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Dieser Text erschien
leicht gekürzt am
3.10.99 im Berliner
Tagesspiegel
.Wundermittel gibt es nicht
  - Software gegen Kinderpornografie im Internet nur bedingt tauglich
Werbung verspricht viel, was sie nicht hält. Das gilt auch für Srftware, die die Herstellerfirmen gegen Kinderpornografie im Internet anbieten. Immer wieder geistern "Wunderwaffen" durch die Medien, die angeblich das World Wide Web nach Dingen durchsuchen, die verboten und ekelerregend sind. Seit Jahren preist das kleine hessische Unternehmen Compass das Programm Perkeo (Programm zur Erkennung kinderpornografischer eindeutiger Objekte) exklusiv in Europa an. Perkeo schütze vor "strafrechtlich relevanten Daten". Man verspricht "Sicherheit für saubere Server", die Software habe sich "mit einer Fehlerquote von Null Prozent bewährt." Aktivisten von Kinderschutzorganisationen wie Jochen Lengerke, Facharzt für Orthopädie und Pressesprecher von Childhood, preisen Perkeo in höchsten Tönen.

Sieht man genau hin, bleibt davon nicht viel übrig. Perkeo wurde von einem Mitarbeiter des hessischen Landeskriminalamtes entwickelt. Es funktioniert wie eine Datenbank. Das Programm kann keine verbotenen Bilder erkennen, sondern überprüft die Umrisse pornografischer Fotos anhand einer eine Art digitaler Quersumme. Stimmt die digitale "Signatur" mit einer bekannten Datei überein, schlägt es Alarm. Eine Software darf selbst keine illegalen Bilder enthalten, denn selbst deren Besitz ist strafbar.

Experten vom LKA Wiesbaden argumentieren, die Software sei relativ erfolgreich, weil seit Jahren immer wieder die gleichen verbotenen Bilder um Umlauf seien, die "bis auf’s Bit identisch" seien. Provider könnte mit dem Programm die Daten ihrer Kunden scannen. Werden die Bilder auch nur minimal verändert, gibt es Fehlalarm. Leider erhält niemand Auskunft darüber, nach welchen Kriterien programmiert wurde und wer die Datenbasis für Perkeo bestückt. Ein Sprecher der Herstellerfirma verwies darauf, dass man sich auf die sorgfältige Prüfung des LKA eben verlassen müsse.

Juristen zweifeln an Rechtmässigkeit und Effektivität dieses Vorgehens. Laut Gesetz dürfe nur ein Richter feststellen, was verboten und was erlaubt sei, nicht aber eine Software. Rechtsanwalt Michael Schneider, Internet-Spezialist und Sprecher der Internet Content Task Force, einem Selbstkontrollgremium der Internet-Provider, warnte schon vor einem Jahr davor, dass kein Provider die E-Mails und Daten seiner Kunden ausspionieren dürfe. Die Anbieter von Internet-Diensten müssen laut Gesetz nur tätig werden, wenn sie von illegalen Inhalten auf ihren Servern erfahren, nicht aber aktiv danach suchen. Das wäre ohnehin technisch fast unmöglich.

Das Bundeskriminalamt hat ständig eine Suchmaschine im Einsatz, die mit Perkeo das Internet scannt. Falls aber Daten im Ausland gefunden werden, dürfen hiesige Behörden ihren Kollegen nur einen Hinweis geben. Es gilt - nur dann - das Opportunitätsprinzip: die Polizei darf handeln, muss aber nicht. Um in Europa oder den USA verbotene Inhalte wie Kinderpornografie auszuspüren, dazu bedarf es ohnehin keiner Software. Wer im World Wide Web unter einer identifizierbaren Adresse (URL für: uniform resource locator) Inhalte anbietet, ist bekannt. Die Anschrift (Domain) identifiziert den Betreiber eindeutig, weil sie gekauft werden muss und von internationalen Organisationen wie Internic vergeben wird. Wäre das nicht so, könnte kein Rechner einen anderen identifizieren und Daten austauschen.

Nur sehr wenige Provider erlauben, dass ihre Kunden offen Kinderpornografie anbieten, fast ausschliesslich russische oder japanische Firmen - in beiden Ländern sind einschlägige Gesetze nicht vorhanden oder werden nicht angewendet. Auch bei einem der ekelerregensten "Angebote", dem der Moskauer Firma Akrod, sind Anschrift und Telefonnummer bekannt. Die deutschen Behörden wissen jedoch, dass sich die Kooperation mit den russischen Strafverfolgungsbehörden bei diesem Thema in der Regel als sehr kompliziert erweist.

Ein Programm wie Perkeo hilft da nicht weiter. Das vollmundige Versprechen einer minimalen Fehlerquote lässt ausser Acht, dass Kriminelle meistens ungefähr wissen, über welche Mittel ihre Verfolger verfügen. Verbotene pornografische Fotos werden fast nie über das World Wide Web, sondern über anonyme Chat-Foren oder gar nur per privater E-Mail verschickt. Das Internet dienst nur dazu, potentielle Kunden zu locken und mit ihnen in Kontakt zu treten. Wer nach den einschlägigen Stichworten wie "pre-teen" sucht, landet fast immer auf den Seiten professioneller Porno-Anbieter, die wissen, welche "Angebote" besonders interessieren. Illegale Inhalte können sich aber legal arbeitende und leicht zu identifizierende Firmen kaum erlauben. Anbieter gewöhnlicher Pornografie verdienen ihr Geld weniger mit dem Erlös aus dem Verkauf ihrer Fotos, sondern mit dem Adressenhandel: Die E-Mail-Anschriften der Surfer werde gespeichert und meistbietend an einschlägige Firmen verkauft. Die überschütten die Porno-Surfer anschliessend mit unerwünschter Werbung, dem sogenannten "Spam". Ein Beamter der europäischen Polizei Europol räumte während des EDV-Gerichtstages im September vorsichtig ein, selbst wenn eine Software "Mist" sei, könne man damit "den bekannten Mist" identifizieren. Programme taugten allenfalls als Warnlampe. Ohne richterliche Anordnung dürfe die individuelle Kommunikation jedoch keiner Vorzensur unterworden werden. Michael Schneider vom Deutschen Mulitmedia Verband warnte sogar davor, diese Art von Erkennungs-Software als Standard einzusetzen. Ein Provider, der von illegalen Inhalten erfahren, ohne dass er die Pflicht habe, sich davon zu informieren, sei gezwungen, Abhilfe zu schaffen. Die bestehende Rechtslage werde somit auf den Kopf gestellt: Der Urheber sei für kriminelle Inhalte verantwortlich, nicht der, der sie nichtsahnend weiterleite.

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