Engelhardt: Schrott

Ajax

Wie ich hier am 17.01 schon schrieb, habe ich „Tristan da Cunha oder Die Hälfte der Erde“ von Raoul Schrott gelesen. Ich kann das Buch nicht empfehlen. Die Freue Universität hat eine Linksammlung über den Autor zusammengestellt, u.a. mit Rezensionen zum Buch. Mir gefällt die von Jochen Jung in der Zeit am besten: „Die Insel der Frau des Kartografen“. „Denken Sie sich einen, der einen Roman schreiben will, einen großen, besonderen, überraschenden. Den die Unruhe, die ihn seit langem umtreibt und nicht immer nur glücklich macht, dazu zwingt, etwas herzugeben. Er konzentriert sich auf einen Punkt, eine Insel, die extremste, Tristan da Cunha, 37 Grad südlicher Breite, 12 Grad westlich, ziemlich genau zwischen Buenos Aires und Kapstadt. Wollen Sie da hin? Okay, aber auch bleiben?“ (Nein, aber ich wünsche mir auch bei Zeit Online ein paar Links ins weltweite Netz, sonst sollte man sich nicht „online“ nennen.)

Ich habe die letzten 100 Seiten nicht mehr gelesen, es war mir schlicht zu langweilig und auch zu undurchschaubar. Ja, meinen Wortschatz habe ich erweitern können, obwohl der schon recht groß ist, und ich habe mich über die abgelegenste Insel der Welt näher informiert. Mehr aber auch nicht, das Buch hat mich nicht berührt. Schrott ist ein Sprachjongleur und beherrscht die Liturgie eines wuchtigen Romans perfekt. Aber er erzählt so, wie ein Weißer den Blues spielt – es fehlt das Herzblut.

Meine Mutter hat mir neulich ein Buch in die Hand gedrückt, das sie irgendwo gefunden hat – ich habe es in meiner Jugendzeit gelesen und seitdem vergessen – Ingeborg Engelhardt: „Dunkles Glas und Fisch in der Lampe (Sigbert Mohn, Gütersloh 1963)“. Ich habe es noch mal gelesen, in zwei Tagen. Welch ein grauenhaftes Machwerk! Es ist zwar flüssig erzählt, hat auch einen Plot, der einen Trivialroman gut füllen würde, ist aber durchtränkt von christlicher Propaganda wie Ben Hur. Den Helden, Sohn eine Glasermeisters, verschlägt es mit zwei Sklaven, die ein dunkles Betriebsgeheimnis hüten, ins antike Köln aka Colonia Agrippina.

Wikipedia über Engelhardt: „Um ihre Romane authentisch und anschaulich gestalten zu können, war für Engelhardt eine kritische Sichtung der Quellensituation und die Erkundung der jeweiligen Heimatgeschichte obligatorisch; zudem hat sie nicht wenige Handlungsstätten ihrer Erzählungen eigens bereist. So kommt es, dass in ihren Büchern, bei aller reich entfalteten Phantasie, außer den allgemeinen historiographischen Fakten oftmals auch die kulturellen und sozialen Details des historischen Alltags recht stimmig sind.“ Ja, das ist auch mein Anspruch. Soweit, so gut.

Sigbert Mohn ist der ältere Bruder des Bertelsmann-Chefs Reinhard Mohn. In Gütersloh bei Bertelsmann frömmelte man schon immer, und das Buch Engelhardts trieft nur so davon. Igitt. Das wirkt heute auf mich die wie die christlichen Tiraden in Karl May. Fazit: Auch nicht an die eigenen Kinder verschenken, wenn es einem bei einer Wohnungsauflösung oder antiquarisch in die Finger fällt.

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