[Informationen über Burkhard Schröder] [Suchmaschinen] [Medien im Internet] [Antifa, Nazi-Links] [Kryptographie und Steganographie] [Interessante Links] [Infos zu HTML] [SF-Krimi I] [SF-Krimi II] [Tron - Tod eines Hackers] [Internet-Literatur] [Journalistische Recherche im Internet] [E-Mail] [Startseite] [Sitemap]
.
Dieser Artikel erschien
am 10.10.2000 in der
Woche
.Aprilfrische Rechte
  - Eine Vorsitzende der jüdischen Gemeinde gibt der "Jungen Freiheit" ein Interview. Ist der Rechtsradikalismus salonfähig geworden?

Die Wochenzeitung „Junge Freiheit" und die Band „Böhse Onkelz" haben eines gemeinsam: Sie distanzieren sich offiziell von Rassismus und Antisemitismus. Ihr Publikum jedoch weiss, was früher gesagt und getan wurde und versteht zwischen den Zeilen zu lesen und zu hören. Wer mit dem Teufel isst, braucht einen langen Löffel, rät der Volksmund. Charlotte Knobloch, Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden, hatte keine Bedenken, der "Jungen Freiheit" Rede und Antwort zu stehen, und hat sich die Zunge verbrannt. Das Interview erregte Aufsehen und Zorn insbesondere wegen einer - von ihr autorisierten - Passage des Interviews, in der sie die "Philosemiten" Deutschlands als eine "sehr gefährliche Gruppe" bezeichnet, die "eine Thematik" brächten, die "undurchsichtig" sei.

Wer wem wann etwas sagt, hat bei der Debatte um den Rechtsradikalismus einen hohen Symbolgehalt, erst recht, wenn eine Vertreterin der jüdischen Gemeinden in Deutschland während einer öffentlichen Debatte um Atisemitismus mit Salon-Rechten ["Salonfaschisten" im Original] über gefährliche Philosemiten redet. Die Kritik hagelte daher auf Knobloch ein. Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats, glaubt, seine Kollegin sei missbraucht worden. Andreas Nachama, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, bezeichnete das Interview als einen Skandal. Ignatz Bubis, so Nachama, hätte sich im Grabe umgedreht. Die „Junge Freiheit" sei das „Zentralorgan der Dummheit". Die Zeitung retournierte prompt und wies darauf hin, dass ihre Klage auf Unterlassung gegen den Verfassungsschutz, der sie „rechtsextremistischer Tendenzen" verdächtigt, in zweiter Instanz anhängig und noch nicht entschieden sei.

Wie mit der „Jungen Freiheit" umzugehen sei, entzweit seit deren Gründung die Gemüter. Die Postille ist - nach rechter Pop-Musik - das erfolgreichste Projekt, den öffentlichen Diskurs durch kulturelle Werte von rechts zu infiltrieren. Zu ihrer publizistischen Strategie gehört es, durch die Auswahl der Interviewpartner gesellschaftliche Akzeptanz und Offenheit zu dokumentieren. Die Liste reicht vom früheren Grünen Wolfgang Templin bis zum CDU-Rechtsaussen Heinrich Lummer, von Franz Alt bis Vera Lengsfeld. Dass Leni Riefenstahl und Armin Mohler, die grauen Eminenz des deutschen Neofaschismus, die Rechts-Postille mit Gesprächen beehrten, kann niemanden wundern. Der FDP-Politiker Alexander von Stahl, ehemaliger Generalbundesanwalt, wird als ständiger Mitarbeiter geführt. [im Original: "Sogar Ignatz Bubis setzte sich 1995 mit den JF-Redakteuren Roland Bubik und Dieter Stein an einen Tisch. Bubis war jedoch souverän genug. sich nicht benutzen zu lassen, denn sein Name fehlt in der Liste der Interviewpartner, die die „Junge Freiheit" stolz publiziert."]

Knobloch hätte gewarnt sein können. Bereist vor zwei Wochen zuvor stand der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel, im Kreuzfeuer der Kabniettskritik, weil auch er ein Interview gegeben hatte.

Die "Junge Freiheit" führt unterschiedliche Interessengruppen der Konservativen bis zu offen auftretenden Rechtsextremisten zusammen und bietet ihnen ein Diskussionsforum. Die Heterogenität der politischen Aussage entspricht der unterschiedlichen weltanschaulichen Herkunft der Redakteure und Autoren. Das gesamte rechte Spektum ist vertreten: vom ehemaligen Berliner Republikaner-Chef Carsten Pagel bis zu Peter Kienesberger aus einer Gruppe Südtiroler Terroristen, der laut „Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus" zu den "gefährlichsten Attentäter der 60er Jahre" gehörte; von Stefan Ulbrich, dessen politische Heimat die verbotene "Nationalistische Front" war, bis zum Münchener CSU-Politiker Dr. Peter Gauweiler, den auch die "tageszeitung" schon kommentieren ließ.

