Die größte Geißel der Menschheit

Nein, die Antwort können selbst die wohlwollenden Stammleser und die geneigten Stammleserinnen nicht vorhersagen. Die größte Geißel (mit eszett!) der Menschheit ist mitnichten die Religion, obwohl vieles dafür spricht. Die Verehrung höherer Wesen (Götter) oder niederer Wesen (Kaiser, Tribunen) oder gar nichtstoffllicher Substanzen (Energie, Esoterik) ist nur eine Unterabteilung dessen, unter dem die Menschheit am meisten leidet.

1. Beginnen wir bei der Berliner Treberhilfe. Laut Spiegel Print verdiente Harald „Maserati“ Ehlert 322.000 Euro im Jahr daran, dass sein „Konzern“ angeblich Obdachlosen half. By the way: Die Arbeitsagentur zahlte die Miete eines Menschen, der kein Einkommen hat. Obachlos ist jemand aus anderen Gründen.

Luxus ist kein Argument. Wir führen keine Neid-Debatte. Was mich ärgert, ist nicht dieser Ehlert, sondern die Leute, die ihn haben gewähren lassen. Ein Schmarotzer kann nur deshalb schalten und walten, wenn andere daran teilhaben. Es gab mal einen Verein, der wurde Gesellschafter einer gemeinnützigen GmbH, zur Hälfte gehörte der Laden Ehlert. Warum war das so? Man ließ ihn. Er unterschrieb seine eigenen Mietverträge. Es gab noch mehr Immobilien.

Warum eine gemeinützige GmbH? „Während bei Ihrem Verein die Mitglieder das Sagen haben und normalerweise jedes Mitglied eine Stimme hat, sind bei der gGmbH die Gesellschafter die Entscheidungsträger in allen grundsätzlichen Angelegenheiten.“ Noch Fragen?

„Einen Großteil ihrer Gelder, knapp acht Millionen Euro im Jahr 2008, bekam die Treberhilfe von der sozial- und Bildungsverwaltung des Berliner Senats und den Stadtbezirken.“ Wieviele Leute hätten der Treber“hilfe“ auf die Finger gucken können? Die Sozialsenatorin Bluhm (gehört zur Partei „Die Linke“) sagt, man hätte nicht kontrollieren können, was die „gemeinnützige“ GmbH mit ihren Gewinnen machte.

Wer prüft? Das Finanzamt für Körperschaften. „Nach Informationen dieser Zeitung prüft das Finanzamt für Körperschaften für das Jahr 2009, ob der Verein möglicherweise Gelder zweckentfremdet hat. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, würde dem Verein die Gemeinnützigkeit entzogen. Die Folge: Es müssten Steuern aus Erträgen bis maximal der letzten zehn Jahre zurückgezahlt werden.“ Und wenn sich der Verdacht nicht erhärtet? Bleibt alles so wie es ist, außer Ehlert. Aber seine bisherigen Getreuen und Groupies werden es schon richten. Und die „linke“ Sozialsenatorin findet die „Hilfe“ immer noch toll.

2. Bonn – auch im letzen Spiegel „lobend“ erwähnt. Der hier noch nie zitierte Generalanzeiger schreibt: „Zunehmend beschäftigen sich auch andere Medien mit den mysteriösen Vorgängen rund um das World Conference Center Bonn (WCCB), eines der zurzeit größten kommunalen Infrastrukturprojekte in Deutschland.“

Zunehmend? Spiegel Print: „Wie dumm darf sich eine Stadtverwaltung anstellen, bevor es kriminell wird? (…) Vieles spricht dafür, dass die Bonner Stadtspitze schon sehr früh und dann immer wieder vor dem Risiko Kim gewarnt wurde. Dass ihr klar hätte sein müssen, wie gefährlich jeder weitere Kredit sein würde. Trotzdem bürgte und bürgte sie.“

So etwas kritisch zu beleuchten und zu untersuchen, wäre Aufgabe der rheinischen Medien gewesen. Die Stadt ist mit ihrem riesigen Kongress-Bau auf einen Aufschneider hereingefallen. Der Kölner Stadtanzeiger zum Beispiel findet kein kritisches Wort, sondern druckt einfach das ab, was die PR-Abteilung der „Koreaner“ vorkäuen. Das ist kein Journalismus, sondern peinliches Gefasel.

Wikipedia: „Nach Beantragung eines Insolvenzverfahrens durch den Generalübernehmer kam es Ende September 2009 zu einem Baustopp. Die Fertigstellung des Konferenzzentrums kostet nach Einschätzung des Insolvenzverwalters rund 74 Mio. Euro.“

Es muss also nicht nur „Der Märchenmann“ heißen, sondern muss die Medien einbeziehen – die Märchenonkels.

3. Der erzreaktionäre Piusbruder und Antisemit Richard Williamson ist in Abwesenheit wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ist das gut oder schlecht? Hat auch nur ein deutsches Medium darüber räsonniert? Nein. Mainstream. Herdentrieb. Kurzes Gedächnis. Mangelnde Courage.

Ich halte es mit Winfried Hassemer, dem ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts: Der Volksverhetzungsparagraf gehört in seiner jetzigen Form abgeschafft. Er ist einer Demokratie unwürdig. „Die Gegner der Freiheit, solange sie nur ihren Mund aufmachen, meine ich, müssten durch einen Diskurs der Gesellschaft bedient werden, wenn es irgendwie ginge, und eben nicht durch das Strafrecht.“

Und was machen deutsche Gerichte? Sie fühlen sich dafür zuständig, die ganze Welt am deutschen Wesen genesen zu lassen. Ich finde das Urteil gegen Williamson peinlich und lächerlich – also falsch.

Was wollte ich eigenlich sagen? Ach ja. Die größte Geißel der Menschheit ist selbstredend die Dummheit, abgrundtiefe Dummheit, bei vielen Politikern ab Werk als Standard vorhanden, beim Volk sowieso.

Ich werde noch zum Misanthropen, wenn ich Medien konsumiere. Über das Stachelschwein-Gleichnis muss ich aber noch nachdenken: „In einer Gruppe von Stachelschweinen entwickeln an einem kalten Tag die Schweine ein allen gemeines Wärmebedürfnis. Um es zu befriedigen suchen sie gegenseitige Wärme und damit Nähe. Doch je näher sie aneinanderrücken, desto stärker schmerzen die Stacheln der Nachbarn. Deshalb verändern sie ihren Abstand, bis sie die erträglichste Entfernung gefunden haben.“ Vielleicht sollte ich zu den Medien einen größeren Abstand halten. Zu den Dummen sowieso – den größtmöglichen.

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Kommentare

One Kommentar zu “Die größte Geißel der Menschheit”

  1. rl am April 20th, 2010 8:26 am

    Wem nützt es?
    merkwürdig an der Treberhilfe-Maserati-Geschichte sind immer noch die 14 Monate Desinteresse zwischen Veröffentlichung im Tagesspiegel (Dezember 2008) und der plötzlichen Aufregung im März 2009.

    Das allgemeine Interesse/Entrüstung ermüdet sich schon an der Oberfläche.
    Die Umstellung von Zuwendungsfinanzierung auf Leistungsentgelte, womit solche „SocialProfit“ Erfolge erst möglich werden, ist als Thema für die Öffentlichkeit natürlich nicht so spannend wie Villa und Maserati.

    Mal sehen wer bei der Umverteilung gewinnt, die Klienten und Sozialarbeiter sicher nicht.

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