksfrontgedanken, also des Zusammenschlusses mit den Sozialisten kommunistischer Prägung gegen Hitlerdeutschland. Innerhalb der SoPaDe war dieser Gedanke nicht mehrheitsfähig, 1935 wurde Aufhäuser zusammen mit Karl Böchel aus dem Vorstand ausgeschlossen und gründete gemeinsam mit diesem die Revolutionären Sozialisten Deutschlands (RSD). Im Dezember 1936 unterzeichnete er den Aufruf an das deutsche Volk des „Volksfrontausschusses“ in Paris, der als Lutetia-Kreis bekannt wurde.

Ein sympathischer Mensch also und Sozialdemokrat alter Schule, die es heute nicht mehr gibt. Welcher SPD-Mensch würde sich trauen, eine Gruppe „Revolutionären Sozialisten Deutschlands“ zu gründen oder gar mit der Linken eine „Volksfront“ zu initiieren? Heute kungeln die karrieregeilen Apparatschiks und Volksverräter von der SPD lieber mit der CDU.

Doch ich schweife ab. Was braucht ein Platz in einer städtischen Gegend, die weitab von den normalen Touristenströmen liegt, um attraktiv und belebt zu sein? Die Ringbahn ist natürlich ein grosses Plus. Von hier her kommt man auch in der Nacht überall hin (wenn die S-Bahn fährt und nicht wieder grad kaputt ist). EC-Karten-Automat – ja! Bäckerei (damit morgens Laufkundschaft kommt), ein Kiosk, eine Dönerbude, die 24 Stunden geöffnet hat (Arbeitsmoral von Immigranten), jetzt schon zwei Cafés, die das Ambiente der neuen armen Mittelschichten (wir sind ja nicht in Schwaben) imitieren, aber dennoch das Lebensgefühl des Hausbesetzer-Milieus der achtziger Jahre zitieren (Stühle sind oft Einzelstücke vom Sperrmüll).

Neu sind Donuts (die gab es früher nicht) und WLAN. Neu ist auch, dass das Mobilar retro aussieht, aber ohne die Politik, die eigentlich früher dazugehörte. Das Mobiliar heutiger Studentenkneipen ist wie ein Palästinensertuch, ohne dass die TrägerInnen wüssten, wer die so genannten Palästinenser sind, oder wie ein Che-Guevara-Poster im Schlafzimmer eines Sparkassen-Filialleiters.

Ich prophezeie diesem vormals langweiligen Platz eine große Zukunft. Er wird bald noch belebter sein.

Siegfried-Aufhäuser-Platz
Karte: OpenStreetMap

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Kommentare

One Kommentar zu “Platz mit Zukunft und im Angedenken an die Revolutionären Sozialisten Deutschlands”

  1. #13/12 | neukoellner.net | Berlin-Neukölln am März 30th, 2012 8:31 am

    […] von Böhmisch Rixdorf ist der Siegfried-Aufhäuser-Platz. Burks’ Blog widmet diesem einen Artikel und prophezeit ihm eine aufwertende Entwicklung. Eine Entwicklung, die dieser Rentnerin vermutlich […]

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