Enten, dreifach gebraten und gewendet, revisited

Die geneigte Leserin und der geneigte Leser werden, ähnlich wie ich, bei der Lektüre dessen, was die Holz- und Mainstream-Medien zum Thema Internet absondern, fragen, ob man nicht stattdessen ganz etwas Anderes schreiben könnte, etwa: „Ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον, ὃς μάλα πολλὰ πλάγχθη, ἐπεὶ Τροίης ἱερὸν πτολίεθρον ἔπερσε“ oder etwa „ברוך אתה ה׳ אלהינו מלך העולם אשר קדשנו במצותיו וצונו על נטילת ידים“. Das würde sich besser anhören und genauso viel oder wenig aussagen – und man fühlte sich auch noch humanistisch-gebildet (Homer!) und moraltheologisch (Talmud!) besser nach der Lektüre… Oder vielleicht einen Psalm.

Was lasen wir vor einigen Tagen bei Spiegel Offline über „Cybercops“ aus Bayern, „die auf höchstem technischen Niveau operieren“? Die werden jetzt dort eingestellt. Der Grund: Die Bösen im Internet werden immer böser. „Die Spione hacken sich meist unbemerkt über sogenannte Trojaner in die Systeme auch kleiner und mittelständischer Unternehmen und saugen Daten ab. ‚Alle zwei Sekunden wird irgendwo auf der Welt eine Schadsoftware ins Netz gestellt‘, so der bayerische LKA-Präsident Peter Dahte.“

Nun, wenn das ein leibhaftiger Präsident sagt, dann muss es ja stimmen und alle Holzmedien müssen es unkritisch nachplappern, allen voran Spiegel Offline. Ich war bisher – offenbar irrig – der Meinung, die Aufgabe von Journalisten sei es, die Öffentlichkeit aufzuklären und hohle Sprechblasen aufzustechen und als das darzustellen, was sie sind – heiße Luft.

Man kurz nachgehakt: Die „Spione“ machen also immer öfter diese berühmt-berüchtigen „Online-Durchsuchungen“, an denen unsere auf höchstem Niveau operierenden Sicherheitskräfte so kläglich scheitern – und nicht nur, weil ihnen das vom Bundesverfassungsgericht ohnehin verboten worden ist? Und dann auch noch mit „Trojanern“? Kann mir mal jemand erklären, wie das zielgerichtet geht? Man schickt allen Mitarbeitern einer Firma eine – natürlich unverschlüsselte! – E-Mail mit einem Attachment, was sich an sämtlichen EDV-Experten vorbeihangelt und sich auch selbst installiert, weil ja bekanntlich alle Menschen mit Admin-Status online sind und auf alles klicken und alles installlieren, was nicht bei drei auf dem nächsten Baum ist? Ganz nebenbei: Woher weiß der Dahte das mit den „alle zwei Sekunden“?

Ich sag euch was: Das ist genau so ein sinnfreies Gefasel und ein Lügenmärchen wie man es gewöhnlich vom Präsidenten Ziercke zur „Online-Durchsuchung“ kennt. Wenn ich nicht so unglaublich höflich wäre, würde ich Dahte einen Dummschwätzer nennen.

Und jetzt zu etwas fast ganz Anderem. „Trojaner spioniert Kreditkarten und Bankdaten aus“ – „Datendiebstahl: Bundesbehörden warnen vor Banking-Trojaner“ – „Internet: BKA warnt vor Trojanern beim Online-Banking“. Undsoweiter. Die Süddeutsche im Original: „Die schädliche Software nistet sich meist beim Besuch einer infizierten Webseite auf dem Computer ein.“

Soso. Sie nistet sich. Man kann es auch ganz anders formulieren, dann wäre es gut, schön und wahr, käme aber ganz ohne die kulturpessimistische Attitude aus, dass das Pöhse überall im Internet lauere und dass man rein gar nichts machen könne ausser zu beten: „Die Nutzer eines bestimmen Betriebssystems, die keinen Gedanken an ihre Sicherheit verschwenden und ihren Browser so einstellen, wie es Bill Gates er gern hätte, und anderen Leuten erlauben, aktive Inhalte ungefragt auf ihren Rechner zu schaufeln, die laufen Gefahr, dass ihnen was passiert.“ Wenn man die Wahrheit schriebe und nicht dummes Zeug wie der Regenzauber „auf jedem Computer sollten außerdem ein aktuelles Virenschutzprogramm und eine Firewall installiert sein“, dann würden sich die Leute natürlich fragen: Muss ich jeden Tag in der Zeitung lesen, dass ich, wenn ich über die Straße gehe, vorher gucken muss, ob ein Auto kommt? Pfeifen, unkritische, wie man das in Bayern grammatikalisch zu sagen pflegt. Ich reg mich wieder auf.

Und jetzt zu etwas noch ganz Anderem. „Hackerangriff Wiederherstellung der KZ-Gedenkstätten-Websites läuft“. – „KZ-Gedenkstätte Rechtsextreme hacken Buchenwald-Website“. – „Neonazis: Internetseite der Gedenkstätte Buchenwald zerstört“. – „Websites von KZ-Gedenkstätten teilweise gelöscht“. – „Entsetzen über neue Dimension rechtsextremer Aktivitäten“. – „Neonazis manipulieren Buchenwald-Internetseite“.

