Polit-Choreografie auf dem Balkan

Das Parlament des Kosovo hat am 17.02. in einer Sondersitzung die Unabhängigkeit der serbischen Provinz ausgerufen. Der – neben Albanien – zweite „albanische“ Staat auf dem Balkan kann allein wirtschaftlich nicht überleben. Aber darum geht es den heimlichen Geburtshelfern USA und EU nicht – sie verfolgen eigene Interessen.

Kosovo

Am 29.01. wartete die unabhängige und auflagenstärkste slowenische Zeitung Delo mit einem echten Scoop auf: Sie publizierte das Protokoll von Gesprächen zwischen Mitja Drobnič, dem politischen Direktor des slowenischen Außenministeriums, mit diversen US-Diplomaten – Vertretern der Regierung und des Nationalen Sicherheitsrates, unter anderem mit Daniel Fried, dem Staatssekretär im Außenministerium für europäische und eurasische Angelegenheiten. Die Gespräche zeigen, wie die USA den Fahrplan zur Unabhängigkeit des Kosovo während der EU-Ratspräsidentschaft Sloweniens durchzusetzen planten und bis in Detail vorgaben. Die US-Diplomaten schlagen vor, das Parlament des Kosovo möge die Unabhängigkeit an einem Sonntag erklären – wie es jetzt geschah. Russland habe dann keine Zeit mehr, den UN-Sicherheitsrat einzuberufen. Wenn die ersten Staaten den Kosovo anerkannt hätten, gebe es ohnehin kein Zurück mehr.

„Die Vereinigten Staaten vermieden einstweilen Aussagen zur Unabhängigkeit des Kosovo, werden aber nach der Proklamierung der Selbständigkeit durch die Regierung des Kosovo dann unter den ersten Regierungen sein, die die Selbständigkeit anerkennen werden. Die USA strebten an, daß der Kosovo in den ersten Tagen von möglichst vielen Ländern außerhalb der EU anerkannt werde. Die Vereinigten Staaten würden eine starke Lobby-Arbeit in Japan, der Türkei sowie den Arabischen Ländern betreiben, in Ländern also, die ihre Bereitschaft gezeigt hätten, den Kosovo ohne Zögern auch anzuerkennen.“

Peinlich ist der Inhalt der Gespräche für die slowenische Regierung, weil sie mehr oder weniger zu einem Befehlsempfänger degradiert wird. Daniel Fried legte Slowenien nahe, als erster Staat den Kosovo anzuerkennen. Die Rolle des neutralen Vermittlers zwischen Serbien und seinen abtrünnigen Provinzen kann die Regierung in Ljubljana jetzt nicht mehr besonders glaubwürdig vertreten. Die US-Diplomaten lassen auch keinen Zweifel daran, dass in den Deklarationen der Europäischen Union die Interessen der USA mit formuliert werden sollen. Georg Bush wünscht sich zum Beispiel, dass „Kuba und Venezuela“ als „problematische Staaten“ und der „Terrorismus“ jeweils erwähnt werden.

Diese Vorgeschichte wurde von den deutschen Medien bei der Berichterstattung über die Unabhängigkeitserklärung fast ausnahmslos verschwiegen. Am 15.02. publizierte Ekkehard Sieker, langjähriger Fernsehjournalist bei Monitor und heute verantwortlicher Redakteur der Website hintergrund.de, eine deutsche Übersetzung). Man muss Siekers Theorien zu anderen Themen nicht beipflichten, aber die deutsche Version des Textes entspricht dem, was auch die österreichische Zeitung Standard in Auszügen veröffentlichte und worüber Die Presse schon am 29.01. berichtete.

Kosovo

Die Protokolle haben in Slowenien eine mittlere Staatskrise ausgelöst. Mitja Drobnič musste zurücktreten. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss widmet sich der Frage, wo die undichte Stelle war, die die Medien informierte. Der Computer des hochrangigen Diplomaten Marjan Setinc wurde beschlagnahmt, weil Setinc in Kontakt zu einer Journalistin der Dnevnik stand – die Zeitung hatte die Protokolle ebenfalls publiziert. In Slowenien rätselt man zur Zeit darüber, wer im Laufe der „Hexenjagd“ im Außenamt bei wem die Telefone abgehört haben könnte.

Aus den Protokollen lassen sich die Prinzipien der Lobby-Arbeit der USA auf dem Balkan erkennen. Die Regierung Bush macht Druck auf Slowenien, möglichst bald innerhalb der Europäischen Union vollendete Fakten zu schaffen. Einige Mitgliedstaaten gelten als zögernd, insbesondere die Niederlande geben den Hardliner gegen die Autonomie-Pläne ohne Zustimmung der UN (laut Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates. Staatssekretär Fried soll sich bemühen, den UN-Generalsekretär Ban Ki-moon dazu zu bewegen, sich positiv zu einer Mission der EU in den Kosovo zu äußern. Es soll vermieden werden, dass der UN-Sicherheitsrat sich zuungunsten einer Unabhängigkeit des Kosovo einmischt.

