Faschistische Ästhetik: Unter Lichtdomen und Riefenstählern

Die Salonfaschisten von der Jungen Freiheit lassen erfreulich deutlich die braune Sau raus:

Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin waren ein sportliches Großereignis, wie es noch keines gegeben hatte. Die Organisation war perfekt, die Ästhetik atemberaubend, der politische und kommerzielle Erfolg durchschlagend.

Dazu aus meinem Buch Nazis sind Pop (Kapitel. „Nazis und Populärkultur – warum schwarze Uniformen sexy und Lichtdome erhaben wirken“):

Popkultur bedeutet also, wenn ihr eine verständliche Synthese gelingt. Mehrere einander als fremd definierte Elemente können jedoch als Einheit bedeutungslos bleiben. Prinzipiell gilt im weltweiten Kapitalismus des 21. Jahrhunderts jedoch: Alles kann oder könnte mit allem kobiniert werden. Die klassische Bachsche Orgel mit traditionellen Instrumenten der indischen Sihks, die Malerei der australischen Aboriginals mit aztekischer Tempelkultur, „volkstümliches“ Jodeln mit der Pfeifkunst kanarischer Hirten.

Beinahe alles. Populärkultur kann nicht geschichtslos sein, denn sie wirkt aktiv an der Historie mit, sie erinnert, übersetzt Altes in neue Codes und mit Hilfe neuer Codes, sie konserviert Bedeutungen wie
ein Bernstein das prähistorische Insekt. Deshalb kann und darf niemand die Lichtdome der nationalsozialischen Parteitage mit Klezmer-Musik kombinieren, Leni Riefenstahls Fotografien afrikanischer „Natur“völker können, würden sie mit Bildern osteuropäischer Juden aus dem letzen Jahrhundert verknüpft, nie ihren historischen Kontext verleugnen, der sich vor allem mit der Biografie Riefenstahls eindeutig einstellt. Kunst ist nie Pop und Kultur ohne die Person des Künstlers. (…)


Den größten und medienwirksamen Erfolg erzielte „Rammstein“ aber durch ein Video zu ihrem Lied „Stripped“ [vgl. oben] : sie ließen Zitate aus Leni Riefenstahls Film über die Olympischen Spiele im Jahr 1936
montieren. Natürlich war das als Provokation gedacht, denn die Lichtdome Albert Speers, damals durch 150 Flakscheinwerfer gebildet, gelten in der kollektiven Erinnerung als nationalsozialistische Ästhetik par excellence. Leni Riefenstahl und ihre Methode, politische Inhalte mit den Stilmitteln säkularer Religionen zu vermitteln und somit bestimmte Formen der Popkultur zu antizipieren, ist vor allem deshalb problematisch, weil sie das leugnet, was den Kern ihrer Arbeit ausmacht: gruppendynamische Gefühle rituell einzuüben. Ein heutiges Skinhead-Konzert ist nichts anderes als die Bonsai-Ausgabe eines Reichsparteitages.

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Kommentare

One Kommentar zu “Faschistische Ästhetik: Unter Lichtdomen und Riefenstählern”

  1. Shivani am September 6th, 2011 1:39 pm

    Ja, die Wirkung von Ästhetik ist nicht zu unterschätzen. Schönes Blog, weiter so…
    http://shivanireutlingen.wordpress.com/2009/12/20/asthetik-wirkt-wie-schmerzmittel/

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