Ich tu euch nicht den Gefallen. Nein, ich glaube nicht, was in den Medien geschwätzt wird. Ich bin ein kritischer und mündiger Bürger und mache mir selbst ein Bild.

Ich lese die Leserkommentare bei Heise zum Thema. „1. Wie können die was von einer Internetseite löschen? Hat da jemand schlampige CGI/PHP Skripte geschieben? 2. Haben die keine Backups?“ – „Das hier sagt ja wohl alles über die Kompetenz der Ersteller aus: ‚ Diese Website ist optimiert für Internet Explorer und Netscape Navigator ab Version 4. Die Vollversion benötigt das Flash-Plugin.‘ Über so einen Spruch bin ich lange nicht mehr gestolpert.“ (Gut, die Antwort: „Das ist ja auch eine Gedenkstätte“ ist ein bisschen zu zynisch.) „Was passiert ist, die Webmaster der Gedenk-Intenetseite haben beim Thema „IT-Sicherheit“ nicht aufgepasst, und ein paar rechtsradikal veranlagte „möchtegern-Hacker“ haben sie ge-defaced. Dadurch wurde keinerlei Erinnerung ausgelöscht (ausser vielleicht der Log Datei des Servers, wenn die Cracker nicht ganz komplett doof waren) (…) Aber dann solche Pressestatements, und es wird offenbar das die Betreiber des Museums nicht nur von IT-security, sondern vom Web schlechthin keine Ahnung haben. Also hört auf mit dem geheule, sucht lieber nach der Sicherheitslücke, stopft sie, dann setzt den Server neu auf und spielt das letzte Backup wieder ein.“ – „Netcraft Apache/1.3.28 Unix PHP/4.3.4 lief offenbar bis gestern dort. Man betreibt dort offenbar einen eigenen Server und hält sich am Motto ‚Never touch a running System‘. Man hätte jemand fragen sollen der sich mit so etwas auskennt. Oder gleich Webhosting bei einem seriösen Provider buchen (…) Das es kein Backup gibt ist ebenfalls nicht zu entschuld(ig)en. Mögen euch die Hacker treffen.“

Erstaunlich bescheuert berichtet Gulli.com: „Zugang zu den Servern konnten sich die Täter mittels eines Viruses verschaffen der vermutlich schon vor der Attacke eingeschleust wurde.“ Ein Virus?! „Hacker“ schleusen gezielt (!) einen „Virus“ ein?! Und wie machen die das? Dann sollten das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und das Bundeskriminalamt bei den angeblichen neonazistischen Hackern in die Lehre gehen, wie man „Viren“ unbemerkt und irgendwie einschleust, um anschließend einen Fernwartungs-Zugriff zu haben.

Ich habe keine zwei unabhängigen Quellen für die These, dass irgendwelche kackbraunen Kameraden die Website der Gedenkstätte Buchenwald zerstört hätten. Ich kann mir auch ganz etwas anderes vorstellen. Aber das sage ich besser nicht, ich reg mich schon genug auf.

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Kommentare

4 Kommentare zu “Enten, dreifach gebraten und gewendet, revisited”

  1. Jörg am Juli 29th, 2010 7:43 pm

    Die „Dienste“ (Systemsteuerung, Verwaltung) sollten richtig eingestellt sein.
    Bei Win XP z. B. so:
    http://www.windows-tweaks.info/html/dienste.html

  2. Sven am Juli 29th, 2010 8:33 pm

    Applaus!
    Selten wieder so gelacht wie nach diesem Beitrag. Ich kann jeden Gedanken und Aufreger nachvollziehen. Ich weis das. Du weist das. Die die hier lesen wissen das.

    Aber dene die sowas passiert und die die die sich dann darüber aufregen, sind die gleichen die versuchen einFlugzeug zu fliegen ohne zu wissen wie man Thermik schreibt.

    Aber vielleicht brauchen wir auch gutes Bodenpersonal …

  3. Sven am Juli 29th, 2010 8:44 pm

    Hallo Burks,
    ziemlich viel Text zum Thema Entenbraten. Die Bayern werden uns vor einem Cyberangriff schon beschützen, davon bin ich überzeugt. Wie mögen die Tiere nur aussehen? Die Cybertiere.

    Bei der Gedenkstätte tut mir das richtig Leid. Irgendwie werden ich aber bei dem Vorfall an die DDR erinnert. Es wurde so schlampig gearbeitet das einfach was passieren musste und nun haltet den Dieb. Reicht da aber nicht nur ein gefeuerter Mitarbeiter? Vielleicht hat auch die schlecht bezahlte Putzfrau den Klebezettel mit den Passwörtern am Bildschirmrand gesehen?

    Bei den Cybercops fällt mir nur noch Spott ein. Ob das deutsche Großmannssucht ist? Am deutschen Wesen wird die Welt genesen?

    Bruno oder Sven oder wie auch immer

  4. Hans am August 16th, 2010 10:58 pm

    Interessant was da für komische Sachen plötzlich entdeckt werden.
    http://linkband.at/?host=buchenwald.de
    Weniges Tage vor dem „Hack“ lief da zumindest ein anderer Apache als Netkraft 2004 mal fand:
    http://toolbar.netcraft.com/site_report?url=http://www.buchenwald.de
    Interessant auch die komplett andere IP.
    War das nun ein Script-Kid der einen Apache 1 gefunden hat oder doch ein Hacker?

    Gruß Hans

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