1986 erschien ihrer erste Ausgabe, in der Form eher eine hektografierte Schülerzeitung mit wenigen Seiten, Verlagsort Stegen bei Freiburg. Seitdem stieg die Auflage kontinuierlich. Ab 1990 erreichte sie, nach eigenen Angaben, mehr als 30000 Leser, heute angeblich doppelt so viele. Die Redaktion unter Chefredakteur Dieter Stein residiert in Berlin. Die Initiatoren der rechten Wochenzeitung stammten aus dem Vertriebenen-Milieu, insbesondere aus einem ultrakonservativen Braintrust der Sudetendeutschen, dem "Witiko-Bund". Dessen ideologische Wurzeln reichen in die zwanziger Jahre zurück, zur bündischen Jugend. Eine bündische Korporation, die "Deutsche Gildenschaft", stellte gleich mehrere prominente Mitarbeiter der "Jungen Freiheit". Trotz erheblicher finanzieller Schwierigkeiten in der Anfangsphase hielt das braune Blatt sich dank großzügiger Unterstützung der Anzeigenkunden über Wasser. Die größte rechtsextremistische Kulturvereinigung Deutschlands, die "Gesellschaft für Freie Publizistik" des Dr. Rolf Kosiek, rief immer wieder dazu auf, die JF zu abonieren. Der einflussreiche Verleger Herbert Fleissner, selbst Witikone und Vermarkter des REP-Gründers Franz Schönhuber, demonstrierte jahrlang, dass seine Ehre Anzeigentreue hieß. Vom Medium-Imperium des DVU-Chefs Gerhard Frey hat sich die "Junge Freiheit" jedoch immer ferngehalten. Man unterscheide sich, so Chefredakteur Dieter Stein, allein schon „durch das intellektuelle Niveau."

Die "Junge Freiheit" kokettiert seit jeher damit, "links" und "rechts" als politische Ortsangaben zu ignorieren oder sie in ihrem Sinn neu zu formulieren. Roland Bubik schrieb schon 1992: der Kampf einiger Konservativer gegen die Demokratie sei "dem Kampf um deren beste Form gewichen." Das ist Taktik, um die Altvorderen nicht vor den Kopf zu stoßen und die nachwachsene rechte Generation einzubinden. Dieter Stein verweigert sich der fiktiven "Neuen Rechten": "Das klingt verdächtig so nach aprilfrischer Weste, durch die man sich mit antifaschistischer Jungfräulichkeit von den blutbefleckten Jacken älterer Generationen (der bösen "Alten Rechten") abheben will, zumindest bis diese „in die Grube fahren.." [im Original: "Die perfide Ironie, die Verantwortlichen für die nationalsozialistischen Verbrechen als die "bösen alten Rechten" zu titulieren, zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausgaben der Zeitschrift, ohne dass man die Autoren direkt zeihen könnte, den Holocaust zu verharmlosen. "]

Wer das Kleingedruckte liest, merkt jedoch sehr schnell, dass die ultrarechte Wochenzeitung weder jung ist noch die Freiheit meint, die auf den Werten der Menschenrechte fußt. Volk, Staat und Nation werden gleichgesetzt. Die "Junge Freiheit" fungiert als wichtigstes intellektuelle Sprachrohr für parteiübergreifenden ethnischen Nationalismus, [im Original: "dessen „völkische Essentialsimmer noch Teil der offiziellen deutschen Staatsdoktrin sind. "] Das endet zwangläufig in einer Definition der Nation, die ihre Identität biologisch bestimmen muss. Der theoretische Unterschied zum Nationalsozialismus bleibt daher marginal und ist nur taktischer Natur. Der rassistische Wein wurde in neue Schläuche gefüllt, schmeckt aber wie die braune Brühe der Nürnberger Rassengesetze.

Zu diesem politischen Konsens kommt eine unausgesprochene innerstaaatliche Feinderklärung, die alle die ausschliesst, die der ethnischen Definition der Gesellschaft widersprechen. Salonfaschisten wie die Autoren der "Jungen Freiheit" verzichten auf plumpen Rassenwahn und ersetzen ihn durch einen Kulturbegriff, der auf vermeintliche anthropologische Konstanten rekurriert. Andreas Molau fourmlierte 1992 in einem Artikel: "Entscheidend ist, was immer gilt." Immer gilt, dass das weiße und christliche Europa sich gegen den befürchteten neuen Mongolensturm abschotten müsse. Eckwert der "Jungen Freiheit" bleibt eine deutschen Leitkultur, die als Fiktion in der Vergangenheit angesiedelt werden muss, da die Gegenwart der Migration sie ad absurdum führt. [im Original: "Das kann jeder deutsche Großstädter seit Jahren bestätigen, wenn er nur einmal aus dem Fenster blickt. Gegen die schöpferische und synkretistische Kultur der Migranten in den Metropolen der Welt kann die "Junge Freiheit" nur eine Rumpelstilzchen-Version des Deutschtums stellen. "] Das bedeutet aber nicht, dass das nicht jemand Ernst nähme. Der völkische Nationalismus der "Jungen Freiheit" ist die Fortsetzung des rassistischen Terrors mit intellektuellen Mitteln. Es gibt keine Postille des rechten Spektrums, auf die die Metapher von Biedermann und Brandstifter besser zuträfe.

Der Feind der "Jungen Freiheit" war und ist der "Liberalismus" als Synonym für die Demokratie und die universelle Gültigkeit der Menschenrechte. Gegen die "Beliebigkeit" der "Multikultur" setzen die rechten Ideologen die Attitude des elitären Herrenmenschen und die Elite, zu der sie selbstredend gehören. Dieter Stein behauptete schon 1988 - in einem der ersten Artikel der "Jungen Freiheit" -: die "Dynamik des Volkes" hänge entscheidend von seinen Eliten ab"; deren Bedeutung stehe in keinem Zusammenhang mit ihrer Größe. Wer mit einer selbst ernannten Elite redet, hofft vielleicht, dass diese ihr Fußvolk zum Guten beeinflussen könnte. Das darf bezweifelt werden. Medien bestätigen schon vorhandene Meinungen. Christine Knobloch hat mit ihrer Attacke auf die "Philosemiten" den Lesern der "Jungen Freiheit" nur bestätigt, was die ohnehin schon wussten: Wer Juden mag, ist nicht ganz koscher.

< < zurück©Burkhard Schröder