„Slowenien muss aber innerhalb der EU eine baldige Entsendung der Mission erreichen. (…) DiCarlo: Es gilt die Überzeugung, dass Ban schwerlich zur Übernahme der Mission aufrufen kann, bevor es zur Unabhängigkeitserklärung (…) kommt. (…) Nach der Unabhängigkeitserklärung muss es sofort zur Anerkennung kommen, weil der Generalsekretär nur dann feststellen kann, dass sich die Situation an Ort und Stelle verändert hat, und er die EU aufrufen kann, die (Kosovo-)Mission zu übernehmen. (…) Ban müsste (dann) nur betonen, „facts on the ground have changed“ und die EU einladen, ihre Mission zu entsenden. Ban braucht dafür keine Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates.“

Die Methode ähnelt der Situation unmittelbar nach der Auflösung des ehemaligen Jugoslawiens beim Beginn des Kroatienkriegs 1991. Damals erkannte Deutschland Kroatien als einer der ersten Staaten an. Fast gleichzeitig unterzeichnete Kroatien ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union, das den freien Zugang zum Europäischen Binnenmarkt sicherte. Das Prinzip ist: Entweder eine Regierung unterwirft sich letztlich den Regeln der europäischen Union, wie in der Thessaloniki Agenda vom Juni 2003 präzisiert, oder sie wird wirtschaftlich in jeder Beziehung an den Rand gedrückt. Die mehr symbolische Affinität Serbiens zu Russland – aus historischen Gründen – kann letztlich nicht gegensteuern.

Kosovo

Politische Moral spielt keine Rolle. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es im Kosovo, dem ehemals ärmsten Teilstaat Jugoslawiens nur zwei florierende Wirtschaftszweige gibt: Den Menschen- und den Drogenhandel. Noch vor zehn Jahren definierte die US-Regierung die so genannten „Unabhängigkeitskämpfer“ der Kosovo Liberation Army (KLA bzw. UÇK als – wenn auch unbedeutende – Terrororganisation. Plötzlich wandelte sich die UÇK in den Augen des CIA zur Befreiungsarmee, obwohl deren Haupteinnahmequelle der Heroin-Schmuggel nach Westeuropa war. Die London Times formulierte im Juli 1999: „Kosovo is Mafia’s ‚heroin gateway to West'“. Die Berliner Zeitung zitierte am 04.03.1999 Quellen, die die bisherigen Einkünfte der UÇK auf über 900 Millionen Mark schätzte. Die Hälfte der Summe stammte aus dem Drogenhandel, die andere Hälfte von einer Art „Kriegssteuer“, die die UÇK von den ausgewanderten Kosovo-Albanern eintrieb.

Das Strategic Issues Research Institute (SIRIUS) hat die Presseberichte internationaler Medien zu diesem Thema zusammengestellt – „on KLA-Kosovo-Drugs-Mafia and Fundraising“. Die Washington Post berichtete am 26.05.1998 über die Unterstützung der mafiösen Banden und der UÇK im Kosovo durch albanische Einwanderer- rund eine halbe Million Albaner lebt in den USA. Die Romania Libera schrieb am 30.07.1998: „The Albanian terrorism and separatism obscures the geopolitical and the strategic dimension known only by some. In the offices of the Great, the Balkans is considered to have the deciding role of the stability or instability of Europe. Within this context, Kosovo and Macedonia seem to be in possession of keys of stability in the Balkans. Phantom Government“ of the so-called Kosovo Republic -still unrecognised by any state – has its seat in Ulm near Bonn, in Germany. The leader of this phantom „republic“ – Buyar Bukoshi – receives significant „donations“, later to be deposited in the Swiss banks or secret safes. Bukoshi himself, with his family, lives in Ulm. Meaning, far away from the bloodshed in Kosovo. Contrary to the leader, Ibrahim Rugova, who has not left the region and is looking forward to the US State Department support. In 1997, the Carnegie Foundation“ invited Rugova to USA and introduced him to the public through mass media in the right way. If Bukoshi is „the Germany man“, Rugova is „the American man“.
.

Kosovo

Der Artikel ist in seinen wesentlichen Aussagen immer noch aktuell. Die Interessen der USA auf dem Balkan sind jedoch nur punktuell identisch den denen der Europäischen Union. Die Bush-Regierung plant schon seit Jahren, sich den strategischen Korridor Bulgarien-Mazedonien-Albanien zu sichern – den Weg des Öls vom Schwarzen Meer zur Adria. Die Kleinstaaterei und wirtschaftliche Abhängigkeit ist da von Vorteil. Pläne eines Großalbanien, wie sie Teile der aufgelösten UÇK vertraten, schaden den ökonomischen Interessen, die sich die Rohstoffe sichern wollen. Eine geplante Pipeline etwa führt vom bulgarischen Hafen Burgas bis Vlora in Albanien und wird von der Albanian Macedonian Bulgarian Oil Corporation verwaltet, die in den USA registriert ist. AMBO steht in enger Verbindung mit dem internationalen Konzern Halliburton. US-Vizepräsident Dick Cheney war zeitweilig Aufsichtsratpräsident.

AMBO steht in direkter Konkurrenz zu dem französischen Öl-Multi Total. So erklärt sich auch die Passage in dem geheimen Protokoll: „Drobnič bezeichnete im Weiteren die Aussage des französischen Präsidenten Sarkozy als problematisch, der den serbischen Weg in die EU mit der Lösung des Kosovo-Konflikts verbunden habe.“

Kurz vor der Bombardierung Jugoslawiens im Jahr 1999 sagte Bill Clintons Energieminister Bill Richardson laut The Guardian vom Februar 2001, es gehe darum, Amerikas Energieversorgung zu sichern. „Wir haben in der kaspischen Region erheblich politisch investiert, und es ist sehr wichtig für uns, daß die Karte der Pipelines und die Politik gleichermaßen stimmen.“

Die USA sind auf ihrem Weg, die Karte des Balkan dem Weg des Öls anzugleichen, mit der Unabhängigkeit des Kosovo wieder ein Stück näher gekommen.

Kosovo

Dieser Artikel von mir erschien am 18.02.2008 auf Telepolis. Vgl. auch „Konfliktherd Balkan“ (23.02.2008) von Florian Rötzer und „Auf dem Weg in die Spaltung“ (28.02.2008) von Boris Kanzleiter.

image_pdfimage_print

Kommentare

Schreibe einen Kommentar