Holzwickede: Träumen vom Hilgenbaum und der Kornmuhme? (2)

Holzwickede

Schön, dass ich ein Blog habe. Die Westfälische Rundschau bringt heute eine halbe Seite ihres Lokalteils Holzwickede über mich, und ich musste bei einigen Sätzen schon heftig schlucken.

Nein, ich träume nicht nur von Holzwickede, wenn ich im Ausland bin (wie es dort steht). Das wäre ja fürchterlich.

Ich hatte dem jungen Kollegen erzählt: Bei langen Auslandsreisen verblassten die Träume von Berlin allmählich, aber es dauerte immer Wochen, bis ich anfing, von der Gegenwart – zum Beispiel in Südamerika – zu träumen. Stattdessen machten meine Träume eine Art Zeitreise, immer weiter zurück in die Kindheit, als sei das Unterbewusstsein noch nicht in der Lage, das real Erlebte zu verarbeiten.

Ich habe auch nicht mit meiner Mutter im Wohnzimmer gesessen und auf den Weltuntergang gewartet, den die Neuapostolischen erwarteten. Aber ganz falsch ist das nicht: Johann Gottfried Bischoff, der Chef der Sekte, genannt „Stammapostel“, hatte Weihnachten 1951 verkündet, dass er der letzte „Stammapostel“ sei. Jesus werde zu seinen Lebzeiten wiederkommen. Das ist natürlich eine klassische millenaristische Botschaft, die den ideologischen Gehalt derjenigen „adventistischen“ religiösen Gruppen ausmachen, die sich so von den christlichen Mainstream-Kirchen absetzen.

Wikipedia: „In der Folgezeit wurde diese Botschaft innerhalb der NAK immer bedeutsamer. Unter anderem wurden Aufnahmen in die NAK, die so genannten Versiegelungen, sowie Berufungen in die neuapostolischen Ämter ab September 1954 von der Annahme der Botschaft abhängig gemacht. Zahlreiche Gemeindeglieder und höchste Amtsträger widersetzten sich dem und wurden daraufhin ausgeschlossen. Von der der NAK wurden sie fortan als ‚Zweifler, Rechthaber und Eigenbrötler‘ bezeichnet. Sie gründeten zum Teil neue Gemeinschaften wie die Vereinigung Apostolischer Gemeinden. Prominenteste deutsche ‚Opfer‘ waren am 23. Januar 1955 der designierte und ordinierte Nachfolger des Stammapostels, der rheinische Bezirksapostel Peter Kuhlen, sowie seine zwei Mitapostel Dehmel und Dunkmann.“ Natürlich starb der Herr irgendwann.Hilgenbaum

In diesem Milieu bin ich groß geworden, und das hat auch meine Kindheit geprägt. Natürlich wissen die heutigen Sekten-Mitglieder davon nichts, zu einer kritischen Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Vergangenheit ist die NAK nicht in der Lage, geschweige denn zu ihrer schrecklichen Rolle im Nationalsozialismus.

Und nun zu uns, Hilgenbaum: „Östlich des alten Ortskernes stand früher eine uralte Eiche, die ihren Namen dadurch bekam, dass dort Nachrichtenzettel (Hilgen) angebracht wurden. Andere Quellen deuten den Namen als heiligen (=hilgen) Baum. Nachdem der historische alte Baum einem Feuer zum Opfer fiel, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts an (fast) gleicher Stelle ein neuer Baum gepflanzt. Er befindet sich auf der SO-Seite der Kreuzung Massener Straße/Goethestraße, während der erste Hilgenbaum den Unterlagen nach ‚auf der Kreuzung‘ stand.“

HolzwickedeHolzwickede

Nein, meine Großeltern hatten keinen Hof in Hengsen-Opherdicke, wie der Hellweger Anzeiger schreibt, sondern wohnten ganz normal in der Hengser Straße (wie ich gestern schon schrieb). Wenn mein Opa mit mir in den Hixterwald ging und wir an den Kornfeldern vorbewanderte, erzählte er mir von der „Kornmuhme„. Das sei eine alte Frau, die es besonders auf kleine Jungen abgesehen hatte, die in die Felder rennen wollten, um das Korn zu zertreten. Ich war damals ziemlich beeindruckt. („Häufig als altes, grauenerregend anzusehendes Weib, seltener in Mann- oder Tiergestalt streichen sie durch Getreidefelder und können unter Umständen dem Menschen gefährlich werden.“)

Die Emscherquelle im Hixterwald habe ich gestern nicht gefunden, obwohl ich als Kind an ihr gespielt habe. Vielleicht ist sie auch verschwunden: „Der Hixterwald beherbergt die historische, ursprüngliche Quelle der Emscher. (…) Besondere Bedeutung hat der Hixterwald als frühes Kohlerevier. Überall sind noch Zeugnisse des primitiven Bergbaus im 18. und 19. Jahrhundert zu erkennen. Im Wald finden sich Pingen, Transportwege und Schachtreste der Zeche Schwarze Adler.“ (Liebe Westfälische Rundschau, Hixterwald schreibt man in einem Wort!)

Update: Ursprünglich stand hier Hellweger Anzeiger. Der Kollege hat mein Blog gelesen und mich um Korrektur gebeten. Jetzt sitze ich in einem Internet-Cafe in Unna und verstelle denen erst einmal alle Browser-Optionen…

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Kommentare

4 Kommentare zu “Holzwickede: Träumen vom Hilgenbaum und der Kornmuhme? (2)”

  1. Sascha Brandt am Juli 28th, 2011 3:43 pm

    Zitat: „Update: Ursprünglich stand hier Hellweger Anzeiger. Der Kollege hat mein Blog gelesen und mich um Korrektur gebeten.“
    Der Rundschau Kollege wohlgemerkt. ;)

    Zitat: „Nein, ich träume nicht nur von Holzwickede, wenn ich im Ausland bin (wie es dort steht).“
    Dort steht immer, nicht ausschließlich. OK, Ok ich spalte Haare. ;)

    Zitat:“Liebe Westfälische Rundschau, Hixterwald schreibt man in einem Wort!“
    Touché! Und das passiert ausgerechnet mir als Holzwickeder…

    lg und viel Spaß weiterhin in der Heimat deiner Kindheit

  2. Sektenmitglied am Juli 28th, 2011 8:48 pm

    > Natürlich wissen die heutigen Sekten-Mitglieder davon nichts

    Nun, das stimmt nicht ganz. Meine Eltern haben mich schon darüber aufgeklärt. Sie haben mir zum Beispiel erzählt, dass nachdem der Herr „aus unerforschlichen Gründen seinen Willen geändert“ hat, sie zum ersten Mal in einer Kneipe Fernsehen waren. :)

    Den Glauben aufgegeben haben sie nicht, obgleich es verständlich gewesen wäre. Denn, hey, wer braucht schon noch eine gute Ausbildung oder eine Altersvorsorge, wenn der Herr doch bald kommt …

  3. HE am Juli 28th, 2011 9:19 pm

    Ist ja super. Ich kann mich auch nicht erinnern, wann ich als Kind in Wiesbaden ins Kornfeld geschissen habe. Man muss ja bescheuert sein, so einen Blog Quatsch -völlig sinnfrei- zu lesen.
    Geht an mich, war das letzte mal.

  4. Agrarisch und revolutionär (I) : Burks' Blog – in dubio pro contra am Februar 21st, 2021 7:38 pm

    […] Roggenfeld in Holzwickede […]

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