Techno und schöpferischer Kapitalismus

Ein lesenswerter und anspruchsvoller Artikel der Musiksoziologin Dr. Sabine Vogt auf industrie-kultur.de über die protestantische Arbeitsethik in der Techno-Szene: „Clubkultur als Clubwirtschaft – das Beispiel Berlin. Über Professionalisierung in der Berliner Techno-Szene“.

„Tendenziell löst sich in der Clubwirtschaft, die vorgibt, eine Clubkultur zu sein, wohl alle Freizeit wieder in Arbeitszeit auf. Das ist der Lebensentwurf eines neuen Kleinbürgertums, dessen Handlungsfeld mittlerweile in den Kulturwissenschaften unterm Schlagwort „Creative Industries“ diskutiert wird. Eine derartige Kreativwirtschaft befördert den wirtschaftlichen Aufschwung von Regionen und Städten mit verschiedenen Formen und Stufen der Erstellung, Produktion und Verbreitung von kulturellen und künstlerischen Produkten, denen ein hoher Symbolcharakter anhaftet. Das klingt zunächst bedeutsam und neu, doch wenn man es genau nimmt, entpuppt sich die Symbolik, die der Kreativitätsbegriff transportiert, als trügerisch. Denn Kreativität steht nur als Mode- und Zauberwort für Fantasie, Innovation und Produktivität – für das Talent also, aus einem Überfluss von Einfällen ganz spezifische herauszusuchen, in Aktion umzusetzen und zu vermarkten.“

„Kreativität“ (auf Deutsch heisst das: „schöpferisch“), ein Lieblingswort – je nach Publikum – von Volkshochschulen und Subkultulturen, die sich zweiweilig jenseits des Mainstreams fühlen, bedeutet also nicht anderes als fähig zu sein, Marktlücken zu entdecken und diese gewinnorientiert auszunutzen.

Quelle: Der Aufsatz Vogts ist erstmals im Jahrbuch für Kulturpolitik 2005 des Institutes für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. (Klartext Verlag, Essen) erschienen. Die Arbeit geht zurück auf die Dissertation: Sabine Vogt: Clubräume – Freiräume, musikalische Lebensentwürfe in den Jugendkulturen Berlins, Musiksoziologie Band 14, Bärenreiter Verlag, Kassel 2005

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Kommentare

2 Kommentare zu “Techno und schöpferischer Kapitalismus”

  1. ...der mit der Mütze denkt am Oktober 24th, 2010 5:55 pm

    Guten Morgen.
    Für Erkenntnis ist es nie zu spät. Kreativität hat in unserer Gesellschaft nichts mehr mit „freier künstlerischer Tätigkeit“ zu tun. Diese Erkenntnis schimmelt schon lange in Omas Einmach-Glas vor sich hin.

    Schüler…kurz erwacht und schon wieder we..zzzzZZzzz…chrzzzZZZzz…mhmjam..jam.

  2. rumbabräu am Oktober 26th, 2010 3:27 pm

    wer sagte noch, „Kreativität ist was für Frisöre“ ? – es war ein Kunsthochschulprofessor oder irgendein prominenter Künstler.

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