EntwicklungshelferInnen

Schon bei dem Wort allein schwillt mir der Kamm. „Entwicklung“ ist ein Begriff aus der weltanschaulichen Mittenkiste: Er suggeriert, dass sich die Menschenheit vom Schlechten (Stammesgesellschaft), Hässlichen (Unterdrückung des Individuums) und Falschen (Naturreligion) zum Guten (Kapitalismus), Schönen (Alice Schwarzer, F.D.P.) und Wahren (Monotheismus) „entwickele“. Das ist bekanntlich Blödsinn, wie schon der Untergang des römischen Reiches und das Verschwinden der Fußbodenheizungen der Antike ansatzweise gezeigt haben. Nichts „entwickelt“ sich irgendwohin. Deshalb kann auch niemand „helfen“, zumal dem Helfen immer ein niedriges Motiv zugrunde liegt – das Gefühl, moralisch besser zu sein als andere oder schlicht der eigene Vorteil.

„Ich wünsche Ihnen eine gute Entwicklung da unten“, sagte der ehemalige Bundespräsident Lübke zu den „lieben Negern“. Ich habe lange in Südamerika gelebt und bin in Peru während meines Aufenhalts unter anderem in der landwirtschaftlichen „Kooperative“ Tupac Amaru vom Gedanken der „Entwickungshilfe“ gründlich geheilt worden. Diese Kooperative war von linken Militärs ins Leben gerufen und von deutschen Entwicklungshelfern aufgebaut worden. Als ich in den Anden und in der gegen von Ayacucho war (Jahreswende 1979/80), hatte Sendero Luminoso die ersten Aktionen des bewaffneten Kampfs begonnen und ich konnte mit ihren Sympathisanten noch erbittert über „Entwicklung“ diskutieren (ein paar Jahre später hätten sie mich schlicht erschossen).

In „Unter Beschuss“ fand ich „Entwicklungshelfer“ in Afghanistan sehr hübsch beschrieben – ich musste schallend lachen:

Man erkennt sie sofort, wenn sie zum Essen ins Feldlager kommen. Eine Combo aus zwei Frauen um die fünfzig mit Modeschmuck und praktischer Kurzhaarfrisur, ein schüchterner Mann im gleichen Alter und eine junge Nachwuchskraft, die zu glauben scheint, dass die Einheimischen es honorieren würden, dass sie sich ein Kopftuch übers Haar gelegt hat. (…) Es ist schon ein besonderer Schlag Mensch, der zur Entwicklungshilfe strebt. Nicht wenige von ihnen erwecken den Eindruck, dass sie selbst dringend Hilfe benötigen. Selten begegnet man einem Entwicklungshelfer, desse Persönlichkeit gefestigt scheint und der Durchsetzungsstärke verkörpert (…) Entiwicklungshelfer sind die Missionare unserer Zeit. Ausgestattet mit gutem Gewissen, Toyota-Landcruisern und üppigen Gehältern ziehen sie in die Welt hinaus, um den Menschen die frohe Kunde von Gleichberechtigung, ökologisch bewusster Lebensführung und ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit zu überbringen.

Ich verweise auf mein Posting vom 23.03.2006 „Es steht ein Soldat am Kongostrand“: „Entwicklungshilfe in jeder Form ist kolonialistische Ausbeutung mit menschlichem Antlitz. „Entwicklung“ wohin – zum kapitalistischen Weltmarkt? Mit welchem moralischen Ziel?“

Schafft die verlogene „Entwicklungshilfe“ ab!

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Kommentare

2 Kommentare zu “EntwicklungshelferInnen”

  1. Manuel Rodriguez am September 20th, 2010 10:07 am

    Widerspruch! Mit Entwicklungshilfe kann man armen Menschen helfen. Beispielsweise fehlt den Kindern in Nigeria ganz dringend Heizöl, um sich Mittag zu kochen oder das Notstromaggregat für die Schule zu betreiben. Durch den Mangel an Öl kann die Nahrung in den Schulen nicht erwärmt werden und in den Krankenhäusern gibt es keinen Strom. Viele Krankheiten bleiben unbehandelt. Wer also überschüssiges Erdöl besitzt sollte es für Nigeria spenden.

  2. Burks bei den Wayapopihíwi : Burks' Blog am Januar 5th, 2011 5:25 pm

    […] oder “entwickeln” zu müssen, um mich anschließend moralisch besser zu fühlen. “Entwicklungshilfe” gehört ersatzlos gestrichen, Dämliche kann man Neo-Kolonialismus nicht […]

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